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Zitieren als:
BSG, Beschluss vom 15.12.2011 - B 10 EG 15/10 R - asyl.net: M19353
https://www.asyl.net/rsdb/M19353
Leitsatz:

Vorlage beim BVerfG: Ist § 1 Abs. 7 Nr. 2 Bst. d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, als danach Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG erteilt ist, keinen Anspruch auf Elterngeld haben?

Schlagwörter: Elterngeld, Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitssatz, Altfallregelung, Aufenthaltserlaubnis auf Probe, Daueraufenthaltsprognose
Normen: GG Art. 100 Abs. 1, GG Art. 3 Abs. 1, BEEG § 1 Abs. 7 S. 2, AufenthG § 104a, AufenthG § 23 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der vorlegende Senat hat in mehreren Beschlüssen nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG die Regelung des § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Nr. 3 Buchst. b BEEG sowie deren weitgehend übereinstimmende Vorläufervorschrift in § 1 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Nr. 3 Buchst. b BErzGG 2006 zur verfassungsgerichtlichen Entscheidung vorgelegt (zur letztgenannten Vorschrift Beschlüsse vom 3.12.2009 - B 10 EG 5 bis 7/08 R - beim BVerfG anhängig unter 1 BvL 2 bis 4/10, zur erstgenannten Vorschrift Beschluss vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - beim BVerfG anhängig unter 1 BvL 3/11). Im Rahmen dieser Vorlagebeschlüsse hat der Senat - auf der Grundlage der Entscheidungen des BVerfG vom 6.7.2004 (- 1 BvR 2515/95 - BVerfGE 111, 176 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4 zum BErzg sowie - 1 BvL 4 bis 6/97 - BVerfGE 111, 160 = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 zum Kindergeld) - den vom Gesetzgeber des BErzGG und des BEEG verfolgten und verfassungsrechtlich unbedenklichen Grundsatz herausgestellt, dass BErzg und Elterngeld nur denjenigen nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern und Ausländerinnen zukommen sollen, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden und hier einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen (s. nur BSG Beschluss vom 30.9.2010, a.a.O., RdNr 81, 84). § 1 Abs. 7 BEEG verdeutlicht dieses gesetzgeberische Ziel in seiner Nr. 1 und 2 dadurch, dass - jedenfalls grundsätzlich - nur diejenigen nicht freizügigkeitsberechtigten ausländischen Personen einen Anspruch auf Elterngeld haben sollen, die eine Niederlassungserlaubnis, also einen nach dem AufenthG unbefristet erteilten und immer auch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitel, besitzen (vgl. § 9 AufenthG) oder aber stattdessen Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis sind, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat.

Der Besitz bestimmter Arten von Aufenthaltserlaubnissen wurde allerdings von Anfang an mittels der Ausnahmeregelung im 2. Halbsatz ("es sei denn") des § 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG als nicht ausreichend für den Anspruchserwerb bezeichnet. Dabei handelt es sich um Aufenthaltserlaubnisse nach §§ 16. 17 AufenthG zum Zweck eines Studiums oder zum Zweck betrieblicher Aus- und Weiterbildung (§ 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. a BEEG) und solche nach § 18 Abs. 2 AufenthG zur Ausübung einer auf einen Höchstzeitraum befristeten Beschäftigung (§ 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. b BEEG). Für die weiteren von der Ausschlussregelung erfassten Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG (§ 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c BEEG) hat der Gesetzgeber im Wege einer Rückausnahmebestimmung in § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchst. a und b BEEG unter den dort genannten, für eine günstige Daueraufenthaltsprognose bedeutsamen Voraussetzungen eine Anspruchsberechtigung vorgesehen.

