LSG Baden-Württemberg

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Zitieren als:
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008 - L 7 AS 3031/08 ER-B - asyl.net: M13725
https://www.asyl.net/rsdb/M13725
Leitsatz:

Der Zugang von Ausländern zu Leistungen nach SGB II setzt gem. § 8 Abs. 2 2. Alt. SGB II voraus, dass zumindest konkrete Aussichten auf die Erlaubnis der Erwerbstätigkeit bestehen, die abstrakt-generelle Möglichkeit genügt nicht; es ist zweifelhaft, ob der Ausschluss von Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EG vereinbar ist; der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ist nicht anwendbar, wenn mangels konkreter Aussichten auf die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit der Unionsbürger kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche besitzt.

 

Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Arbeitssuchende, Unionsbürger, Beitrittsstaaten, Erwerbstätigkeit, Ungarn, Arbeitserlaubnis/EU, Arbeitsgenehmigung/EU, Grundsicherung für Erwerbsunfähige, Arbeitssuche, Freizügigkeit, Ausreisepflicht, Asylbewerberleistungsgesetz, Diskriminierungsverbot, Gemeinschaftsrecht, Vorabentscheidung, EuGH, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit
Normen: SGG § 86b Abs. 2; SGB II § 8 Abs. 2; SGB III § 284 Abs. 1; VO 1408/71 Art. 3; SGB XII § 23 Abs. 3; RL 2003/38/EG Art. 14 Abs. 4; RL 2004/38/EG Art. 24 Abs. 2; EG Art. 18 Abs. 1; EG Art. 12
Auszüge:

Der Zugang von Ausländern zu Leistungen nach SGB II setzt gem. § 8 Abs. 2 2. Alt. SGB II voraus, dass zumindest konkrete Aussichten auf die Erlaubnis der Erwerbstätigkeit bestehen, die abstrakt-generelle Möglichkeit genügt nicht; es ist zweifelhaft, ob der Ausschluss von Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EG vereinbar ist; der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ist nicht anwendbar, wenn mangels konkreter Aussichten auf die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit der Unionsbürger kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche besitzt.

(Leitsatz der Redaktion)

 

I. Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Abs. 2 S. 2). Der Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG ist schon vor Klageerhebung zulässig.

II. Soweit die Beschwerde gegen die Antragsgegnerin gerichtet ist, hat sie mangels Anordnungsanspruches keinen Erfolg. Die Antragsteller haben derzeit keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Als ungarische Staatsangehörige sind sie als Ausländer nach § 8 Abs. 2 SGB II nur erwerbsfähig, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.

Die Antragsteller gehören nicht zu den uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern der Alt-Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU). Nach § 284 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) dürfen Staatsangehörige der Staaten, die nach dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur EU (BGBl. II S. 1408) der EU beigetreten sind (im Folgenden MOE-Beitrittsstaaten), und deren freizügigkeitsberechtigte Familienmitglieder eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben, soweit nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages abweichende Regelungen als Übergangsregelungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Anwendungen finden. Solche abweichenden Regelungen sind nach Art. 24 der Beitrittsakte 2003 i.V.m. Anhang X mindestens bis zum 30. April 2009 von der Bundesrepublik Deutschland auch im Verhältnis zu Ungarn getroffen worden (Beschluss der Bundesregierung vom 22. März 2006; vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom selben Tag; www.bmas.bund.de).

