VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Gerichtsbescheid vom 16.03.2009 - 5 K 324/09.F.A (3) - asyl.net: M15818
https://www.asyl.net/rsdb/M15818
Leitsatz:

Unterlässt das Bundesamt die Prüfung des zwingenden Widerrufs innerhalb der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2 a AsylVfG bzw. in Altfällen innerhalb der Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG, ist ein späterer Widerruf nur auf dem Ermessenswege möglich.

 

Schlagwörter: Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Ermessen, Altfälle, Fristen
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 2a; AsylVfG § 73 Abs. 7
Auszüge:

Unterlässt das Bundesamt die Prüfung des zwingenden Widerrufs innerhalb der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2 a AsylVfG bzw. in Altfällen innerhalb der Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG, ist ein späterer Widerruf nur auf dem Ermessenswege möglich.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Februar 2009 ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) liegen nicht vor. [...]

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2009 ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte kein Ermessen ausgeübt hat und der Bescheid deshalb ermessensfehlerhaft ist.

Gemäß § 73 Abs. 2 a AsylVfG hat die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Absatz 1 vorliegen, spätestens nach Ablauf von 3 Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Ist nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt, steht eines spätere Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 im Ermessen (§ 73 Abs. 2a S.4 AsylVfG).

Für Verfahren, die mit einer Flüchtlingsanerkennung oder einer Asylanerkennung abgeschlossen wurden, die vor dem 1. Januar 2005 bestandskräftig wurde, hat die Prüfung nach § 73 Absatz 2a S.1 AsylVfG gemäß § 73 Abs.7 AsylVfG bis spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen. Die Regelung des § 73 Abs. 2a S. 1 AsylVfG ist deshalb auch auf sogenannte Altfälle anwendbar, Prüfungen, die das Bundesamt nach der alten Rechtslage durchgeführt hat, reichen nicht aus (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. November 2008, 10 C 53/07).

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12. Juni 2007 (10 C 24/07) es offen gelassen, welche Konsequenzen die pflichtwidrige Unterlassung der Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme vorliegen, hat. Nach Auffassung des Gerichtes führt die pflichtwidrige Unterlassung der Prüfung innerhalb angeordneten Frist des § 73 Abs. 7 AsylVfG dazu, dass Widerruf oder Rücknahme nur noch als Ermessensentscheidung im Sinne des § 73 Abs. 2a S. 4 AsylVfG ergehen können.

Im Unterschied zu der früheren Rechtslage dient die Frist nach § 73 Abs. 2a S. 1 AsylVfG nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch den Interessen des Flüchtlings. § 73 Abs.2a AsylVfG stellt eine bereichsspezifische Regelung für den Widerruf und die Rücknahme von Asyl und Flüchtlingsanerkennungen dar, die die allgemeine Widerrufsfrist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz verdrängt. Der zwingende Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung kann nach jetziger Rechtslage vom Bundesamt nicht mehr - wie bisher - zeitlich unbegrenzt, sondern nur noch in einem Zeitraum von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung zuzüglich eines angemessenen Prüfungsraums ausgesprochen werden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Juni 2007, 10 C 24/07). Die Verpflichtung, die Prüfung spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung durchzuführen, dient deshalb auch den Interessen des Flüchtlings, weil er als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.1 oder Abs. 2 gemäß § 26 Abs. 3 AufenthG nach drei Jahren einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis hat, wenn das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 2a AsylVfG mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme nicht vorliegen. Für Altfälle, wie den vorliegenden, deren Anerkennung lange vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 bestandskräftig wurde, hat der Gesetzgeber eine besondere Regelung getroffen. Gemäß § 73 Abs. 7 AsylVfG hat die Prüfung bis spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen. Diese Regelung ist wegen ihres Ausnahmecharakters nur so zu verstehen, dass die Prüfung auch bis zum 31. Dezember 2008 abgeschlossen sein muss und die Mitteilung an die Ausländerbehörde ergangen sein muss. Inhabern einer Aufenthaltsbefugnis, wie sie Flüchtlinge nach § 70 Abs. 1 AsylVfG alter Fassung besaßen, werden gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG die Zeiten der Besitz der Befugnis zwar auf die Sieben-Jahres-Frist des § 26 Abs. 4 AufenthG angerechnet, nicht aber auf die Drei-Jahres-Frist des § 26 Abs.3 AufenthG. Für den Flüchtling ist aber für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis nicht der Beginn der Prüfung maßgeblich, sondern ausschließlich das Ergebnis in der Gestalt der Mitteilung an die Ausländerbehörde. Bei einer für den Flüchtling negativen Entscheidung in Gestalt Widerrufsbescheides kann das Ergebnis kein anderes sein. Zudem haben die Betroffenen auch einen Anspruch auf Rechtssicherheit. Auch darin unterscheidet sich die jetzige Rechtslage von der früheren Rechtslage. Nach der früheren Rechtslage mussten anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge zeitlich unbegrenzt mit einer gebundenen Entscheidung über Widerruf und Rücknahme rechnen. [...]