VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Beschluss vom 05.06.2013 - AN 9 E 13.30363 - asyl.net: M20967
https://www.asyl.net/rsdb/M20967
Leitsatz:

Zurückschiebungen in Mitgliedstaaten der Dublin II-VO, die ihre Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 3 AsylVfG finden, unterliegen denselben Einschränkungen wie sie für Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 und 2 AsylVfG gelten.

Es gibt keine Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmeverfahrens in Bulgarien.

Schlagwörter: Zurückschiebung, Bulgarien, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Mindeststandards, Aufnahmebedingungen,
Normen: AsylVfG § 34a Abs. 1, AsylVfG § 18 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

2.1 Bulgarien ist Mitgliedsstaat der Europäischen Union und insofern sicherer Drittstaat (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26 a Abs. 2 AsylVfG). Darüber hinaus ergibt sich auch eine Zuständigkeit Bulgariens nach § 27a AsylVfG i.V.m. den Vorschriften der Dublin-II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 343/2003).

2.2 Vorliegend handelt es sich zwar nicht um eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, sondern um eine Zurückschiebung, die ihre Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 3 AsylVfG findet. Zurückschiebungen in Mitgliedsstaaten der Dublin-II-Verordnung unterliegen dabei aber denselben Einschränkungen wie sie für Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 und 2 AsylVfG gelten (VG Ansbach, Urteil vom 29.5.2013, AN 11 K 13.30197). Die Übertragung des Regelungsgehaltes des § 34a Abs. 2 AsylVfG auf die Fälle der Zurückweisung und Zurückschiebung (§ 18 Abs. 2 und 3 AsylVfG) ergibt sich im Wege eines Erst-Recht-Schlusses. Denn hierbei geht es um dieselben Rechtsfragen wie im Falle des § 34a AsylVfG und zudem während eines noch weniger verfestigten Aufenthalts des Ausländers. Es wäre geradezu sinnwidrig unter solchen Umständen umfangreicheren Rechtsschutz zu gewähren als nach § 34a AsylVfG (BayVGH, Beschluss vom 28.10.1993, 24 CE 93.31582- juris Rdnr. 17). Nach § 18 Abs. 3 AsylVfG ist ein Ausländer zurückzuschieben, wenn er von der Grenzbehörde im grenznahen Raum im unmittelbaren Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird und die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Die Zurückschiebung ist eine gegenüber einer Abschiebung vereinfachte Aufenthaltsbeendigung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG liegen vor. Nach dieser Vorschrift ist der Ausländer zurückzuschieben, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften insbesondere der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. Die Modalitäten der Übernahme durch Drittstaaten sind insbesondere in der Dublin-II-Verordnung geregelt. Vorliegend hat Bulgarien die Übernahme des Antragstellers erklärt.

2.3 Der Antragsteller kann sich auch nicht unter Verweis auf die Rechtsprechung des VG Frankfurt (Beschluss vom 6.7.2011, Az.: 7111604/11.F.A – juris) darauf berufen, dass die Voraussetzungen für die Zurückschiebung nach Bulgarien auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung nicht mehr vorliegen. Insoweit hat der Antragsteller vorgetragen, er habe zwischenzeitlich seinen Asylantrag zurückgenommen und begehre nur noch Abschiebungsschutz. Eine Überstellung in einen anderen Mitgliedsstaat auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung könne somit nicht mehr erfolgen. Die in der Rechtsprechung kontrovers diskutierte Frage, ob durch eine Teilrücknahme des Schutzersuchens und die spätere Beschränkung des Schutzersuchens ausschließlich auf das Gewähren subsidiären Schutzes bzw. auf das Feststellen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG die Dublin-II-Verordnung noch anwendbar ist, stellt sich bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht.

Der Antragsteller hat sein Begehren bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht auf das Gewähren subsidiären Schutzes beschränkt. Nach der Legaldefinition des Art. 2 c) Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (sog. Qualifikationsrichtlinie) ist ein "Asylantrag" im Sinne dieser Verordnung ein von einem Drittstaatsangehörigen gestellter Antrag, der als Ersuchen um internationalen Schutz eines Mitgliedsstaates im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden kann. Der Rechtsstellung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention entspricht nach nationalem deutschen Recht ein Status nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 14. Mai 2013 ausdrücklich die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG beantragt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat in seinem Schreiben an das BAMF vom 5. Juni 2013 ebenfalls ausdrücklich ausgeführt, der Antragsteller nehme seinen Asylantrag mit der Maßgabe zurück, so dass nur noch die Feststellungen des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG begehrt würden. Der Antragsteller verfolgt somit ausdrücklich mit seinem Schutzersuchen auch die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Ein Asylantrag im Sinne der Legaldefinition der Qualifikationsrichtlinie liegt somit vor.

Die Frage, ob der Antragsteller seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wirksam unter der Bedingung zurücknehmen konnte, dass die bulgarischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages erklärt haben, kann offen bleiben.

Auch die in der Antragsschrift formulierten Anträge, die Bundesrepublik Deutschland im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten ein Asylverfahren durchzuführen (Nr. 1) bzw. hilfsweise der Bundesrepublik Deutschland aufzugeben, das Verfahren zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG durchzuführen, sprechen gegen eine Beschränkung des Schutzersuchens des Antragstellers auf ausschließlich subsidiären Schutz.

2.4 Eine – unbeschadet des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift – verfassungskonforme Auslegung des § 34a Abs. 2 AsylVfG zu Gunsten des Antragstellers dahingehend, dass ausnahmsweise einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden könnte bzw. müsste, kommt hier nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für einen derartigen Ausnahmefall, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 14.5.1996, Az.: 2 BVR 1938/93, juris) ergeben, liegen hier nicht vor. Insofern müsste der Antragsteller glaubhaft machen, dass sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er in einer Art und Weise betroffen ist, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassungs- oder Gesetzes wegen berücksichtigt werden konnte.

Insoweit hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Er hat weder vorgebracht, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Bulgarien allgemein nicht eingehalten werden, noch besteht dafür sonst ein konkreter Anhalt (vgl. zum Ganzen, VG Ansbach, Beschluss vom 15.2.2013, Az.: AN 9 E 13.30102; VG Regensburg, Beschluss vom 20.8.2012, Az.: RN 9 S 12.30284; VG Regensburg, Beschluss vom 29.5.2013, Az.: RN 6 S 13.30200). [...]