VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Urteil vom 31.03.2014 - 7 K 1755/13 (= ASYLMAGAZIN 9/2014, S. 319 f.) - asyl.net: M22081
https://www.asyl.net/rsdb/M22081
Leitsatz:

Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz umfasst auch die Herausgabe einer Liste von Telefonnummern der Sachbearbeiter mit Außenkontakt eines Jobcenters.

Schlagwörter: Behörden, Information, Zugang zu Informationen, Zugang zu amtlichen Informationen, Informationsfreiheitsgesetz, Informationspflicht, Informationszugangsanspruch, persönliche Schutzbedürftigkeit, Datenschutz, Telefonnummer, Jobcenter, Telefonliste,
Normen: IFG § 1 Abs. 1 S. 1, IFG § 5 Abs. 4, IFG § 5 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Vorschrift gewährt als Grundnorm des Informationsfreiheitsgesetzes einen freien (voraussetzungslosen) Informationszugangsanspruch für jedermann, somit auch für den Kläger als einer juristischen Person des Privatrechts (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 7 zu § 1 Abs. 1). Der Anspruch ist also grundsätzlich nicht abhängig von einem besonderen Interesse (vgl. VG Leipzig, a.a.O.).

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 lFG liegen vor.

Bei den hier streitigen Telefonnummern handelt es sich um amtliche Informationen i.S.v. § 2 Nr. 1 erster Halbsatz IFG. Danach ist eine amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Hierunter fallen die hier begehrten dienstlichen Durchwahlnummern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Beklagten, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind (vgl. VG Leipzig, a.a.O., VG Karlsruhe, Urteil vom 5 August 2011 - 2 K 765/11, juris).

Dafür spricht auch, dass gemäß § 5 Abs. 4 IFG u.a. Bürotelekommunikationsnummern von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen sind, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist.

An diesem Charakter als amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes ändert sich nicht deshalb etwas, weil es im vorliegenden Fall nicht um die dienstliche Telefonnummer eines einzelnen Mitarbeiters im Zusammenhang mit einem konkreten Verwaltungsvorgang, sondern losgelöst hiervon um die Telefondurchwahlliste aller Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter mit Außenkontakt geht. § 2 Nr. 1 lFG selbst enthält eine solche Einschränkung des Informationsanspruches auf einen konkreten Verwaltungsvorgang nicht. Sie stünde auch nicht in Einklang mit dem Grundsatz des § 1 Abs. 1 IFG, der gerade keine weiteren Einschränkungen auf eine besondere Betroffenheit oder auf konkrete Verwaltungsvorgänge enthält. Dem Informationsfreiheitsgesetz lässt sich auch sonst keine Einschränkung dahin entnehmen, die Telefonlisten amtlicher Stellen seien als solche keine amtlichen Informationen i.S.v. § 2 Nr. 1 IFG (vgl. auch (BT-Drs. 15/4493 S. 16).

Die begehrten Informationen stehen dem Beklagten auch zur Verfügung und müssen nicht "erstellt" werden. Unstreitig existiert eine Liste mit den Durchwahlen sämtlicher Mitarbeiter, sortiert nach ihrem Dienstsitz. Es stellt offenkundig keinen größeren Aufwand dar, aus dieser Liste die Durchwahlnummern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Beklagten zu anonymisieren, soweit diese keine amtlichen Tätigkeiten wahrnehmen. Der Zugang kann dem Kläger mündlich, schriftlich oder elektronisch erteilt werden (§ 7 Abs. 3 Satz 1 IFG).

Dem Informationsanspruch des Klägers stehen keine Ausschlussgründe entgegen. Ausschlussgrunde nach den §§ 3, 4 und 6 IFG trägt der Beklagte nicht vor, sie drängen sich dem Gericht auch nicht auf.

Der vom Beklagten geltend gemachte Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 1 IFG liegt nicht vor.

