VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2001 - A 14 S 1850/00 - asyl.net: M0718 / M 0724
https://www.asyl.net/rsdb/M0718%20/%20M%200724
Leitsatz:

1. Für Angehörige nicht-albanischer Minderheiten aus dem Kosovo (einschließlich Straftäter) liegt infolge der Rückübernahmeverweigerung der UNMIK-Verwaltung bis zum Abschluss einer Rückübernahmevereinbarung mit dem Bundesinnenminister das Abschiebungshindernis einer tatsächlichen Unmöglichkeit ihrer Abschiebung in den Kosovo vor (§ 55 Abs. 2 AuslG).

2. Die diesen Personenkreis von einer Abschiebung in den Kosovo ausnehmende aktuelle Erlassregelung in Baden-Württemberg (zuletzt Erlass v. 9.3.2001 - 4 -13-JUG/90-) stellt keine Anordnung nach § 54 Satz 1 AuslG (mehr) dar (anders seinerzeit noch: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.3.2000 - A 14 S 431/98 - zum Erlass vom 2.2.2000), weil es zumindest ab 31.03.2001 am erforderlichen Einvernehmen des Bundesinnenministers fehlt (§ 54 Satz 2 AuslG).

3. Diese Erlasslage, die den Ausländerbehörden generell und rechtlich verbindlich die Berücksichtigung des genannten tatsächlichen Abschiebungshindernisses und eine entsprechende Duldungserteilung aufgibt, beseitigt zwar nicht bereits das Rechtsschutzinteresse für die auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG gerichtete Klage. Die begehrte Feststellung wird jedoch materiell-rechtlich durch § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG gesperrt.

 

Schlagwörter: Jugoslawien, Kosovo, Roma, Ashkali, Gruppenverfolgung, Gebietsgewalt, UNMIK, KFOR-Truppen, Verfolgung durch Dritte, Mittelbare Verfolgung, UCK, Quasi-staatliche Verfolgung, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Erlasslage, Abschiebungsstopp, Rechtsschutzinteresse, Allgemeine Gefahr, Sperrwirkung, Verfassungskonforme Auslegung, Extreme Gefahrenlage, Existenzminimum
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53 Abs. 6 S. 1; AuslG § 55 Abs. 2; AuslG § 54;
Auszüge:

1. Für Angehörige nicht-albanischer Minderheiten aus dem Kosovo (einschließlich Straftäter) liegt infolge der Rückübernahmeverweigerung der UNMIK-Verwaltung bis zum Abschluss einer Rückübernahmevereinbarung mit dem Bundesinnenminister das Abschiebungshindernis einer tatsächlichen Unmöglichkeit ihrer Abschiebung in den Kosovo vor (§ 55 Abs. 2 AuslG).

2. Die diesen Personenkreis von einer Abschiebung in den Kosovo ausnehmende aktuelle Erlassregelung in Baden-Württemberg (zuletzt Erlass v. 9.3.2001 - 4 -13-JUG/90-) stellt keine Anordnung nach § 54 Satz 1 AuslG (mehr) dar (anders seinerzeit noch: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.3.2000 - A 14 S 431/98 - zum Erlass vom 2.2.2000), weil es zumindest ab 31.03.2001 am erforderlichen Einvernehmen des Bundesinnenministers fehlt (§ 54 Satz 2 AuslG).

3. Diese Erlasslage, die den Ausländerbehörden generell und rechtlich verbindlich die Berücksichtigung des genannten tatsächlichen Abschiebungshindernisses und eine entsprechende Duldungserteilung aufgibt, beseitigt zwar nicht bereits das Rechtsschutzinteresse für die auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG gerichtete Klage. Die begehrte Feststellung wird jedoch materiell-rechtlich durch § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG gesperrt.

(Amtliche Leitsätze)

 

Der Bescheid des Bundesamtes vom 6.10.1999 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. des § 53 AuslG.

Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei den Klägern um ethnische Kosovo-Albaner oder Angehörige der Minderheit der Ashkali handelt.

Vor einer ethnisch motivierten staatlichen politischen Gruppenverfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG seitens des serbisch dominierten jugoslawischen Staates sind sowohl ethnische Kosovo-Albaner als auch Ashkali/Roma jedenfalls seit der Übernahme der Hoheitsgewalt durch die UNMIK-Übergangsverwaltung und dem Einmarsch und der Stationierung der KFOR-Truppen zumindest im Kosovo hinreichend sicher. Das gilt auch hinsichtlich der von § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m.Art. 3 EMRK geforderten Gefahr staatlicher Folter, erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und des § 53 Abs. 4 AuslG (i.V.m. Art. 3 EMRK liegen auch nicht vor, soweit hier von den Klägern die Gefahr einer Verfolgung durch die UCK in Anknüpfung an ihre behauptete Zugehörigkeit zur Minderheitengruppe der Ashkali im Kosovo geltend gemacht wird. Im Hinblick auf die Hoheitsgewalt der UN-Verwaltung und der KFOR-Truppen im Kosovo sowie auf die uneinheitlichen Organisationsstrukturen und Willensbildungsprozesse fehlt es nämlich der UCK im Kosovo an dem von den genannten Vorschriften vorausgesetzten staatlichen bzw. quasi-staatlichen Charakter. Insoweit wird auf die Grundsatzentscheidungen des Senats zur Lage der Kosovo-Albaner und ethnischer Minderheiten im Kosovo verwiesen (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.3.2000 - A 14 S 2443/98-; Urt. v . 17.3.2000 - A 14 S 1167/98 - und Urt. v. 30.3.2000 - A 14 S 431/98 -).

Aus diesen Urteilen folgt auch, dass die Kläger - unterstellt sie wären ethnische Kosovo-Albaner - im Kosovo auch keinen existentiellen Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 AuslG ausgesetzt sind.