Während der erkennende Senat in den genannten Vorlagebeschlüssen vom 3.12.2009 (a.a.O.) und 30.9.2010 (a.a.O.) die in § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchst. a BEEG normierte Voraussetzung eines mindestens dreijährigen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalts im Bundesgebiet als geeignetes Kriterium für die Beurteilung eines voraussichtlich dauerhaften Aufenthalts in Deutschland angesehen hat (Beschluss vom 30.9.2010, a.a.O., RdNr 91), hat er die in § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchst. b BEEG enthaltenen Voraussetzungen eines bei der Geburt des Kindes bestehenden Arbeitsmarktbezuges des Ausländers ("erwerbstätig ist", "laufende Geldleistungen ... bezieht" oder "Elternzeit in Anspruch nimmt") als nicht geeignete Kriterien beurteilt, Personen mit einer günstigen Aufenthaltsprognose von solchen mit einer ungünstigen sachgerecht abzugrenzen (Beschluss vom 30.9.2010, a.a.O., RdNr 92 ff).

Anders als Personen mit einer der in § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c BEEG aufgezählten Aufenthaltserlaubnisse hat der Gesetzgeber - zeitgleich mit der Schaffung des § 104a AufenthG - in § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. d BEEG Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG ausnahmslos vom Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen. Angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift sieht der Senat keine Möglichkeit, sie dahin verfassungskonform auszulegen, dass die Klägerin als anspruchsberechtigt angesehen werden könnte. Vielmehr hält der Senat den Ausschluss der Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG vom Anspruch auf Elterngeld für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein Gestaltungsspielraum zu. Für den Gesetzgeber ergeben sich jedoch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/95 - BVerfGE 111, 176, 184 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4 RdNr 26 zur Verfassungswidrigkeit der früheren Ausgrenzung von Ausländern mit einer Aufenthaltsbefugnis nach dem AuslG im Erziehungsgeldrecht, ebenso BVerfG Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvL 4 bis 6/97 - BVerfGE 111, 160, 169 = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 RdNr 42 f. zur Verfassungswidrigkeit einer entsprechend formulierten früheren Ausschlussregel im Kindergeldrecht). Der hierbei zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) enthält keine Beschränkung auf Deutsche (vgl. BVerfG Beschluss vom 4.5.1971 - 1 BvR 636/68 - BVerfGE 31, 58, 67; BVerfG Beschluss vom 30.11.1982 - 1 BvR 818/81 - BVerfGE 62, 323, 329 = SozR 2200 § 1264 Nr. 6 S. 15). Ob eine gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 111, 160, 170 = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 RdNr 46). Entsprechendes gilt bei einer sachwidrigen Gleichbehandlung. Derartige gewichtige Gründe sind für den ausnahmslosen Ausschluss nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer und Ausländerinnen mit Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a AufenthG vom Anspruch auf Elterngeld nicht ersichtlich.

Aus § 1 Abs. 7 BEEG ist zwar durchaus das Bestreben des Gesetzgebers ablesbar, entsprechend den vom BVerfG vorgegebenen bzw als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichneten Grundsätzen ausländischen Staatsangehörigen nur dann Elterngeld zu gewähren, wenn sie sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten werden und hier einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG diese Kriterien von vornherein nicht erfüllten, ist jedoch schon angesichts der gesetzlichen Ausgestaltung der Voraussetzungen nach § 104a Abs. 1 AufenthG nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Hinzu kommen die durch dessen Abs. 4 verliehene Befugnis zur Ausübung jeglicher Erwerbstätigkeit sowie die nach dessen Abs. 5 und 6 eröffnete Verlängerung als Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Unter Berücksichtigung aller erkennbaren Gesichtspunkte hält es der Senat nicht für plausibel, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG von vornherein keine dem Ausländer oder der Ausländerin günstige Bleibeprognose erlaube (dazu unter a). Jedenfalls ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass den Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG - anders als den Inhabern der in § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c BEEG genannten Aufenthaltserlaubnisse - nicht zumindest im Wege einer Rückausnahme entsprechend dem § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG ein Anspruch auf Elterngeld ermöglicht worden ist (dazu unter b).

a) Indem die Klägerin als Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG ausnahmslos vom Zugang zum Elterngeld ausgeschlossen ist, wird sie mit den in § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. a und b BEEG genannten Personen gleich behandelt, die eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 16, 17 oder 18 Abs. 2 AufenthG (zum Zwecke des Studiums, einer betrieblichen Aus- oder Weiterbildung oder zur Ausübung einer auf einen Höchstzeitraum begrenzten Beschäftigung) besitzen. Gegenüber ausländischen Elternteilen, die eine andere zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigende Aufenthaltserlaubnis (z.B. nach § 22 AufenthG aus humanitären Gründen) erteilt bekommen haben und nach § 1 Abs. 7 BEEG ohne Weiteres anspruchsberechtigt sind, wird die Klägerin ungleich behandelt. Für diese gesetzlichen Regelungen ist ein sachlicher Grund nicht vorhanden.

