OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.10.2012 - 4 L 169/12 - asyl.net: M20224
https://www.asyl.net/rsdb/M20224
Leitsatz:

Grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob in Ungarn die Durchführung eines richtlinienkonformen Verfahrens (Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) gewährleistet ist oder ob systemische Mängel bestehen, die für Dublin II-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden Behandlung begründen.

Schlagwörter: Ungarn, Mindeststandards, Mindestnormen, erniedrigende Behandlung, unmenschliche Behandlung, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Inhaftierung, Rückkehrer, Dublin-Rückkehrer,
Normen: AsylVfG § 26a, AsylVfG § 34a,
Auszüge:

[...]

Die Berufung ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO).

Die von der Beklagten formulierte Rechtsfrage, ob "in Ungarn die Durchführung eines richtlinienkonformen Verfahrens (Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) gewährleistet ist oder ob systemische Mängel bestehen, die für Dublin II-Rückkehrer die Gefahr einer erniedrigenden Behandlung begründen", ist klärungsbedürftig und für den Rechtsstreit entscheidungserheblich.

Die Beklagte hat auch durch die Benennung der Zahl der Übernahmeersuchen an Ungarn im ersten Halbjahr 2012 die allgemeine Bedeutung dieser Frage hinreichend ausgeführt.

Weiterhin hat die Beklagte durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür dargelegt, dass nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichte, sondern - mit der Folge der Durchführung eines Berufungsverfahrens - ihre gegenteilige Bewertung in der Antragsschrift zutreffend ist. Denn sie hat umfassend auf Erkenntnisse ihres Liaisonmitarbeiters beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung in Budapest verwiesen. Danach beabsichtige Ungarn, im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht genannten kritischen Berichte des UNHCR und von Pro Asyl seine gesetzlichen Regelungen zu zu ändern, und habe bereits die Praxis bei Dublin-Rückkehrern seit Mitte Juni 2012 umgestellt. Insbesondere hat die Beklagte substanziiert geltend gemacht, diese Rückkehrer könnten nach dieser Praxis ein vorheriges Asylverfahren fortsetzen, es komme bis zu einer Entscheidung darüber nicht zu Abschiebemaßnahmen und die Rückkehrer würden nicht inhaftiert, sondern in einer offenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht. [...]