OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 09.10.2015 - 13 ME 118/15 - asyl.net: M23698
https://www.asyl.net/rsdb/M23698
Leitsatz:

Dass sich ein Antragsteller bei der Stellung eines Antrages auf Wiedereinbürgerung in die Türkei möglicherweise teilweise nicht über die Bedeutung der von ihm geleisteten Unterschriften im Klaren war, ändert nicht, dass es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, sich darüber Klarheit zu verschaffen. Das Fehlen des Erklärungsbewusstseins hindert die Wirksamkeit einer abgegebenen Willenserklärung in derartigen Fällen nicht. Zur Frage der Beweislastverteilung (Fortführung der bisherigen Senatsrechtsprechung, vgl. Beschl. v. 18.08.2014 - 13 LA 50/14 -, juris).

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Wiedereinbürgerung, Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Türkei, Beweislast,
Normen: StAG § 25 Abs. 1, BGB § 119 S. 1
Auszüge:

[...]

Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe die türkische Staatsangehörigkeit nicht "auf seinen Antrag" erworben und deshalb sei der Tatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 1 StAG nicht erfüllt, überzeugt dies nicht. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt aufgrund von Handlungen des Betroffenen ein, die auf einem selbstverantwortlichen, auf den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit bezogenen freien Willensentschluss beruhen (Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 5. Auflage, § 25 Rn. 11 m.w.N.; Marx in GK: Staatsangehörigkeitsrecht, Loseblatt, Stand Juni 2015, § 25 Rn 50 m.w.N.). Der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit muss auf einem Antrag beruhen. Das ist jede freie Willensbetätigung, die unmittelbar auf den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet ist. Einen derartigen für eine Wiedereinbürgerung ausreichenden Antrag muss der Antragsteller gestellt haben, da die türkischen Behörden dem Einbürgerungsantrag stattgegeben haben. Für eine irrtümliche Einbürgerung oder Fälschung des Einbürgerungsantrages oder eine Einbürgerung "von Amts wegen" liegen keine Anhaltspunkte vor und wurde substantiiert auch nichts vorgetragen.

Wenn der Antragsteller - wofür Überwiegendes spricht - im türkischen Generalkonsulat in E. ihm vorgelegte Formulare unterschrieben hat, ohne sich über deren Bedeutung selbst im Klaren gewesen zu sein und ohne sie sich erläutern zu lassen, hat er, dem gerade in staatsbürgerlichen Angelegenheiten gewisse Sorgfaltspflichten zukommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2006 - 2 BvR 1339/06 -, NVwZ 2007, 441 ff.), fahr - lässig gehandelt. Grundsätzlich ist deshalb zu verlangen, dass ein vorgelegtes Formular vor der Unterschrift durchgelesen und auf seinen Inhalt überprüft wird. Auf einen Erklärungsirrtum (§ 119 Satz 1 BGB) kann er sich dann nicht mit Erfolg berufen. Hat der Erklärende fahrlässig nicht erkannt, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden kann, hindert das Fehlen des Erklärungsbewusstseins die Wirksamkeit einer abgegebenen Willenserklärung in derartigen Fällen nicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1984 - IX ZR 66/83 -, juris Rn 18 ff. ; LG Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 2013 – 23 S 316/12 –, juris; Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Auflage 2014, Einf.v. § 116, Rn 17 m.w.N.). Für eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Antragstellers liegen keine Anhaltspunkte vor. [...]