Der Gesetzgeber darf zwar - wie das BVerfG bereits zum BErzg entschieden hat (Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/05 - BVerfGE 111, 176, 185 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4 RdNr 30) - die Gewährung von Elterngeld davon abhängig machen, dass der zur Betreuung eines Kindes bereite Elternteil an der Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit rechtlich nicht gehindert ist. Ebenso ist es als ein legitimes Ziel anzusehen, wenn der Gesetzgeber das Elterngeld nur denjenigen ausländischen Elternteilen zukommen lassen will, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben (so auch das BVerfG zum BErzg, a.a.O., BVerfGE 111, 176, 185 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4 RdNr 29). Auch wenn der Gesetzgeber diese Ziele bei der Einfügung des Buchst. d in § 1 Abs. 7 Nr. 2 BEEG verfolgt haben mag, hat er damit kein geeignetes Differenzierungskriterium gewählt, indem er ausschließlich an den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG angeknüpft hat (vgl. dazu BR-Drucks 224/07 S. 448 = BT-Drucks 16/5065 S. 234 zu Art. 6 Abs. 8).

Die Absicht, solche ausländischen Elternteile vom Elterngeld auszuschließen, die in Deutschland keiner Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen, konnte durch das Abstellen auf den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG von vornherein nicht verwirklicht werden, weil dieser Aufenthaltstitel bereits kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (vgl. § 104a Abs. 4 Satz 2 AufenthG), Aber auch das Ziel, die Anspruchsberechtigung für Elterngeld auf Elternteile zu beschränken, die voraussichtlich auf Dauer in Deutschland bleiben, lässt sich mit einer Bezugnahme auf den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG allein nicht erreichen.

Jede Aufenthaltserlaubnis ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein befristeter Aufenthaltstitel. § 7 Abs. 2 Satz 1 AufenthG schreibt hierzu besonders vor, dass die Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks (s. § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) "zu befristen ist". Während § 1 Abs. 7 BEEG z.B. bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 22 AufenthG, die im zweiten Halbsatz der Nr. 2 (also nach dem "es sei denn") nicht aufgeführt ist, offenbar davon ausgeht, dass deren Inhaber sich trotz der Befristung dauerhaft in Deutschland aufhalten werden, soll nicht nur für Ausländer mit Aufenthaltserlaubnissen nach §§ 16, 17 und 18 Abs. 2 AufenthG, sondern auch für Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG die gegenteilige Prognose gelten. Eine derartige Annahme, wie sie der Senat etwa bei einer bloßen aufenthaltsrechtlichen Duldung nachvollzogen hat (Teilurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 6/08 R - BSGE 105, 70 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 10), ist jedoch für Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a AufenthG nicht ohne Weiteres gerechtfertigt. Denn nach ihrer rechtlichen Tragweite und ihrer Struktur ist diese Vorschrift so angelegt, dass den ausländischen Staatsangehörigen, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung erteilt wird, durchaus die Möglichkeit eines dauernden Aufenthalts in Deutschland eröffnet ist.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG bereits nicht zur Ausreise verpflichtet. Gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG besitzen indes einen Aufenthaltstitel, denn eine Aufenthaltserlaubnis ist allgemein nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein befristeter Aufenthaltstitel. Darüber hinaus bestimmt § 104a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AufenthG ausdrücklich, dass die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 1 dieser Vorschrift als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG gilt.

