VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 29.08.2008 - 19 C 08.1994 - asyl.net: M14274
https://www.asyl.net/rsdb/M14274
Leitsatz:

Vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG kann nicht wegen des hohen Alters des Ausländers abgesehen werden.

 

Schlagwörter: D (A), Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Niederlassungserlaubnis, Lebensunterhalt, Rente, Alter, Krankheit, Behinderung, Analogie
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114; AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AufenthG § 9 Abs. 2 S. 6; AufenthG § 9 Abs. 2 S. 3
Auszüge:

Vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG kann nicht wegen des hohen Alters des Ausländers abgesehen werden.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO) abgelehnt.

Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Lebensunterhalt des Klägers sei nicht gesichert (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG), ist nicht zweifelhaft; seine Altersrente beläuft sich auf weniger als 150 EUR pro Monat. Ein Sachverhalt, in dem von dieser Voraussetzung abgesehen werden könnte, liegt nicht vor. Ein Absehen in Anwendung des § 5 Abs. 3 AufenthG ist nach dem (im Hinblick auf die derzeitige Lage im Irak) erfolgten Widerruf der Asylanerkennung des Klägers nicht mehr möglich. Nach § 9 Abs. 2 S. 6 i. V. m. S. 3 AufenthG ist von der Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhalt abzusehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Ausgehend vom Vorbringen des Klägers, er sei im Jahre 1941 geboren, befindet er sich zwar nunmehr in einem Alter, in dem gesetzlich rentenversicherte Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und Altersversorgungsleistungen beziehen. Die Voraussetzungen für die von ihm angestrebte entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Ausländer im Rentenalter mit unzureichenden Versorgungseinkünften liegen jedoch nicht vor.

Es fehlt bereits an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Das Erreichen des Ruhestandsalters stellt einen sozialen Regelsachverhalt dar, so dass nicht angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe diese Fallkonstellation bei der Gestaltung der genannten Vorschriften übersehen. Darüber hinaus entspräche eine solche erweiternde Auslegung nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Ihr liegt nicht die Absicht zu Grunde, immer dann von der Voraussetzung der Sicherung des Unterhalts abzusehen, wenn eine Erwerbstätigkeit nicht möglich ist oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich wäre. Sie soll lediglich eine Benachteiligung behinderter Menschen verhindern (BT-Drs. 15/420, S. 72), also einer Personengruppe, die bei der Bewältigung des Lebens ganz allgemein überdurchschnittlichen Belastungen ausgesetzt ist. Wenn es um die Unterhaltssicherung von Personen des Alters geht, in dem nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung die Gewährung von Rentenleistungen vorgesehen ist, steht die Erwerbstätigkeit nicht im Vordergrund. Bei entsprechendem Umfang der bisherigen Erwerbstätigkeit ist regelmäßig der Unterhalt durch eigenes Vermögen, gesetzliche oder private Altersversorgungsleistungen (vgl. hierzu Hailbronner, Nr. 12 ff. zu § 9 AufenthG) gesichert. Dieser Überlegung kommt jedenfalls dann Bedeutung zu, wenn der Ausländer – wie vorliegend der Kläger – sich während eines Zeitraums im Bundesgebiet (mit der Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit) aufgehalten hat, in dem wesentliche Altersversorgungsanwartschaften erworben werden können. Dem Kläger stehen als Folge einer lediglich in geringem Umfang erfolgreichen Erwerbsbiographie nur unzureichende Altersversorgungsleistungen zu. Nachdem allgemein erfolglose oder nur in geringem Umfang erfolgreiche Bemühungen am Arbeitsmarkt einer Sicherung des Unterhalts nicht gleichstehen, kann dies im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht unberücksichtigt bleiben. Andernfalls wäre im Zeitpunkt des Erreichens des Ruhestandsalters von einer Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG auszugehen, während sie vorher nicht oder nur während unwesentlicher Zeiträume vorgelegen hat.