VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 12.05.2010 - 13 A 610/10 - asyl.net: M17040
https://www.asyl.net/rsdb/M17040
Leitsatz:

Zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach den AVwV.

Schlagwörter: Sperrwirkung, Ausweisung, nachträgliche Befristung, Ermessen, Allgemeine Verwaltungsvorschriften
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Diese Wirkungen werden jedoch nach Satz 3 der Vorschrift auf Antrag in der Regel befristet. Die Frist beginnt mit der Ausreise.

Da die Zeitdauer der Befristung im Ermessen der Beklagten steht und eine Ermessensreduzierung "auf Null" auf den 20.07.2010 nach allen hier zu berücksichtigen Umständen nicht vorliegt, ist die Klage mit dem Hauptantrag schon allein deshalb abzuweisen.

Aber auch der Hilfsantrag, mit dem eine Neubescheidung begehrt wird, muss erfolglos bleiben. Die Ermessensentscheidung der Beklagten, die vom Gericht nur eingeschränkt auf Rechtsfehler hin überprüft werden kann (§ 114 VwGO), ist nicht zu beanstanden.

Zwar liegt kein Ausnahmefall iSd. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor, so dass der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung hat. Eine solche Befristung hat die Beklagte aber auch vorgenommen.

Die Dauer der Sperrwirkung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Die Sperrwirkung darf nur solange aufrechterhalten bleiben, wie es der ordnungsrechtliche Ausweisungszweck der Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet erfordert. Die Dauer der Sperrwirkung ist danach zu bemessen, wann der durch die jeweilige Ausweisungsverfügung vorgegebene Ausweisungszweck voraussichtlich erreicht sein wird. Bei dieser Prognose sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und ihrem Gewicht entsprechend unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des behördlichen Ermessens, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sachgerecht abzuwägen (vgl. schon VG Hannover, Urteil vom 12.09.2008 - 1 A 3878/05 -).

Die Beklagte hat sich bei ihrer Entscheidung an den ermessenslenkenden Vorschriften der Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AVwV) orientiert. Dies ist sachgerecht. Da das Gesetz einerseits den Ausländerbehörden einen weiten Ermessensspielraum einräumt, andererseits aber keine Kriterien für diese Entscheidung nennt, ist eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift nicht zu beanstanden, die auf eine möglichst einheitliche und vorhersehbare Handhabung hinwirkt. Auch inhaltlich begegnen die Regelungen in der Verwaltungsvorschrift keine Bedenken. Sie sind sachgerecht und lassen den Ausländerbehörden noch genügend Spielraum für eine auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls abgestellte individuelle Regelung.

Nach Ziff. 11.1.4.6.1 ist die Beklagte in zutreffender Weise von einer regelmäßigen Sperrfrist von 10 Jahren ausgegangen. Eine Herabstufung der Ausweisung selbst bleibt bei der Bemessung der Frist unberücksichtigt.

Die Beklagte hat alle erforderlichen Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls in ihre Entscheidung eingestellt, insbesondere den Umstand der vorzeitigen Haftentlassung, und die 10-Jahres-Frist nach den Verwaltungsvorschriften um ein halbes Jahr gekürzt. Auch dies begegnet keinen Bedenken. Für eine Reduzierung des Ermessens dahingehend, dass die Beklagte die Dauer der Sperrwirkung weiter verringern muss, liegen keine Anhaltspunkte vor. Die frühere Entscheidung vom 03.09.2008, mit der die Frist auf acht Jahre festgesetzt wurde, wurde vom Verwaltungsgericht ersatzlos aufgehoben und entfaltet keine Bindungswirkung mehr. Auch inhaltlich kann sich der Kläger nicht darauf berufen. Grundlage der damaligen Entscheidung waren die vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften, die nunmehr durch die Verwaltungsvorschriften des Bundes ersetzt worden sind. Die Familieneinheit mit Ehefrau und minderjährigen Kindern kann problemlos in der Türkei hergestellt werden. Eine Aufenthaltsberechtigung für die Familienangehörigen steht dem nicht entgegen, diese sind danach zwar berechtigt, nicht jedoch verpflichtet, in der Bundesrepublik zu leben. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, dass der Kläger auch kein legalisiertes Führungszeugnis vorgelegt hat. [...]