VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.2011 - 4 K 551/09 - asyl.net: M18532
https://www.asyl.net/rsdb/M18532
Leitsatz:

Abschiebungsverbot für Straftäter (Drogen- und Gewaltkriminalität) wegen Gefahr der Doppelbestrafung sowie Folter und unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK im Iran.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Iran, Doppelverfolgung, Folter, unmenschliche Behandlung, Strafverfahren, Inhaftierung, Drogendelikt, Ausweisung, Bindungswirkung, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Wahrscheinlichkeitsmaßstab, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Zumutbarkeit, Wiederholungsgefahr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 2, AufenthG § 60 Abs. 5, EMRK Art. 3, AufenthG § 72 Abs. 2
Auszüge:

[...]

3. Die in der angefochtenen Verfügung in Nr. 3 und Nr. 4 ausgesprochene Abschiebungsandrohung ist allerdings insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, als ihm die Abschiebung auch in den Iran angedroht worden ist.

Denn für den Kläger besteht, bezogen auf den Iran, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Dem gegenüber kann der Beklagte nicht erfolgreich einwenden, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe das Vorliegen von Abschiebungsverboten verneint. Eine Entscheidung des Bundesamts i.S.d. § 42 AsylVfG über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG ist nicht ergangen. Vielmehr hat das Bundesamt mit Schreiben vom 19.03.2010 lediglich im Rahmen der Beteiligung gem. § 72 Abs. 2 AufenthG eine - die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG nicht auslösende - Stellungnahme abgegeben.

Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (§ 60 Abs. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).

Der Kläger hat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle seiner Rückkehr in den Iran Folter oder sonstige unmenschliche Behandlung zu gewärtigen. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist bei der Frage, ob Abschiebungsverbote u.a. nach § 60 Abs. 2, Abs. 5 AufenthG vorliegen, entsprechend der in Asylverfahren ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrundezulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11.09 -, juris). Die Regelung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG findet hier keine Anwendung. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11.09 -, juris). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Fallgestaltung im Sinne einer "Vorverfolgung" gegeben wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger ist nach dem Verzicht auf seine Asylanerkennung im Jahre 2000 vielmehr unbehelligt in den Iran ein- und wieder ausgereist.

Eine konkrete Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 2 bzw. Abs. 5 AufenthG liegt daher dann vor, wenn dem Betroffenen bei verständiger, nämlich objektiver, Würdigung der gesamten Umstände seines Falles Folter oder sonstige unmenschliche Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des betroffenen Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis hat deshalb nicht zwingend zur Voraussetzung, dass aufgrund einer "quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise eine mehr als 50-prozentige Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden "zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts" die für die Verletzung des Schutzguts sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (BVerwG, Urt. vom 23.07.1991 - BVerwG 9 C 154.90 - DVBl. 1991, 1089; Urt. v. 23.02.1988 - BVerwG 9 C 32.87 - DVBl 1988, 653; Urt. v. 15.03.1988 - BVerwG 9 C 278.86 - BVerwGE 79, 143 150, 151>). Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Die bloße theoretische Möglichkeit einer Verletzung des Schutzguts reicht demzufolge nicht aus (vgl. Urt. v. 30.10.1990 - BVerwG 9 C 60.89 - NVwZ 1991, 377). Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" von Folter, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 -, NVwZ 1992, 582)

Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse wird der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen haben, nach seiner Abschiebung in den Iran misshandelt oder gefoltert zu werden. Das Gericht ist zur Überzeugung gelangt, dass die iranischen Sicherheitsbehörden den Kläger bei seiner Einreise einer Befragung über seinen Auslandsaufenthalt unterziehen und hierbei aller Voraussicht nach die Vorstrafen des Klägers aufgedeckt werden. Weiterhin ist es davon überzeugt, dass eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger deswegen erneut von den iranischen Strafverfolgungsbehörden belangt wird und ihm im Rahmen eines solchen Strafverfahrens unmenschliche Behandlung oder gar Folter droht. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Das iranische Recht kennt ein Verbot der Doppelbestrafung nicht. Vielmehr ist es zulässig, einen Iraner, der im Ausland eine auch im Iran strafbare Handlung begangen hat und dort verurteilt wurde, nach Rückkehr einem erneuten Strafverfahren zu unterziehen. Nach Art. 7 des iranischen Strafgesetzbuches wird jeder Iraner, der sich im Ausland strafbar gemacht hat und im Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden Gesetzen der Islamischen Republik Iran bestraft (Lageberichte des AA, Iran vom 27.02.2011, S. 29 f., vom 28.07.2010, S. 24 und vom 19.11.2009, S. 25; Auskunft des AA v. 19.03.2007 an VG Münster). Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. Eine eventuell im Ausland verbüßte Strafe soll nach Aussagen von Vertretern der Justiz bei der Strafzumessung im inländischen Verfahren Anrechnung finden. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Doppelbestrafung zu, wenn der Inhaftierte von der iranischen Botschaft oder einem iranischen Generalkonsulat in Deutschland betreut wurde und die iranischen Behörden in diesem Zusammenhang von der Straftat Kenntnis erlangt haben, oder wenn den iranischen Behörden im Zusammenhang mit der Rückführung entweder direkt mitgeteilt oder durch die Umstände der Rückführung nahe gelegt wird, dass es sich bei der Person um einen Straftäter handelt. Wenn die iranischen Behörden von dem Delikt Kenntnis erhalten, ist eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der erneuten Verfolgung nach bisheriger Erfahrung bei Fällen gegeben, die aus iranischer Sicht von besonderer Bedeutung sind. Dies wird vom Auswärtigen Amt z.B. dann angenommen, wenn ein iranischer Staatsangehöriger Opfer einer Straftat geworden ist und er selbst oder seine Familie diese im Iran zur Anzeige bringt, wenn die Tat selbst oder jedenfalls ein Teil derselben im Iran begangen wurde oder wenn Strafverfahren in der deutschen Öffentlichkeit besonderes Aufsehen erregt und daher aus iranischer Sicht das Bild Irans im Ausland beschädigt haben (Lageberichte des AA, Iran vom 27.02.2011, S. 29 f., vom 28.07.2010, S. 24 und vom 19.11.2009, S. 25).

