VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Beschluss vom 06.09.2007 - 10 K 657/05.A - asyl.net: M11517
https://www.asyl.net/rsdb/M11517
Leitsatz:

War ein Rechtsanwalt wegen desselben Gegenstands in einem Verwaltungsverfahren und einem nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren tätig, wird die Geschäftsgebühr auf die vom unterlegenen Prozessgegner zu zahlende Verfahrensgebühr angerechnet.

 

Schlagwörter: Kosten, Kostenrecht, Kostenerstattung, Rechtsanwaltsgebühren, Geschäftsgebühr, Verfahrensgebühr, Anrechnung, Reisekosten
Normen: VwGO § 164; VwGO § 162 Abs. 1; VwGO § 162 Abs. 2; RVG § 2 Abs. 2
Auszüge:

War ein Rechtsanwalt wegen desselben Gegenstands in einem Verwaltungsverfahren und einem nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren tätig, wird die Geschäftsgebühr auf die vom unterlegenen Prozessgegner zu zahlende Verfahrensgebühr angerechnet.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts (sog. Erinnerung über den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 01. Dezember 2006) ist zulässig nach § 165 i.V.m. § 151 VwGO, hat in der Sache aber keinen Erfolg. In dem angegriffenen Beschluss sind die der Klägerin von der Beklagten zu erstattenden Kosten zutreffend festgesetzt worden.

Im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 164 VwGO werden auf der Grundlage der Kostengrundentscheidung nach §§ 154, 155 VwGO auf Antrag die im Verhältnis der Beteiligten zueinander zu erstattenden Kosten festgesetzt. Inhaber des Kostenerstattungsanspruchs ist der jeweilige Beteiligte, nicht sein Prozessbevollmächtigter. Dies gilt auch insoweit, als Gegenstand der Festsetzung die Vergütung ist, die der Erstattungsberechtigte seinem Prozessbevollmächtigten aufgrund dessen Beauftragung schuldet (- Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 164 Rdnrn. 37, 38 -).

Erstattungsfähig sind nach § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Beteiligten. Der Höhe nach sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Falle der Zuziehung eines Rechtsanwalts Aufwendungen im Umfang der gesetzlichen Gebühren und Auslagen notwendig. Maßstab für die Notwendigkeit der Aufwendungen sind die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -. Was der erstattungsberechtigte Beteiligte dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz schuldet, kann er auf den erstattungsverpflichteten Beteiligten abwälzen (vgl. Neumann, a.a.O., § 162 Rdnr. 63).

1. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Ziffern 3100 ff. der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 (vormals 2400 bis 2403) entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Es vermindert sich nach dem eindeutigen Wortlaut also nicht die entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr (Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06).

Aufgrund dieser Anrechnungsvorschrift kann ein Anwalt, der seinen Mandanten bereits wegen desselben Gegenstandes in dem dem Klageverfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren vertreten hat, für die anschließende Tätigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Teil seiner gesetzlichen Vergütung nur eine geminderte Verfahrensgebühr abrechnen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass eine bereits im außergerichtlichen Verfahren geleistete Einarbeitung des Rechtsanwaltes in die Sach- und Rechtslage dann nicht nochmals voll vergütet werden soll, wenn es in dem gerichtlichen Verfahren in der Sache um denselben Gegenstand geht. Die Anrechnungsregelung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV ist nach Ansicht der Kammer auch im sog. Außenverhältnis zwischen dem (teil-) obsiegenden Mandanten und dem kostenpflichtigen anderen Verfahrensbeteiligten anzuwenden (vgl. zum Meinungsstand die Nachweise im angefochtenen Beschluss vom 01. Dezember 2006 sowie im Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Minden vom 31. Mai 2007 - 10 K 1944/06.A).

2. Reisekosten eines Rechtsanwalts sind nur erstattungsfähig, soweit sie im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind. Beauftragt der Beteiligte einen Rechtsanwalt an einem anderen Ort, sind die Reisekosten ausnahmsweise dann erstattungsfähig, wenn der beauftragte Rechtsanwalt über besondere Fachkenntnisse verfügt und der Streitfall Fragen aus dem betreffenden Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwarf, dass ein verständiger Beteiligter zur angemessenen Wahrnehmung seiner Rechte gerade die Hinzuziehung eines solchen Rechtsanwalts für ratsam halten musste. Dasselbe kommt in Betracht, wenn zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, etwa weil der Rechtsanwalt den Mandanten bereits im Verwaltungsverfahren vertreten hat und ein Anwaltswechsel zum Zwecke der Kostenersparnis unzumutbar erscheint. War es nach diesen Maßstäben nicht notwendig, einen Rechtsanwalt mit Sitz an dem gewählten Ort zu beauftragen, sind die Reisekosten in der Höhe erstattungsfähig, wie sie für einen Rechtsanwalt entstanden wären, der am Sitz des Gerichts oder am Wohnort des Beteiligten ansässig ist (Neumann, a.a.O., § 162 Rdnrn. 66, 69, 70).

Dies zugrunde gelegt, war es nicht notwendig, dass die Klägerin ihren in L1. ansässigen Prozessbevollmächtigten beauftragte. Besondere Fachkenntnisse in dem genannten Sinne waren im Zusammenhang mit dem Verfahren nicht erforderlich, auch nicht mit Blick auf die Herkunft der Klägerin gerade aus der E1. S. L. . Zudem wohnte sie bereits zu dem Zeitpunkt, als der Vorprozess VG Minden 10 K 5331/03.A begann, in I..