VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 28.09.2007 - 7 A 60/07 - asyl.net: M11845
https://www.asyl.net/rsdb/M11845
Leitsatz:
Schlagwörter: Ruanda, Hutu, Gacaca-Gericht, Protokollant, Inhaftierung, Vergewaltigung, Misshandlungen, Flüchtlingsfrauen, Frauen, geschlechtsspezifische Verfolgung, Glaubwürdigkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hat. Der diese Feststellung versagende Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Im Gegensatz zu der Begründung des angegriffenen Bescheides (dort Ziff. 2.) erachtet das Gericht die Angaben der Klägerin nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck durchaus als glaubhaft. Die zahlreichen und zumindest in ihrer Häufigkeit intensiven Nachfragen seitens des Gerichts haben bei diesem die Überzeugung entstehen lassen, dass die Klägerin in einer konkreten, anschaulichen, detailreichen sowie in sich widerspruchsfreien Art und Weise ein tatsächlich von ihr erlebtes, d.h. erlittenes Verfolgungsschicksal geschildert hat. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin als Protokollantin eines Gacaca-Gerichts tätig gewesen und in dieser Funktion in der von ihr beschriebenen Art und Weise durch ihren - nach politischen Kriterien eingesetzten und politisch motiviert handelnden - Vorgesetzten in der beschriebenen Weise unter Druck gesetzt sowie schließlich auf Betreiben dieses Vorgesetzten festgenommen, inhaftiert, misshandelt und vergewaltigt worden ist. Dabei war nach der von dem Gericht gewonnenen Überzeugung nicht allein ihre Funktion als Gerichtsprotokollantin, sondern zugleich (kumulativ) ihre Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Hutu für die Verfolgungsmaßnahmen ausschlaggebend. Soweit in dem angegriffenen Bescheid eine gänzlich unzutreffende Einwohnerzahl des Heimatortes der Klägerin als Argument gegen die Glaubhaftigkeit der Schilderung angeführt worden ist, wird übersehen, dass die von der Klägerin vorgenommene Schätzung der Einwohnerzahl durchaus auch auf diejenige ihres Heimatdorfes bezogen werden konnte. Soweit im Bescheid die Gacaca-Volkstribunale als nicht vor dem 1. Januar 2005 tätig dargestellt worden sind, ist diese Erkenntnislage nach Auffassung des Gerichts unzureichend. Denn u.a. aus den klägerseits in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln (Zeitungsberichten) geht hervor, dass diese Volkstribunale mitunter durchaus schon in den Jahren 2001 bis 2003 zumindest ansatzweise tätig geworden bzw. eingerichtet worden waren. Die klägerische Angabe, seit Juli 2004 bei einem derartigen Volkstribunal tätig gewesen zu sein, kann daher nicht als Argument für die Unglaubhaftigkeit der klägerischen Schilderung herangezogen werden.