Die Merkmale, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt sein müssen, setzen bereits ein gewisses Maß an Integration voraus. So muss sich der bisher geduldete Ausländer am 1.7.2007 grundsätzlich seit mindestens acht Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufhalten. Er muss ferner über ausreichenden Wohnraum verfügen, hinreichende mündliche Deutschkenntnisse besitzen, darf die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich getäuscht haben, keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen haben und muss sich im Wesentlichen straffrei geführt haben. Darüber hinaus ist die gemäß § 104a AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe der Abs. 5 und 6 durchaus einer Verlängerung über den 31.12.2009 hinaus zugänglich. Dabei sind im vorliegenden Zusammenhang insbesondere die Härtefallregelungen in § 104a Abs. 6 AufenthG von Bedeutung, die sich ua auf Alleinerziehende mit Kindern beziehen. Das zeigt gerade auch der Fall der Klägerin, die ab 1.1.2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten hat. Angesichts dieser gesetzlichen Ausgestaltung und praktischen Handhabung des § 104a AufenthG kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift die Innehabung eines hinreichend verfestigten Aufenthaltsstatus von vornherein ausschließt.

Soweit in den Materialien zur Einführung des § 104a AufenthG als sog Altfallregelung für langjährig geduldete Ausländer zum Ausdruck gebracht wurde, dass es sich um eine "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" handele und eine "Aufenthaltsverfestigung ... ausgeschlossen" sei (BR-Drucks 224/07 S. 367 = BT-Drucks 16/5065 S. 202), rechtfertigt dies schon angesichts der geschilderten Struktur des § 104a AufenthG nicht die Beurteilung, dass die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift nur als "bessere" Duldung anzusehen und der Ausschluss vom Anspruch auf Elterngeld wie bei (nur) geduldeten Ausländern damit gerechtfertigt sei. Zudem sind die Gesetzesmaterialien insoweit in sich widersprüchlich, als darin auch ausgeführt ist, mit der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG werde dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet geduldeten und "hier integrierten" Ausländer nach einer "dauerhaften Perspektive" in Deutschland Rechnung getragen (BR-Drucks 224/07 S. 366). Der Gesetzgeber selbst sieht danach Ausländer, die die Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG erfüllen, als "integriert" und die Aufenthaltserlaubnis selbst als "dauerhafte Perspektive" an. Insgesamt lässt sich damit aus dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG nicht schließen, dass der betreffende ausländische Elternteil nicht auf Dauer in Deutschland bleiben wird. Eher das Gegenteil ist der Fall, insbesondere wenn die Voraussetzungen der Härtefallregelung vorliegen.

In dieser Einschätzung sieht sich der Senat durch die Entscheidung des BVerfG vom 6.7.2004 (- 1 BvR 2515/95 - BVerfGE 111, 176 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4) bestätigt. Darin hat das BVerfG das im Rahmen des damaligen § 1 Abs. l a BErzGG 1993 gewählte Differenzierungskriterium der Anknüpfung an die Art des Aufenthaltstitels (wobei eine Aufenthaltsbefugnis nicht ausreichte) als nicht geeignet qualifiziert, um diejenigen ausländischen Personen adäquat zu erfassen, die voraussichtlich nicht auf Dauer in Deutschland bleiben. Maßgebend war der Umstand, dass Ausländer mit einer bloßen Aufenthaltsbefugnis aus anderen Rechtsgründen durchaus ein Bleiberecht in Deutschland haben konnten. Wenn allein dieser Gesichtspunkt ausgereicht hat, § 1 Abs. 1a BErzGG 1993 als verfassungswidrig anzusehen, muss das Gleiche auch für § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. d BEEG gelten. Denn ausländischen Elternteilen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG besitzen, kann eine positive Aufenthaltsprognose in Deutschland nicht ohne Weiteres abgesprochen werden.

b) Auch gegenüber den von § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c BEEG erfassten Elternteilen wird die Klägerin nach Überzeugung des Senats sachwidrig benachteiligt. Dabei handelt es sich um ausländische Personen, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges in ihrem Heimatland, nach §§ 23a, 24 oder 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt worden ist. Diese sind zwar grundsätzlich auch - wie die Klägerin - von der Anspruchsberechtigung für Elterngeld ausgeschlossen, ihnen kommt jedoch die Rückausnahme in § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG zugute.