Zu dieser Problematik hat das Verwaltungsgericht Leipzig in seinem - bereits zitierten - Urteil ausgeführt:

"Gemäß § 5 Abs. 1 lFG darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt. Dritter ist nach § 2 Nr. 2 IFG jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen. § 5 Abs. 1 IFG eröffnet nach seinem Wortlaut und auch nach der systematischen Konstruktion des Informationszugangsanspruchs kein Ermessen (vgl. auch Schach, IFG, 1 Aufl. 2009, § 5 Rdnr 14; a.A. VG Karlsruhe, a.a.O.). Nach erfolgter Abwägung ergeht eine rechtlich gebundene Entscheidung Für die Konstellation des § 5 Abs. 4 IFG ist diese Abwägung gesetzlich stark vorgeformt (vgl. Schach, a.a.O., Rdnr 14). Nach § 5 Abs. 4 IFG sind unter anderem Name und Bürotelekommunikationsnummer von Bearbeitern vom Informationszugang nicht ausgeschlossen, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist. Soweit also die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 4 IFG vorliegen, sind schutzwürdige Interessen eines Dritten i.S.v. § 5 Abs. 1 IFG nicht betroffen. Das ist auch das Verständnis des Gesetzgebers, wonach Amtsträger insoweit keine Dritten sind, als es um die Weitergabe von Daten geht, die sich auf ihre Amtsträgerfunktionen beziehen (vgl. BT-Drs 15/4493 S 9 zu § 2 Nr. 2 unter ausdrücklichem Bezug auf § 5 Abs. 4 IFG).

Bei den von der Klägerin verlangten Telefondurchwahlnummern handelt es sich nicht nur um amtliche Informationen, sondern zudem um personenbezogene Daten i.S.v. § 5 Abs. 4 IFG. Der Beklagte macht hierzu geltend, die Vorschrift beziehe sich auf die Telefonnummer des Bearbeiters eines konkreten Vorgangs, nicht auf einen davon losgelösten Informationsanspruch. Richtig ist. dass sich im Hinblick auf einen eventuellen Ausnahmetatbestand und das Abwägungsgebot nach § 5 Abs. 1 IFG die datenschutzrechtliche Frage nur für den jeweiligen konkreten Bearbeiter eines Vorgangs stellt. Die Frage des "Bearbeiters" i.S.v. § 5 Abs. 4 IFG wird auch diskutiert im Zusammenhang damit, ob nur der konkret zuständige Bearbeiter oder auch alle weiteren mit dem Vorgang befassten Mitarbeiter gemeint seien (vgl Schoch a.a.O., Rdnr. 70). Sie wird sich in der Regel auch anhand konkreter Verwaltungsvorgänge stellen.

Hingegen gibt der Wortlaut nichts dafür her, dass sich der Informationsanspruch zu einer Bürotelekommunikationsnummer immer auf den Bearbeiter eines konkreten Vorganges beziehen muss (anders z B § 9 Abs. 3 InfFrG NRW v. 27.11,2001 und § 6 Abs. 2 Nr. 2 IFG Berlin v. 15.10.1999, jeweils in der bereits zum Zeitpunkt der Verkündung gültige Fassung und damit älter als das erst am 1.1.2006 in Kraft getretene IFG). Gesetz und Gesetzesbegründung sprechen im Plural von "Bearbeitern" (§ 5 Abs. 4 IFG), "Amtsträger" und ihre "Amtsträgerfunktionen" (BTDrs 15/4493 S. 9 zu § 2 Nr. 2), nur allgemein die "dienstliche Funktion" von "Amtsträgern" (BT-Drs. 15/4493 S 14 zu § 5 Abs. 4). Auch aus der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 4 IFG ergibt sich nichts für die einschränkende Auslegung des Beklagten. Danach stellt nämlich § 5 Abs. 4 IFG klar, dass die aufgeführten personenbezogenen Daten von Amtsträgern, die mit ihrer dienstlichen Tätigkeit zusammenhängen, grundsätzlich nicht nach § 5 Abs. 1 IFG geschützt sind. Sie beträfen regelmäßig nur die amtliche Funktion. Anders sei es nur, wenn sie im konkreten Fall ausnahmsweise Bestandteil der Persönlichkeitsrechte des Bearbeiters sind (vgl. BT-Drs 15/4493, S. 14 zu § 5 Abs. 4). Der Bezug zum konkreten Bearbeiter bzw. zum konkreten Vorgang wird vom Gesetzgeber also erst über die Frage der Einschränkung des Informationszugangsanspruchs aus sonstigen Ausschlussgründen insbesondere des § 3 Nr. 2 IFG (vgl. BT-Drs. 15/74493 S. 14 zu § 5 Abs. 4), hergestellt.