Die Antragsteller zu 1 und 2 können auch nicht erfolgreich geltend machen, ihnen könnte die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden (§ 8 Abs. 2 2. Alt. SGB II). Hierfür dürfte eine abstrakt generelle Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU nicht ausreichen. Andernfalls wäre die 1. Alt. (tatsächliches Vorliegen einer Erlaubnis) überflüssig. Ohne realistische und aktuelle Chance auf Erteilung einer solchen Genehmigung kann das Ziel der Leistungen nach dem SGB II, die Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen, nicht erreicht werden. Des Weiteren ist die Konzeption des SGB II zu beachten, das vorwiegend an einer gegenwärtig notwendigen Sicherung des Lebensunterhaltes orientiert ist, die notwendig wird, weil dieser nicht durch an sich mögliche Erwerbstätigkeit sichergestellt werden kann. Fehlt es jedoch in der Zeit der Hilfebedürftigkeit an der Fähigkeit oder der rechtlichen Möglichkeit der Arbeitsaufnahme, ist die Sicherung des Lebensunterhalts nicht dem System der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzuordnen. Notwendig ist daher eine über die bloß abstrakte rechtliche Möglichkeit hinausgehende Aussicht auf Erteilung der Genehmigung oder Erlaubnis, orientiert am Maßstab der Genehmigungsfähigkeit des Arbeitsgenehmigungsrechts (LSG Rheinland-Pfalz NZS 2007, 220; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. September 2006 – L 6 AS 376/06 ER - <juris>). Dies entspricht dem gesetzgeberischen Willen zu § 8 Abs. 2 SGB II (BT-Drucks. 15/1516 S. 52), wonach sich die Frage, ob ein vorrangiger oder nachrangiger Arbeitsmarktzugang ausschließlich nach den arbeitsgenehmigungsrechtlichen Regelungen richte. Des Weiteren wird damit der Erwägung Rechnung getragen, auf der die für die MOE-Beitrittsstaaten beibehaltene Genehmigungspflicht nach § 284 SGB III beruht. Es sollte vermieden werden, dass die Zuwanderung von Arbeitsuchenden aus diesen neuen Mitgliedstaaten zu negativen Auswirkungen auf dem nationalen Arbeitsmarkt führt. Zunächst soll daher geprüft werden, ob bevorrechtigte Arbeitnehmer aus dem Inland oder anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Erst bei realistischer Chance auf einen Arbeitsplatz kann auch das Konzept des Förderns und Forderns des SGB II greifen. Welche Anforderungen konkret an die Prüfung im Rahmen des § 8 Abs. 2 SGB II zu stellen sind, kann hier offen bleiben. Denn bislang ergibt sich aus dem Vortrag der Antragsteller lediglich, dass ein Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis gestellt wurde und sich dieser auf eine Tätigkeit im Gastronomiebereich beziehe. Damit sind die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGG jedoch nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Denn diese Angaben erlauben nicht einmal ansatzweise eine ausreichende Abschätzung, ob angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktlage eine Erlaubnis erteilt werden könnte. Hierzu bedürfte es zumindest näherer Angaben zur Art der Tätigkeit.

Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II dürfte sich für die Antragsteller ferner nicht aus der Regelung des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern vom 14. Juni 1971 (VO 1408/71) ergeben. Seit dem 28. April 2006 untersteht zwar auch das Alg II dem Regime dieser Verordnung (Art. 4 VO 1408/71), nachdem diese Leistung in deren Anhang IIa aufgenommen worden war. Art. 3 Abs. 1 VO 1408/71 bestimmt, dass die von der Verordnung erfassten Personen die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie Staatsangehörige dieses Staates haben, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. Dies bedeutet zunächst das strikte Verbot, bei der Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit deren Erwerb von der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaat abhängig zu machen. Das Verbot umfasst auch Bestimmungen eines Mitgliedstaats, die den Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Erfüllung von Tatbestandsvoraussetzungen aufgibt, die sie von Angehörigen des zuständigen Mitgliedstaats nicht verlangt, z.B. das Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis (Eichenhofer in Fuchs <Hrsg.>, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 3. Aufl., VO 1408/71 Art. 3 Rdnr. 4). § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II knüpft die Leistungsberechtigung zunächst nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die Erwerbsfähigkeit. Als Grundsicherungsleistung für Arbeitsuchende steht das Alg II nur Personen offen, die Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Dies bestimmt sich für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit nach § 8 Abs. 2 SGB II. Dieser knüpft also an die Staatsangehörigkeit an und könnte über das Tatbestandsmerkmal Erwerbsfähigkeit zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit führen.