Es ist nicht erkennbar, dass die Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 wegen eines Krieges im Heimatland und nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG eine gegenüber der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG deutlich günstigere Aufenthaltsprognose erlauben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchst. a BEEG für die von § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c BEEG erfassten Elternteile nur einen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Mindestaufenthalt von drei Jahren voraussetzt, während § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG einen solchen Mindestaufenthalt von grundsätzlich acht Jahren verlangt. Zudem verleihen die Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1, § 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG der betroffenen Person nicht unmittelbar die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in abhängiger oder selbstständiger Form (s. § 4 Abs. 2 AufenthG; vgl. HK-AuslR/Hoffmann, § 4 AufenthG RdNr22). Über eine solche Berechtigung entscheidet die Ausländerbehörde zugleich mit der Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (HK-AuslR/Hoffmann, § 4 AufenthG RdNr20). Demgegenüber sind Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG schon kraft Gesetzes befugt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Vermerk über diese Berechtigung im Aufenthaltstitel selbst (s. § 4 Abs. 1 AufenthG) hat nur deklaratorische Bedeutung (HK-AuslR/Hoffmann. a.a.O., RdNr22). § 104a Abs. 2 Satz 2 AufenthG lässt die selbstständige und nicht selbstständige Tätigkeit uneingeschränkt und ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit zu, und zwar unabhängig davon, ob die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 oder nach § 104a Abs. 1 Satz 3 AufenthG erteilt wurde (HK-AuslR/Fränkel, § 104a AufenthG RdNr 26).

Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 104a AufenthG um ein Merkmal handelt, das jedenfalls für sich allein keine ungünstige Daueraufenthaltsprognose zulässt. Es wäre deshalb sicher unbedenklich gewesen, wenn der Gesetzgeber die Anspruchsberechtigung für das Elterngeld insoweit an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft hätte, wie er sie für den von § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c BEEG erfassten Personenkreis in § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG vorgesehen hat. Dass die gegenwärtige Ausgestaltung des § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG nach der Überzeugung des erkennenden Senats gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. Wesentlich ist allein der Umstand, dass der Gesetzgeber Personen mit Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a AufenthG selbst diese Möglichkeit des Erwerbs eines Anspruchs auf Elterngeld verwehrt hat.

Das Unterlassen einer solchen Gleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 7 Nr. 2 Buchst. c BEEG betroffenen Personen ist umso unverständlicher, als Elternteile mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG im Kindergeldrecht sogar günstiger behandelt werden als Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG. Dort werden sie nämlich von vornherein nicht von der Anspruchsberechtigung ausgenommen (vgl. § 62 Abs. 2 Einkommensteuergesetz, § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz). Auch Personen mit einem Aufenthaltstitel nach § 104a AufenthG, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können, steht damit ein Anspruch auf Kindergeld zu. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat insoweit bereits entschieden, dass die dortige Bevorzugung (Ungleichbehandlung) gegenüber Besitzern von Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges in deren Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG (§62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG) nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Der Umstand, dass von Sozialleistungen lebende Ausländer, die von der Altfallregelung des § 104a AufenthG profitieren, kindergeldberechtigt seien, führe wegen der Anrechnung des Kindergeldes auf die Sozialleistungen nicht zu einer Beteiligung von Ausländern mit einem Aufenthaltstitel , der keinen Anspruch auf Kindergeld begründe (BFH Urteil vom 17.6.2010 - III R 72/08 - BFH/NV 2010, 2242). Ob diese Begründung hinreichend trägt, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. dazu auch die durch Art. 14 Nr. 4 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9.12.2010 <BGBl I 1885> mit Wirkung zum 1.1.2011 erfolgte Anfügung des Abs. 5 in § 10 BEEG, wonach der monatliche Grundbetrag des Elterngeldes von 300 Euro vollständig auf die Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII anzurechnen ist.