KG Berlin

Merkliste
Zitieren als:
KG Berlin, Beschluss vom 03.01.2013 - 1 VA 9/12 - asyl.net: M20303
https://www.asyl.net/rsdb/M20303
Leitsatz:

Der vor einem ägyptischen Standesamt beurkundete Ehevertrag zwischen einem Deutschen und einer Ägypterin enthält nicht deshalb eine schlüssige Wahl des ägyptischen Ehewirkungsstatuts, weil sich die Eheleute auf eine Morgen- und Abendgabe sowie einen gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland geeinigt haben, auch wenn beide dem Islam angehören und der Ehemann früher die ägyptische Staatsangehörigkeit besaß.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Ägypten, Ehevertrag, Eheschließung, Eheschließung im Ausland, Morgengabe, Abendgabe, Scheidung, Rechtswahl, Ehewirkungsstatut, Scheidungsrecht, Scheidungsfolgenrecht, Familienrecht,
Normen: EGBGB Art.l 14 Abs. 1 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

3. In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Ehescheidung des Beteiligten zu 1 liegen nicht vor.

a) Auf die Ehescheidung findet deutsches Recht Anwendung. Gemäß § 1564 S. 1 BGB kann eine Ehe nur durch richterliche Entscheidung – nunmehr in Form eines Beschlusses, § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG - geschieden werden. § 1564 S. 1 BGB hat nicht nur verfahrensrechtlichen, sondern auch materiell-rechtlichen Gehalt. In ihm kommt die Grundentscheidung des deutschen materiellen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts zum Ausdruck, dass über die Scheidung einer Ehe immer ein Gericht zu befinden hat (BGH, NJW 1990, 2194, 2196). Die nach ägyptischem Recht erfolgte Privatscheidung steht dem nicht gleich. Bei einer Privatscheidung wird die Ehe durch einseitigen Akt eines Ehegatten oder durch einverständliches Handeln der Ehegatten geschieden. Maßgebend ist die rechtsgeschäftliche Erklärung zumindest eines Ehegatten und nicht, wie bei der Entscheidung durch den Richter, ein Hoheitsakt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Beteiligten zu 1 in Ägypten lediglich der von ihm beschrittene Weg eröffnet ist. Auch ist es unerheblich, dass eine frühere Scheidung des Beteiligten zu 1 durch die Beteiligte zu 2 anerkannt worden ist. Die Voraussetzungen damals waren andere, weil der Beteiligte zu 2 und seine damalige Ehefrau die ägyptische Staatsangehörigkeit besaßen.

Die Anwendung deutschen Rechts auf die Ehescheidung des Beteiligten zu 1 folgt aus Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Die Scheidung unterliegt dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblich ist. Damit wird auf Art. 14 EGBGB verwiesen. Danach unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe in erster Linie dem Recht des Staats, dem beide Ehegatten angehören oder zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besaßen die Ehegatten hingegen während der gesamten Ehezeit und somit auch im Zeitpunkt ihrer Scheidung nicht.

Deshalb war hier auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB abzustellen. Ehewirkungsstatut ist danach das Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder während der Ehe zuletzt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Letzteres ist der Fall. Letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Eheleute war eine Wohnung in Berlin, in der der Beteiligte zu 1 auch heute noch lebt.

b) Nichts anderes folgt aus der dem Beteiligten und seiner Ehefrau nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EGBGB grundsätzlich eröffnet gewesenen Möglichkeit, ihre Ehe dem Heimatrecht der Ehefrau, also dem ägyptischen Recht zu unterstellen.

Nach Art. 14 Abs. 4 S. 2 EGBGB genügt für eine Rechtswahl, die nicht im Inland vorgenommen wird, wenn sie den Formerfordernissen für einen Ehevertrag nach dem gewählten Recht oder am Ort der Rechtswahl entspricht. Beide Anknüpfungen weisen vorliegend auf das ägyptische Recht. Nach diesem ist mithin eine Rechtswahl durch den Abschluss des in der Ehevertragsurkunde vom 25. August 2007 registrierten Ehevertrags zu beurteilen.

In dem Ehevertrag ist eine ausdrückliche Rechtswahl nicht erfolgt. Aber auch eine schlüssige (konkludente) Rechtswahl ist ihm nicht zu entnehmen. Diese setzt genauso wie eine ausdrückliche Rechtswahl einen kollisionsrechtlichen Rechtswahlwillen gerade für die allgemeinen Ehewirkungen und die Einhaltung der Ehevertragsform voraus. Die Ehegatten müssen objektiv Handlungen vornehmen, die den Schluss auf eine Rechtswahl zulassen; subjektiv müssen sie die Umstände, die den Schluss auf einen Rechtsfolgewillen begründen, kennen oder müssen zumindest erkennen, das ihre jeweilige Äußerung nach Treu und Glauben oder Verkehrssitte als Rechtswahl aufgefasst werden darf und vom jeweiligen Empfänger auch so verstanden wird (Makowski, in: Staudinger, BGB, 2011, Art. 14 EGBGB, Rdn. 143).

Der Abschluss eines Ehevertrags enthält dann eine konkludente ehewirkungsrechtliche Rechtswahl, wenn er eindeutig auf der Basis eines bestimmten Rechts erfolgt und auch die allgemeinen Ehewirkungen und nicht nur das Ehegüterrecht betrifft (Mankowski, a.a.O.).

Mit der Vereinbarung einer Morgengabe bei einer islamischen Trauung wird nur allgemein, d.h. länderübergreifend, einer im Islam verbreiteten Vorstellung Rechnung getragen, ohne dass damit zugleich eine ausschließliche Unterstellung gerade unter das Recht des Staates der Eheschließung, also Ägypten, verbunden ist. Die Vereinbarung einer Morgengabe hat insbesondere symbolische Bedeutung, um den islamischen Gepflogenheiten zu entsprechen (OLG München, Urteil vom 26. Juli 2005 – 4 UF 433/04 – juris). Auch wenn entsprechende Vereinbarungen nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kollisionsrechtlich als dem Ehewirkungsstatut unterliegend zu behandeln sind (BGH, NJW 2010, 1528, 1530), besagt dies für sich noch nicht, dass eine Rechtswahl getroffen worden wäre. Denn eine solche Vereinbarung kann auch bei Anwendung deutschen Rechts zu Ansprüchen der Ehefrau gegen den Ehemann auf Grund ehevertraglicher Zusagen führen (BGH, a.a.O., 1531).

Damit verbleibt die ehevertragliche Einigung auf eine gemeinsame Anschrift in Berlin. Aber auch hierin ist keine schlüssige Rechtswahl zu erkennen. Zwar hat dies das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Fall angenommen, in dem der Ehemann den ständigen Aufenthalt der Eheleute in Deutschland zur Bedingung gemacht hatte (BayObLG, NJW-RR 1998, 1538, 1539). Hinzu kam aber, dass beide Eheleute die syrische Staatsangehörigkeit besaßen; daneben trat die weitere deutsche Staatsangehörigkeit des Ehemanns in den Hintergrund. Der vorliegend zu entscheidende Fall liegt hingegen anders. Eine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben die Eheleute zu keinem Zeitpunkt besessen. Auch wenn der Beteiligte früher einmal Ägypter war und beide Eheleute dem Islam angehören, kann der Vereinbarung, ihren künftigen Wohnsitz in Deutschland zu nehmen, deshalb nicht zugleich eine Rechtswahl zugunsten des ägyptischen Rechts entnommen werden. [...]