Für die hier vertretene Ansicht, den Informationsanspruch zur Diensttelefonnummer nicht an einen konkreten Verwaltungsvorgang zu binden, spricht zudem ein allgemeines Verständnis von der datenschutzrechtlichen Relevanz einer dienstlichen Telefonnummer. Kein Bediensteter einer Behörde hat Anspruch darauf, von Publikumsverkehr und von der Möglichkeit, postalisch oder elektronisch von außen mit ihm Kontakt aufzunehmen, abgeschirmt zu werden, es sei denn, legitime Interessen z.B. der Sicherheit gebieten dies. Mit der Nennung des Namens und der dienstlichen Telefonnummer werden keine in irgendeiner Hinsicht schützenswerten personenbezogenen Daten preisgegeben, so dass sich sogar die Frage einer für Eingriffe in individuelle Rechte erforderlichen Ermächtigungsgrundlage nicht stellt (vgl. BVerwG, Beschl. v 12 3 2008 - 2 B 131/07 -, juris). Es ist daher auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zulässig, dem außen stehenden Benutzer einer Behörde, für dessen Bedürfnisse sie eingerichtet worden ist, einen Hinweis darauf zu geben, welche natürlichen Personen als Amtswalter mit der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe betraut und damit in einer auf Außenkontakt gerichteten Behörde für das Publikum die zuständigen Ansprechpartner sind (BVerwG a.a.O.)."

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an.

Ausschlussgründe nach § 5 Abs. 4 lFG im Hinblick auf einen konkreten Fall/konkrete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in denen die Telekommunikationsnummer ausnahmsweise Bestandteil des Persönlichkeitsrechts eines Bearbeiters ist bzw. eine persönliche Schutzbedürftigkeit des Amtsträgers besteht (vgl. BT-Drs. 15/4493, S 14), hat der Beklagte nicht vorgetragen. Er stellt vielmehr nur ganz allgemein darauf ab, dass verschiedene Entscheidungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (z.B. Verhängung von Sanktionen, Widerspruchsentscheidungen, Bußgeldentscheidungen, Unterhaltsforderungen und Rückstandsberechnungen, Pfändungen, Anträge auf Anordnung der Erzwingungshaft) von dem jeweiligen Adressaten als existenzbedrohend empfunden werden. Dies reicht nicht für die Darlegung des Ausschlussgrundes.

Damit steht dem Informationsanspruch des Klägers kein schützenswertes Interesse eines Dritten entgegen. Auf die Einwilligung der Mitarbeiterrinnen und Mitarbeiter kommt es daher nicht an.

Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine ständige telefonische Erreichbarkeit durch die Einführung des Service Center gewährleistet sei und dadurch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter störungsfrei arbeiten könnten. Denn das Anliegen, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bearbeitung ihrer Aufgaben grundsätzlich ohne Unterbrechung durch Telefonate zu ermöglichen, stellt keinen gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestand dar. Dass der Zugangsanspruch des Informationsfreiheitsgesetzes dem Beklagten einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand aufbürdet und ihn vor organisatorische Herausforderungen stellen kann, ist Folge des gesetzgeberischen Willens. [...]