VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Beschluss vom 02.01.2009 - 4 K 2208/08 - asyl.net: M15286
https://www.asyl.net/rsdb/M15286
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Schutz von Ehe und Familie, Ehegatte, Familienzusammenführung im Ausland, Zumutbarkeit, Privatleben, Integration
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114; AufenthG § 25 Abs. 5; GG Art. 6; EMRK Art. 8
Auszüge:

[...]

Dem Kläger war unter Abänderung des Beschlusses vom 04.12.2008 Prozesskostenhhilfe zu bewilligen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.

Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hatte und die Klage damit möglicherweise zulässig und begründet war.

Die Ausreise des Klägers ist gegebenenfalls über Art. 6 GG und Art 8 EMRK unmöglich, da den Eheleuten das Führen der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Türkei möglicherweise nicht zugemutet werden kann. Verfügt der ausländische Ehegatte über ein langfristiges oder unbefristetes Aufenthaltsrecht und ist er in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert, so ist die Ausreise in der Regel unzumutbar (in diese Richtung OVG Bremen, Urteil vom 25. Mai 2004 - 1 A 303/03 - juris, Rn. 79 f. - InfAuslR 2004, 328).

Die Ehefrau und Klägerin des Verfahrens 4 K 2113/08 verfügt zwar nicht über ein langfristiges Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik. Sie ist lediglich im Besitz eines Aufenthaltsrechts nach § 25 Abs. 5 AufenthG. [...]

Jedoch ist die Ehefrau des Klägers möglicherweise derart in die hiesigen Verhältnisse integriert, dass ihr eine Ausreise und das Führen der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Türkei nicht zugemutet werden kann. Denkbar erscheint insoweit ein rechtliches Ausreisehindernis aus denn Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 Abs. 1 EMRK. Dies setzt jedenfalls voraus, dass ein Ausländer aufgrund des Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung vom Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden ist, dass er quasi mit einem deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen ist, während ihn mit dem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band der Staatsangehörigkeit verbindet. Die Ehefrau des Klägers reiste bereits im Alter von 10 Jahren erstmals in das Bundesgebiet ein. Ihr wurde am 10.08.1998 eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung erteilt, und sie lebte in der Folgezeit überwiegend im Bundesgebiet. Zuletzt lebte sie in den Jahren 2000/2001 für etwa ein Jahr in der Türkei. Da sie nicht mit dem erforderlichen Visum wieder in das Bundesgebiet einreiste, erhielt sie anschließend nur noch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Sie besuchte hier die Schule mit der Aussicht auf einen guten bis sehr guten Schulabschluss. Auch hat sie Ihren Lebensunterhalt in der Bundesrepublik durch eigene Erwerbstätigkeit bereits über mehrere Monate selber gesichert. Es erscheint demnach zumindest möglich, dass ihr im Hinblick auf Art. 8 EMRK eine Ausreise in die Türkei nicht zugemutet werden kann.

Kann dem ausländischen Ehegatten die Ausreise nicht zugemutet werden, so folgt aus Art. 6 GG auch ein Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG für den an sich ausreisepflichtigen Ehegatten. Da die Beklagte sodann nach Ermessen über das Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der Erfüllung der Passpflicht, der Sicherung des Lebensunterhaltes sowie der Einreise mit dem erforderlichen Visum (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 4, Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 AufenthG) entscheiden müsste und Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null nicht bestehen, hatte die auf reine Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg. [...]