Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG in die Türkei wegen posttraumatischer Belastungsstörung.
Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG in die Türkei wegen posttraumatischer Belastungsstörung.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung, dass in ihrer Person ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. [...]
Das Gericht ist aufgrund der vorgelegten fachärztlichen Bescheinigungen und Gutachten und des Eindruckes der Klägerin in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass diese an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer schweren depressiven Episode leidet, welche einer weiteren regelmäßigen psychologischen Behandlung bedarf. Zu diesem Ergebnis kommen auch die Ärzte, die die Klägerin inzwischen behandelt haben und noch behandeln, in ihren vorgelegten Stellungnahmen/Gutachten. Bei diesen Ärzten handelt es sich auch um ausgewiesene Spezialisten und Fachärzte, sodass das Gericht entgegen der Auffassung des Bundesamtes keinen Anlass hat, an der Richtigkeit dieser Stellungnahmen und Gutachten und damit am Bestehen der psychischen Erkrankung der Klägerin zu zweifeln. Es spricht auch nicht gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages der Klägerin, dass dieser Widersprüche aufweist. Denn es kommt gerade bei tatsächlich erlittener Traumatisierung nicht selten vor, dass das Vorbringen der Asylbewerber Widersprüche und Steigerungen aufweist (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 16.08.2004 - 11 LA 227/04 -). Hiervon gehen auch die Gutachten aus, die im Übrigen schlüssig und widerspruchsfrei sind, sodass für das Gericht kein Anlass besteht, neben diesem (Partei-) Gutachten ein zweites Gutachten einzuholen.
Diese Erkrankung würde sich nach Überzeugung des Gerichts im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort innerhalb kürzester Zeit dramatisch verschlechtern. Grund hierfür wäre zum einen der Umstand, dass wesentlicher Faktor für die Erkrankung der Klägerin ihr in der Türkei bereits erlittenes Unrecht und die daraus resultierende ständige Befürchtung ist, erneut Opfer von Misshandlung zu werden, was sich, da die Ursachen für diese Ängste im Heimatland begründet liegen, naturgemäß verstärken würde, wäre die Klägerin wieder den dortigen Verhältnissen ausgesetzt. Weiterer Grund für die zu erwartende Verschlimmerung des Zustandes der Klägerin sind die zwar in letzter Zeit verbesserten, aber nach wie vor trotzdem nur eingeschränkten Therapiemöglichkeiten und die in weiten Teilen anzutreffende unwürdige Behandlung psychisch Kranker sowohl im öffentlichen wie im privaten Leben. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen ist die Situation psychisch Kranker in der Türkei generell als schwierig zu charakterisieren. Hierbei trifft es insbesondere Menschen mit Angsttraumata nach Misshandlungen und selbstmordgefährdete Personen hart, denn zwar gibt es eine ausreichende rein medizinische Versorgung solcher Erkrankten, weiterführende Therapien werden jedoch so gut wie gar nicht angeboten (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 0.1.06.2004, 20.03.2002 und vom 22.06.2000 - dort jeweils die Anlage -). Eine persönliche, sozialpädagogische sowie psychosoziale Betreuung und/oder Rehabilitation psychisch Kranker sowie eine notwendige Unterstützung der Familien findet nicht statt. Grundsätzlich ist die Situation psychisch Kränker in der Türkei gekennzeichnet durch eine Dominanz krankenhausorientierter Betreuung bei gleichzeitigem Fehlen differenzierter ambulanter Versorgungsangebote (vgl. Nds. OVG, Beschl. v.28.02.2005 - 11 LB 121/04).
Zwar mag die somit zu befürchtende dramatische Verschlimmerung des psychischen Zustandes der Klägerin im Falle einer Rückkehr in die Türkei auch durch ihre individuelle Konstitution mitbedingt sein, hierauf kommt es jedoch nicht an (vgl. dazu BVerwG v. 25.11.1997, 9 C 58.96; BVerwG v. 29.07.1999, 9 C 2.99). Entscheidend ist allein, dass die Gründe für die der Klägerin ernsthaft drohenden Gefahren, die bis zu einer Lebensgefährdung in Folge Suizidgefahr führen könnten, auf die Bedingungen in der Türkei zurückgeführt werden müssen. [...]