VG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 03.02.2010 - 5 L 314/09.A - asyl.net: M16607
https://www.asyl.net/rsdb/M16607
Leitsatz:

Das BAMF hätte die Rechtsprechung des BVerfG berücksichtigen müssen, aus welcher sich ergibt, dass nicht nur Dublin-Rückführungen aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG, sondern auch Zurückschiebungen nach § 57 AufenthG i.V.m. § 18 Abs. 2 und Abs. 3 AsylVfG auszusetzen sind.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, einstweilige Anordnung, Griechenland, Folgenbeseitigungsanspruch, Selbsteintritt
Normen: VwGO § 52 Nr. 2 S. 3, VwGO § 123 Abs. 1, VO Nr. 343/2003 Art. 3 Abs. 2, VO Nr. 343/2003 Art. 19 Abs. 1, VO Nr. 343/2003 Art. 20 Abs. 1 Bst. e, AufenthG § 57, AsylVfG § 18 Abs. 2, AsylVfG § 18 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, ob die Antragsgegnerin ihm die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland ermöglicht, indem sie zu seinen Gunsten von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht, das ihr Art. 3 Abs. 2 der "Verordnung (EG) 343/2003 vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung, des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist", einräumt (nachfolgend als "Dublin II-VO" abgekürzt). Denn er hat in Deutschland einen Asylantrag gestellt und die Antragsgegnerin hat dennoch kein Asylverfahren durchgeführt. Der Antragsteller ist vielmehr nach § 57 AufenthG i.V.m. § 18. Abs. 2 und Abs. 3 AsylVfG nach Griechenland zurückgeschoben worden.

Diese Zurückschiebung stand nicht im Einklang mit dem geltenden Recht. Denn sie verstieß gegen Art. 19 Abs. 1 bzw. Art. 20 Abs. 1 Buchst e) Dublin II-VO. Danach ist (vor einer Rückführung) eine Entscheidung zu treffen, wonach der Asylantrag nicht zu prüfen und der Antragsteller an den zuständigen Mitgliedsstaat zu überstellen ist (Art. 19 Abs. 1 VO). Diese Entscheidung ist zu begründen (Art. 19 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO) und dem Antragsteller mitzuteilen (Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO). Im Fall der Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat gemäß Art. 20 Dublin II-VO ist dem Asylbewerber durch den ersuchenden Mitgliedstaat die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine Wiederaufnahme mitzuteilen. Auch diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben und gegebenenfalls der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Die Antragsgegnerin hat eingeräumt, dass eine solche Entscheidung nicht erfolgt ist (vgl. die entsprechende Angabe auf Seite 2 des Schreibens der Antragsgegnerin vom 09. Dezember 2009, Blatt 58 der Gerichtsakte). Aufgrund dieser Unterlassung des Antragsgegners erfolgte die Rückführung des Antragstellers nach Griechenland bereits in formeller Hinsicht zu Unrecht. [...]