Der mehrfach wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und schweren Körperverletzungsdelikten rechtskräftig verurteilte Kläger ist bei einer Rückkehr - zumindest bei der in seinem Fall anstehenden zwangsweisen Rückführung in Begleitung zweier Polizisten - im Iran einer erhöhten Gefährdungslage ausgesetzt.

Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger bei seiner Rückführung in den Iran einer Einreisekontrolle unterzogen wird. Dem in der Ausländerakte enthaltenen Schriftverkehr mit der Bundespolizeiinspektion hinsichtlich der am 12.10.2010 geplanten Abschiebung lässt sich entnehmen, dass diese wegen der Neigung des Klägers zu Gewalttaten in Begleitung von zwei Bundespolizisten erfolgen sollte. Die Beklagtenvertreterin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass diese Modalitäten wegen der besonderen Gefährlichkeit des Klägers auch weiterhin beibehalten werden sollen. Die Abschiebung des Klägers unter Bewachung sowie der Umstand, dass dessen Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wurde, wird den iranischen Sicherheitsbehörden im Rahmen der Einreisekontrolle nicht verborgen bleiben. Daher bestehen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die iranischen Sicherheitsbehörden diese Umstände zum Anlass nehmen, den Kläger einer eingehenden Befragung über seinen Aufenthalt in Deutschland zu unterziehen.

Davon, dass es in Einzelfällen zu solchen Befragungen kommt, die auch mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen kann, geht auch das Auswärtigen Amt in seinen Lageberichten aus (Lageberichte vom 27.02.2011, S. 42 f., vom 28.07.2010, S. 36 f. und vom 19.11.2009, S. 38). Die Kammer ist weiterhin davon überzeugt, dass der Kläger bei einer solchen Befragung über seinen Auslandsaufenthalt in Erklärungsnot gerät und daher eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass hierbei sein langjähriger Gefängnisaufenthalt, der Grund für die Verurteilung und seine Vorstrafen aufgedeckt werden.

Nach Überzeugung der Kammer hat der Kläger unter den hier vorliegenden Umständen im Iran auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit erneuter Strafverfolgung zu rechnen und - wie noch unten auszuführen sein wird - damit, dass er im Zuge des Strafverfahrens Folter und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sein wird. Für die Einschätzung des Risikos kommt es in der vorliegenden Fallkonstellation nicht darauf an, ob eine "ausreichende" Anzahl von Referenzfällen vorhanden ist. Vielmehr ist zu fragen, ob bei verständiger, nämlich objektiver, Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles Folter mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass dem Betroffenen nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Bei dem Kläger liegen besondere Umstände vor, die ihn aus dem Personenkreis zurückkehrender Straftäter hervorheben, für den lediglich die bloße theoretische Möglichkeit besteht, mit einem erneuten Strafverfahren sowie Folter und unmenschlicher Behandlung rechnen zu müssen. Bei dem Kläger handelt es sich um einen mehrfach rückfälligen Straftäter, der sich schwerwiegende - und auch nach iranischen Recht strafbare - Drogen- und Gewaltdelikte zu Schulden kommen ließ und bei dem im kriminalprognostischen Gutachten nicht die Einschätzung getroffen werden konnte, dass von ihm keine Wiederholungsgefahr mehr ausgeht. Angesichts der vom Regierungspräsidium angenommenen Gefährlichkeit des Klägers soll dessen Rückführung unter Bewachung erfolgen. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände hält es die Kammer für beachtlich wahrscheinlich, dass die iranischen Behörden dem Fall des Klägers - auch wenn dieser nicht in den vom Auswärtigen Amt genannten Beispielen aufgezählt ist - besondere Bedeutung zumessen und den Kläger erneut einem Strafverfahren unterziehen. Ein Vertrauen darauf, dass die iranischen Sicherheitsbehörden eine weitere Strafverfolgung nicht in Betracht ziehen oder sich im Rahmen eines Strafverfahrens rechtsstaatlich verhalten - insbesondere keine Foltermethoden anwenden - werden, ist dem Betroffenen in einem solchen Fall nicht zumutbar. Dies gilt um so mehr, als im neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amts (Seite 6 f.) herausgestellt wird, dass der iranische Staat willkürlich vorgeht. Insbesondere wird ausgeführt, dass das Vorgehen des Justiz- und Sicherheitsapparates großteils von reiner Willkür geprägt gewesen sei. Zunehmende Parallelstrukturen, insbesondere in der iranischen Judikative und Exekutive, führten zu einer immer stärkeren Intransparenz, die Nachforschungen zu der Verletzung von Menschenrechten in Einzelfällen oder Ermittlungen von Gefangenen- und Hinrichtungszahlen stark erschwerten oder unmöglich machten.