Aus dem gleichen Grund können die Antragsteller auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 23. März 2004 (Slg. I 2004, 2703 <Collins>) keinen Anspruch auf Alg II ableiten.

III. Nach summarischer Prüfung haben die Antragsteller jedoch einen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Wegen der Bedeutung dieser Leistungen für die Gewährleistung des Existenzminimums liegt damit auch ein Anordnungsgrund vor.

Dem Anspruch könnte jedoch § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII entgegenstehen, da die Antragsteller zu 1 und 2 geltend machen, aktuell Arbeit zu suchen.

Ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitsuche kommt den Antragstellern nicht zu.

Es erscheint derzeit jedoch bereits fraglich, ob den Antragstellern das Aufenthaltsrecht wegen Arbeitsuche noch zusteht. Nach Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG darf gegen Unionsbürger auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn sie Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Buchstabe a) oder in das Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates eingereist sind, um Arbeit zu suchen; in diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden (Buchstabe b). An das sich aus dieser Bestimmung ergebende Recht zum Aufenthalt knüpft § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII den Ausschluss vom Sozialhilfeanspruch. Nach den obigen Ausführungen zum Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis nach § 284 SGB III erscheint es zweifelhaft, ob eine begründete Aussicht auf Einstellung i.S.d. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b RL 2004/38/EG überhaupt vorliegt. Nach § 284 Abs. 1 SGB III darf ein Arbeitgeber einen ungarischen Unionsbürger nur einstellen, wenn die Arbeitserlaubnis/EU oder Arbeitsgenehmigung/EU erteilt ist; der Unionsbürger darf eine Beschäftigung nur bei deren Vorliegen eingehen. Solange also eine solche Erlaubnis oder Genehmigung nicht vorliegt oder nicht erteilt werden darf, besteht für den Unionsbürger keine begründete Aussicht, eingestellt zu werden. Ob das FreizügG/EU abweichend von der RL 2004/38/EG ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht bei Arbeitsuche gewährt und dabei auf die Voraussetzung der begründeten Erfolgsaussicht verzichtet (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. November 2006 – L 20 B 248/06 AS ER - <juris>; Strick NJW 2005, 2183, 2184), kann hier offen bleiben. Denn nach § 13 FreizügG/EU setzte die Anwendung dieses Gesetzes bei nicht uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern insoweit voraus, dass die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 Abs. 1 SGB III bereits genehmigt wurde, was hier nicht der Fall ist.

Geht man davon aus, dass den Antragstellern mangels Erfolgsaussicht der Arbeitsuche ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr zukommt, greift auch der Ausschlusstatbestand des § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII nicht ein. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist deren Anwendung allein auf das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche bezogen; dies entspricht auch dem der Gesetzesbegründung zu entnehmenden Willen des Gesetzgebers, mit dieser Regelung von der in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen. Eine Anwendung dieses Ausschlusses i.S.e. Erst-Recht-Schlusses auf Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG dürfte daher nicht möglich sein. Ein solcher Schluss ist auch nicht zwingend. Denn die Bundesrepublik Deutschland hat in diesen Fällen die Möglichkeit, den Aufenthalt des Unionsbürgers und damit auch dessen Sozialhilfebezug zu beenden. Diese Möglichkeit besteht in den von § 23 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. SGB XII erfassten Fällen gerade nicht.

