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Zitieren als:
, Urteil vom 24.02.2010 - 1 Ss 213/09 [= ASYLMAGAZIN 2010, S. 219 f.] - asyl.net: M17011
https://www.asyl.net/rsdb/M17011
Leitsatz:

Zur Strafbarkeit der Angabe falscher Personalien bei Duldungen nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor und nach der Gesetzesänderung vom 27.8.2007 (Erschleichen von Duldungen).

Schlagwörter: Ausländerstrafrecht, Erschleichen von Duldungen, Duldung, Verschaffen von falschen amtlichen aufenthaltsrechtlichen Papieren, Strafbefehl, Meistbegünstigungsprinzip, Strafbarkeit
Normen: StGB § 276 Abs. 1, StGB § 276a, AufenthG § 95 Abs. 2 Nr. 2, StGB § 2 Abs. 3
Auszüge:

[...]

1. Strafbarkeit nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG

Es trifft zwar zu, dass § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in der vorn 1. Januar 2005 bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung nur das Erschleichen eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - wozu die Duldung nicht gehört - unter Strafe stellte.

Nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung macht sich aber auch strafbar, "wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich ... einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen, oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht."

Da sich das Gesetz seitdem nicht mehr geändert hat, gilt für nach dem 27. August 2007 begangene Taten § 2 Abs. 1 StGB. Das "Meistbegünstigungsprinzip" im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB kommt entgegen der Auffassung der Berufungsgerichts insoweit nicht zum Tragen.

Der Angeklagte könnte sich somit am 10. Oktober 2007, 3. Januar 2008 und 29. Januar 2008 nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht haben.

2. Strafbarkeit wegen Urkundendelikten (§§ 271, 276, 276a StGB)

Sowohl § 271 StGB als auch §§ 276, 276a StGB in der hier eventuell in Frage kommenden Alternative des Sichverschaffens einer echten, aber inhaltlich falschen Duldungsbescheinigung setzen voraus, dass die in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen falschen Angaben öffentlichen Glauben genießen.

Dies ist mit Blick auf falsche Personalangaben jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Duldungsbescheinigung den in § 78 Abs. 6 Nr. 10, Abs. 7 AufenthG vorgesehenen Hinweis enthält, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen (BGH v. 02.09.2009 - 5 StR 266/09 - juris). Somit scheidet eine Strafbarkeit nach §§ 271 Abs. 1, 276, 276a StGB bzw. § 271 Abs. 2 StGB für Taten ab dem 12. Mai 2006 aus. Auf die Frage einer Gesetzeskonkurrenz (siehe BGH a.a.O.) zu § .95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bei den letzten drei Taten vom 10. Oktober 2007, 3. Januar 2008 und 29. Januar 2008 kommt es somit nicht an. [...]