Der Einschätzung, der Kläger müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit weiterer Strafverfolgung rechnen, steht auch nicht entgegen, dass dem Auswärtigen Amt keine Fälle von Doppelbestrafung bekannt geworden sind (Lageberichte vom 27.02.2011, S. 29 f., vom 28.07.2010, S. 24 und vom 19.11.2009, S. 25). In dem vorangegangenen Lagebericht vom 19.11.2009 (S.25) wurde dies noch darauf zurückgeführt, dass möglicherweise die Tatsache beigetragen habe, dass Informationen über Straftaten von deutschen Gerichten und Behörden nicht an iranische Gerichte oder Behörden weitergeleitet würden. Diese Erklärung fehlt nunmehr im neuesten Lagebericht. Daher liegt die Annahme nahe, dass es eine hinlängliche Anzahl von Referenzfällen, auf die abgestellt werden könnte, nicht gibt. Dies wird auch durch die weiteren Ausführungen im aktuellen Lagebericht bestätigt, wo es auf Seite 43 heißt: "Deutschland, die Niederlande, Österreich, Kanada, Großbritannien, Schweden, Norwegen, Dänemark, die Schweiz, Frankreich und Belgien nehmen Rückführungen nach Iran in sehr eingeschränktem Umfang vor. Die letzte Rückführung aus Deutschland fand im Mai 2010 statt." Letztlich hält es auch das Auswärtige Amt nicht prinzipiell für ausgeschlossen, dass es zu Fällen von Doppelbestrafungen kommt (Lageberichte vom 27.02.2011, S. 29 f., vom 28.07.2010, S. 24 und vom 19.11.2009, S. 25). Aus diesen Gründen vermag die Kammer auch nicht der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seiner Stellungnahme vom 19.03.2010 getroffenen Einschätzung zum (Nicht)Bestehen von Abschiebungsverboten zu folgen.

Allein eine drohende Doppelbestrafung stellt zwar keine unmenschliche Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG bzw. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK dar (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30.3.1993 - 11 S 529/93 -, InfAuslR 1994, 27; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 27.11.1997, InfAuslR 1998, 199). Allerdings bestehen - insbesondere mit Blick darauf, dass der iranischen Exekutive und Judikative vom Auswärtigen Amt willkürliches Vorgehen konstatiert wird - hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein vernünftig denkender Mensch in der konkreten Situation des Klägers damit rechnen muss, im Rahmen eines Strafverfahrens gravierenden Eingriffen, insbesondere in die körperliche Unversehrtheit, durch Folter und unmenschliche Behandlung ausgesetzt zu sein. Denn hierbei handelt es sich um Methoden, welche im Iran bei der Strafverfolgung angewendet werden, auch wenn Folter nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten ist. Das Auswärtige Amt berichtet, dass es im Iran zur Anwendung von Folter oder unmenschlicher Behandlung kommt, um Geständnisse im Vorfeld des eigentlichen strafrechtlichen Verfahrens zu erzwingen (Lagebericht vom 19.11.2009, S. 33): Verhörmethoden und Haftbedingungen umfassen in diesen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung (Schläge, Schläge mit Kabeln auf Rücken und Fußsohlen, Vergewaltigung, Verbrennungen mit Zigaretten, Verharrenlassen in unnatürlichen Haltungen, Zusammenpferchen auf kleinem Raum, Geräuschterror, Todesdrohungen, Beleidigungen sowie Fehlen von notwendiger Hygiene und mangelhafte Ernährung). Besonders betroffen sind politische Häftlinge, aber auch sonstige Häftlinge werden z.B. geschlagen, um Geständnisse zu erpressen (Lageberichte des AA vom 27.02.2011, S. 36 f., vom 28.07.2010, S. 31 und vom 19.11.2009, S. 33). [...]