Da die Antragsteller nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sie von der Sozialhilfe unabhängig machen, steht ihnen auch kein weiteres Aufenthaltsrecht nach Art. 7 RL 2004/38/EG zu. Damit unterfallen die Antragsteller aber nicht automatisch dem Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mit der Folge eines Ausschlusses des Sozialhilfeanspruches nach § 23 Abs. 3 S. 1 1. Alt. SGB XII. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG sind nach diesem Gesetz leistungsberechtigt vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, auch wenn eine Abschiebeandrohung nicht vollziehbar ist. Nach Art. 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG darf die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger oder einen seiner Familienangehörigen nicht automatisch zu einer Ausweisung führen. Die Pflicht zur Ausreise entsteht somit nicht bereits kraft gesetzlicher oder Verordnungsregelung, wenn Sozialhilfe in Anspruch genommen wird oder werden soll. Vielmehr soll vom Aufnahmestaat zuvor geprüft werden, ob es sich um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, sowie die Dauer des Aufenthaltes, die persönlichen Umstände und den gewährten Sozialhilfebetrag berücksichtigt werden (Erwägung Ziffer 16 zur RL 2004/38/EG, ABl. L 158 vom 30. April 2004, S. 82). Diese Prüfung obliegt jedoch nicht der Sozialverwaltung und ist daher im vorliegenden Verfahren nicht erstmals durch ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zu prüfen. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU sind Unionsbürger erst dann ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht (VGH Hessen, Beschluss vom 29. Dezember 2004 – 12 TG 3212/04 - <juris>). Dass eine Beendigung des Aufenthalts der Antragsteller festgestellt oder überhaupt betrieben wird, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht insbesondere die Ausstellung der Freizügigkeitsbescheinigung. Auch wenn dieser keine konstitutive Wirkung zukommt, spricht ihre Erteilung dafür, dass durch die zuständige Behörde eine Aufenthaltsbeendigung nicht angestrebt wird. Abweichende Anhaltspunkte liegen nicht vor und sind auch von den Beteiligten nicht vorgetragen worden. Da die Antragsteller auch nicht eingereist waren, um Sozialhilfe zu erlangen, hätten sie dann mangels Ausschlusstatbestandes zumindest einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII, der lediglich an den tatsächlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland anknüpft.

Allerdings ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ist nicht ausgeschlossen, dass den Antragsteller noch das Aufenthaltsrecht nach Art. 14 Abs.4 RL 2004/38/EG zusteht.

Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes führt dies jedoch aufgrund einer Interessen- und Folgenabwägung nicht zur Ablehnung der begehrten einstweiligen Anordnung. Mit der Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, bzw. § 23 Abs. 3 2. Alt. SGB XII hat der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit nach Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch gemacht. Dieser sieht ausdrücklich vor, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b RL 2004/38/EG (Arbeitsuche) einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Die genannten nationalen Regelungen sind somit mit den Vorgaben des sekundären Gemeinschaftsrechts ohne weiteres vereinbar. Diese Regelungen der § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, bzw. § 23 Abs. 3 2. Alt. SGB XII i.V.m. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG müssen jedoch ihrerseits vereinbar sein mit den Vorgaben des primären Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Art. 18 und 12 EG.

Eine einheitliche Auffassung zu dieser Frage hat sich bislang in der Rechtsprechung nicht herausgebildet. Teils wird ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht verneint (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. August 2007 - L 9 AS 447/07 ER; LSG Hessen, Beschluss vom 3. April 2008 - L 9 AS 59/08 B ER; OVG Bremen, Beschluss vom 15. November 2007 - S 2 B 426/07; SG Reutlingen, Urteil vom 29. April 2008 - S 2 AS 2952/07 - alle veröffentlicht in <juris>), teils Zweifel an der Vereinbarkeit geäußert (OVG Bremen, Beschluss vom 5. November 2007 - S 1 B 252/07; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Juni 2007 - L 20 B 59/07 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. August 2007 - L 9 AS 447/07 ER - jeweils in <juris>; vgl. a. Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 Rdnr. 30; Brühl/Schoch, LPK-SGB II, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 19; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 Rdnr. 17 ff).

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht eine Verpflichtung zur Vorlage im Wege der Vorabentscheidung durch den EuGH nicht; dem stünde bereits die Eilbedürftigkeit entgegen.