VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 15.01.2009 - M 10 K 08.2692 u.a. - asyl.net: M15257
https://www.asyl.net/rsdb/M15257
Leitsatz:

Ein Ausländer, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann ohne Vertretung durch seine Eltern einem Rechtsanwalt Vollmacht für die Wahrnehmung seiner aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten erteilen.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, D (A), Untätigkeitsklage, Antrag, Rücknahme, Verfahrensbevollmächtigte, Vollmacht, Geschäftsfähigkeit, Minderjährige
Normen: AuslG § 68; AufenthG § 80; BGB § 112; BGB § 113
Auszüge:

Ein Ausländer, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann ohne Vertretung durch seine Eltern einem Rechtsanwalt Vollmacht für die Wahrnehmung seiner aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten erteilen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Verpflichtungsklage im VerfahrenM10 K 08.2692 und die Untätigkeitsklage im Verfahren M 10 K 08.4787 wurden durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2009 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Klagen haben keinen Erfolg. [...]

Das Gericht hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest, wonach der Antrag vom 15. Juni 2000 durch das Schreiben der damaligen Bevollmächtigten der Klägerin vom 16. November 2000 wirksam zurückgenommen wurde und somit kein Antrag mehr vorliegt, über den die Beklagte entscheiden müsste. Zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Eltern am 15. Juni 2000 hatte die Klägerin das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet (Geburtsdatum: ... Juni 1984). Am 24. Juli 2000 hatte die Klägerin selbst ihrer damaligen Bevollmächtigten eine Vollmacht erteilt. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin bereits 16 Jahre alt. § 68 des damals maßgeblichen Ausländergesetzes (jetzt § 80 AufenthG) regelt, dass fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach dem Gesetz auch Ausländer sind, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, sofern sie nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches geschäftsunfähig sind. Geschäftsunfähig ist nach § 104 BGB nur derjenige, der das 7. Lebensjahr nicht vollendet hat. Die Klägerin ist demnach nach Vollendung ihres 16. Lebensjahres berechtigt gewesen, das Verfahren bezüglich des Antrages der Eltern auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter zu betreiben bzw. den Antrag zurückzunehmen. Es muss ihr daher auch möglich sein, für diese Verfahrenshandlung einen Bevollmächtigten zu bestellen, der dann für sie handeln kann. Auch wenn nach den bürgerlich-rechtlichen Rechtsvorschriften die Klägerin mit 16 Jahren nur beschränkt geschäftsfähig ist und zivilrechtliche Verträge grundsätzlich nur mit Genehmigung ihrer Eltern schließen kann, ist für den Fall, dass in einem Rechtsbereich eine unbeschränkte Geschäftsfähigkeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres besteht, im Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch für die mit diesem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtshandlungen volle Geschäftsfähigkeit anzunehmen (§§ 112, 113 BGB). Dieser Rechtsgedanke muss analog bei der Herabsetzung des Alters für die Handlungsfähigkeit im Ausländerrecht gelten. Im Übrigen ist die von der Klägerin erteilte Vollmacht spätestens mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres der Klägerin wirksam geworden, weil die Klägerin diese Vollmacht nicht widerrufen hat. [...]