VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 22.07.2010 - 12 A 2948/08 - asyl.net: M17620
https://www.asyl.net/rsdb/M17620
Leitsatz:

Der Kläger hat die Kosten der geplanten Abschiebung (Stornokosten, Passersatzpapierbeschaffungskosten) für sich und seine Kinder der Ausländerbehörde zu erstatten. Zwar war die Abschiebung der geschiedenen Ehefrau und damit auch der beim Kläger lebenden gemeinsamen Kinder und des Klägers unzulässig, nachdem sie einen Asylfolgeantrag gestellt hatte (§ 71 Abs. 5 S. 2 AsylVfG). Der Kläger durfte jedoch nicht darauf vertrauen, dass das Bundesamt die Ausländerbehörde sofort über die Stellung des Folgeantrags durch seine geschiedene Ehefrau in Kenntnis setzt, sondern hätte selbst die Ausländerbehörde darüber informieren müssen (§ 82 Abs. 1 S. 1 AufenthG). Eine Benachrichtigung durch das BAMF ist zwar sinnvoll und üblich, aber im Unterschied zu anderen Benachrichtigungspflichten etwa gemäß § 24 Abs. 3 AsylVfG gesetzlich nicht vorgesehen.

Schlagwörter: Abschiebungskosten, Abschiebung, Schutz von Ehe und Familie, Mitwirkungspflicht
Normen: AufenthG § 66 Abs. 1, VwKostG § 13 Abs. 1 Nr. 1, VwKostG § 14 Abs. 2 S. 1, AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2, GG Art. 6, AufenthG § 82 Abs. 1 S. 1, AsylVfG § 24 Abs. 3
Auszüge:

Unterlässt es ein Ausländer entgegen § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, die Ausländerbehörde rechtzeitig von Tatsachen in Kenntnis zu setzen, die zur Rechtswidrigkeit oder Unmöglichkeit einer Abschiebung führen, muss er die Kosten des Abschiebungsversuchs tragen.

§ 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG findet in diesen Fällen keine Anwendung.

(Amtlicher Leitsatz)

[...]

Der Bescheid vom 05.05.2008 ist in der Gestalt, die er durch die Änderungsbescheide vom 26.06.2008 und vom 24.06.2010 gefunden hat, rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Kostenforderung der Beklagten ist § 66 Abs. 1 AufenthG. Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat danach der Ausländer zu tragen. Dabei ist unter Abschiebung im Rechtssinne auch ein Abschiebungsversuch zu verstehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.03.2010 - 8 PA 28/10, juris, m.w.N.). Dass es aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände nicht zur Abschiebung kommt, ändert nämlich nichts daran, dass der Ausländer die bereits erfolgten Abschiebungsmaßnahmen und die dadurch entstandenen Kosten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG veranlasst und deshalb zu tragen hat.

Der Abschiebungsversuch stellt auch keine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG dar, deren Kosten nach der vorgenannten Vorschrift nicht erhoben werden. Zwar war die Abschiebung der geschiedenen Ehefrau des Klägers nach Stellung des Asylfolgeantrags am 23.08.2005 gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG unzulässig. Aufgrund der staatlichen Schutzpflicht für die Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 GG führte dies zugleich zur Unzulässigkeit einer isolierten Abschiebung der gemeinsamen Kinder und des in häuslicher Gemeinschaft lebenden Klägers und Kindsvaters. Von dem Asylfolgeantrag hatte die Landeshauptstadt jedoch weder Kenntnis, noch hätte sie davon Kenntnis haben müssen. Vielmehr oblag es gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dem Kläger, die vorgenannten Umstände unverzüglich gegenüber der Landeshauptstadt geltend zu machen (vgl. insofern Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 66, Rn. 5 <Stand: Oktober 2006>; VGH Mannheim, Urt. v. 28.03.2006 - 13 S 347/06, juris). Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Bevollmächtigten des Klägers die geplante Abschiebung seit dem 15.09.2005 (Ehefrau und Kinder) bzw. 16.09.2005 (Kläger) bekannt gewesen war. Es wäre dem Kläger deshalb ein Leichtes gewesen, die Landeshauptstadt über den am 19.09.2005 verfassten und am 23.09.2005 beim Bundesamt eingegangenen Asylfolgeantrag in Kenntnis zu setzen. Der Kläger durfte demgegenüber nicht darauf vertrauen, dass das Bundesamt selbst die Landeshauptstadt sofort in Kenntnis setzen würde. Eine solche Benachrichtigung ist zwar sinnvoll und üblich, aber im Unterschied zu anderen Benachrichtigungspflichten etwa gemäß § 24 Abs. 3 AsylVfG gesetzlich nicht vorgesehen. Der Zeitraum von nur sechs Tagen einschließlich eines Wochenendes, der dem Bundesamt zur Information der Landeshauptstadt zur Verfügung stand, erscheint überdies zu kurz, um den Kläger von den Risiken seines Unterlassens zu entlasten. Aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG folgt daher, dass die Landeshauptstadt pflichtgemäß gehandelt hat, so dass die Kosten des fehlgeschlagenen Abschiebungsversuchs als Folgen einer richtigen Sachbehandlung erstattungsfähig sind. [...]