VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Beschluss vom 24.05.2007 - 5 L 194/07 - asyl.net: M10393
https://www.asyl.net/rsdb/M10393
Leitsatz:

In Sri Lanka besteht nicht die Gefahr einer landesweiten Gruppenverfolgung von Tamilen.

 

Schlagwörter: Sri Lanka, Tamilen, Gruppenverfolgung, interne Fluchtalternative, Anerkennungsrichtlinie, interner Schutz, persönliche Umstände, Colombo
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 8 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 3 Bst. c
Auszüge:

In Sri Lanka besteht nicht die Gefahr einer landesweiten Gruppenverfolgung von Tamilen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihre gegenüber dem Landesamt für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten - Gemeinsame Ausländerbehörde - gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG abgegebene Erklärung, dass kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, vorläufig zurückzunehmen, hat keinen Erfolg.

Das Asylbegehren des Klägers führte im Erstverfahren gemäß dem Urteil des VG des Saarlandes vom 10.09.1996 -1 K 124/93.A-, bestätigt durch Beschluss des OVG des Saarlandes vom 24.10.1996 -1 Q 52/96-, nicht zum Erfolg, weil auf der Grundlage der damaligen Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte, derzufolge für tamilische Volkszugehörige - auch der aus Europa zurückkehrenden - unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienstand und persönlichem Umfeld im Großraum Colombo eine hinreichende Verfolgungssicherheit vor staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Verfolgung gegeben war, sofern sie nicht wegen eines konkreten LTTE-Verdachts oder wegen allgemeiner Kriminalität gesucht wurden (sog. "unauffällige" Tamilen) (vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 07.05.1996 -1 R 177/96) hinsichtlich der Mutter des Antragstellers und damit auch hinsichtlich des Antragstellers, für den keine eigenen Asylgründe vorgetragen wurden, festgestellt wurde, dass jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Großraum Colombo eine hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung bestand und an diesem gefahrlos erreichbaren Ort auch nicht andere Nachteile und Gefahren drohten, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, insbesondere eine wirtschaftliche Existenzmöglichkeit gegeben war.

An dieser Sachlage hat sich aller Voraussicht nach aktuell im Ergebnis nichts zugunsten des Antragstellers geändert.

Das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen hat in Anknüpfung an seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 24.05.2006 -21 A 3904/04.A-, vom 21.11.2005 -21 A 1117/03.A-, vom 29.11.2001 -21 A 3853/99.A- sowie vom 23.11.2001 -21 A 4018/98.A und 21 A 5185/98.A-, derzufolge weder der Bevölkerungsgruppe der Tamilen insgesamt noch einer ihrer Untergruppen in Sri Lanka im gesamten Land oder in einzelnen Landesteilen eine Gruppenverfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe) in einer aktuellen Entscheidung (vgl. Urteil vom 17.01.2007 -21 A 3013104.A -) festgestellt, dass auch die weitere Entwicklung seit Frühjahr 2006 in Sri Lanka keinen Anlass gebe, von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung für tamilische Volkszugehörige im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland auszugehen, und hierzu auf den Seiten 22 - 26 folgendes ausgeführt: ...

Auf der Grundlage dieser Feststellungen (im Ergebnis ebenso eine Gruppenverfolgung der Tamilen ablehnend: VG Arnsberg, Urteil vom 23.01.2007 -11 K 3703/06.A-; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 05.12.2006 -19a K 6946/04.A-; VG Frankfurt, Beschluss vom 21.09.2006 -9 G 3767/06.AF (1) -) in denen sich das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen gerade auch mit den vom Antragsteller angeführten Erkenntnisquellen, nämlich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 11.12.2006 (vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Sri Lanka vom 11.12.2006, Stand: Dezember 2006) sowie der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2006 vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Sri Lanka - aktuelle Situation, ein Update, November 2006) ausführlich auseinandergesetzt hat, kann für den vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass für tamilische Staatsbürger die Gefahr einer allein an die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tamilen anknüpfenden politischen Verfolgung zumindest im Großraum Colombo nicht beachtlich, d.h. überwiegend wahrscheinlich ist. Da der Antragsteller auch nicht behauptet, dass er nunmehr wegen eines konkreten LTTE-Verdachts oder wegen allgemeiner Kriminalität gesucht werde, hat sich die im Erstverfahren zugrundegelegte Sachlage im Ergebnis nicht zu seinen Gunsten geändert, ohne dass es fallbezogen entscheidungserheblich auf die weitergehende Annahme des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen ankommt, in Sri Lanka würden auch in den anderen Landesteilen Tamilen wegen ihrer Volksgehörigkeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der - der Entscheidung des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen ebenfalls zu Grunde liegende - Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Sri Lanka vom 11.12.2006 nicht in sich widersprüchlich.

Eine dem Antragsteller günstigere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17.01.2007 nachfolgenden jüngeren Erkenntnissen.

Soweit der Antragsteller schließlich noch unter Hinweis auf die Regelung des Art. 8 (interner Schutz) der seit dem 10.10.2006 geltenden "Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes" in Frage stellt, ob von ihm vernünftigerweise erwartet werden könne, sich vom Mitgliedsstaat der EU aus in den sicheren Landesteil des Heimatstaates zu begeben, vermag ihm die Kammer ebenfalls nicht zu folgen.

Gemäß Art 8 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG können die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Dabei sind nach Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2004/83/EG bei der Prüfung, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zur Interpretation des Begriffs der persönlichen Umstände kann auf Art. 4 Abs. 3 Buchstabe c Richtlinie 2004/83/EG zurückgegriffen werden, wonach die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Asylsuchenden einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen Fluchtalternative aufhält. Erforderlich hierfür ist, dass er am Zufluchtsort unter persönlich zumutbaren Bemühungen jedenfalls sein Existenzminimum sichern kann. Fehlt es an einer solchen Möglichkeit der Existenzsicherung, ist eine interne Schutzmöglichkeit nicht gegeben (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2006 - A 3 S 46/06-, zitiert nach Juris).

Vorliegend ergibt sich aus obigen Ausführungen, dass für den Antragsteller zumindest im Großraum Colombo eine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. eine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Zudem ist es dem Antragsteller zuzumuten und kann daher auch von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich bei Rückkehr in sein Heimatland zumindest im Großraum Colombo aufhält.