VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 01.03.2016 - 22 K 7814/15 - asyl.net: M23718
https://www.asyl.net/rsdb/M23718
Leitsatz:

Ein Erstattungsanspruch öffentlicher Stellen besteht aufgrund einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG auch nach Flüchtlingsanerkennung und Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 25 Abs. 2 AufenthG weiter, da der ursprüngliche Aufenthaltszweck in Deutschland Schutz vor dem Bürgerkrieg in Syrien zu erhalten nicht durch einen anderen ersetzt wurde. Verpflichtung dürfte auf die Dauer der auf zwei Jahre zu befristenden Aufenthaltserlaubnins nach § 23 Abs. 1 AufenthG begrenzt sein bzw. danach dürfte ein Kündigungsrecht bestehen. (Hier aber nicht entscheidungserheblich.)

Schlagwörter: Verpflichtungserklärung, Flüchtlingsanerkennung, Qualifikationsrichtlinie, Sozialleistungen, Syrien, Aufenthaltszweck, Kündigung, Befristung,
Normen: AufenthG § 68 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 23 Abs. 1, AufenthG § 25 Abs. 2, SGB II § 9 Abs. 1, RL 2011/95/EU Art. 29 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Der Erstattungsanspruch folgt aus § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. [...]

II. Die Verpflichtungserklärungen vom 6. März 2014 sind hinreichend bestimmt. Inhalt und Reichweite der von dem Verpflichtungsgeber eingegangenen Verpflichtungen lassen sich durch Auslegung anhand objektiver Umstände ermitteln (vgl. §§ 133, 157 BGB). Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf den Zeitraum, auf den sich die übernommene Verpflichtung zur Erstattung rechtmäßig erbrachter Sozialleistungen bezieht, obwohl dieser nicht durch die Angabe eines Datums oder einer nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmten Dauer eingegrenzt ist. Der Wortlaut der unter Verwendung eines bundeseinheitlichen Formulars abgegebenen Verpflichtungserklärungen bestimmt die Dauer der Verpflichtung vielmehr dahingehend, dass diese bis zur Beendigung des Aufenthalts des betreffenden Ausländers oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck eingegangen wird. Konkretisiert werden diese Angaben durch den Wortlaut der vom Verpflichtungsgeber unterzeichneten Zusatzerklärung. Danach erstreckt sich die Verpflichtung ausdrücklich unabhängig von der Dauer des zugrunde liegenden Aufenthaltstitels auf den gesamten sich der Einreise anschließenden Aufenthalt, auch für Zeiträume eines möglichen illegalen Aufenthaltes und endet im Regelfall mit dem Ende des vorgesehenen Gesamtaufenthaltes oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wurde. [...]

Im Wege der Auslegung der Verpflichtungserklärungen anhand objektiver Umstände lässt sich mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln, auf welchen Aufenthaltszweck sich die Verpflichtungserklärungen beziehen. Zwar ist an der im Formular vorgesehenen Stelle für die Eintragung des Zwecks des Aufenthalts des betreffenden Ausländers in allen von dem Verpflichtungsgeber unterzeichneten Erklärungen keine Eintragung vorhanden und es ist lediglich mit der Eintragung "Dauer" die jeweilige voraussichtliche Dauer des Aufenthalts angegeben. Hieraus lässt sich jedenfalls entnehmen, dass sich die Erklärungen nicht auf einen beabsichtigten Kurzaufenthalt, sondern auf die Verwirklichung eines dauerhaften Aufenthaltszwecks bezogen. Ergänzend sind für die Auslegung der Erklärungen die zur Aufnahme von syrischen Staatsangehörigen getroffenen Aufnahmeanordnungen des MIK vom 26. September 2013, Az. 15-39.12.03-1-13-100(2603) und vom 3. Februar 2014, Az. 15-39.12.03-1-13-346(2603) heranzuziehen (vgl. zur entsprechenden Auslegung von Verpflichtungserklärungen im Hinblick auf die zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina getroffenen Regelungen: BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 – 1 C 33/97 –, BVerwGE 108, 1 ff. und juris, Rdn. 30).

Hieraus ergibt sich, dass der Zweck des Aufenthalts der betreffenden Angehörigen des Verpflichtungsgebers, für die er die Verpflichtungserklärungen abgab, sowohl aus seiner Sicht als auch aus Sicht des Erklärungsempfängers (der zuständigen Ausländerbehörde), darin bestand, in Deutschland Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien zu erhalten. Dies folgt schon aus der Tatsache, dass die Verpflichtungserklärungen nach dem objektiv erkennbaren Willen des Verpflichtungsgebers dazu dienten, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums und einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den genannten Aufnahmeanordnungen an die betreffenden Angehörigen zu schaffen und auch aus Sicht des Erklärungsempfängers den Verpflichtungserklärungen allein in diesem Zusammenhang rechtliche Relevanz zukam. Der Verpflichtungsgeber und die Ausländerbehörde gingen objektiv erkennbar übereinstimmend davon aus, dass die Verpflichtungserklärungen nur zum Tragen kommen, falls die betreffenden Personen zu dem von den Aufnahmeanordnungen begünstigten Personenkreis zählen (syrische Staatsangehörige, die infolge des Bürgerkriegs aus ihrem Wohnort fliehen mussten).

Vor diesem Hintergrund sind die Verpflichtungserklärungen des Verpflichtungsgebers dahingehend auszulegen, dass er sich verpflichtete, den Lebensunterhalt seiner betreffenden Angehörigen grundsätzlich für die Gesamtdauer des bürgerkriegsbedingten Aufenthalts zu tragen, und zwar unabhängig von der Ausgestaltung ihres Aufenthaltsrechts. Allein diese Auslegung wird dem Zweck der Verpflichtungserklärungen gerecht, die von den obersten Landesbehörden im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern festgelegten Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt syrischer Staatsangehöriger, die infolge des Bürgerkriegs aus ihrem Wohnort fliehen mussten, zu erfüllen [...].

Die Verpflichtung endet, wenn dieser bei Abgabe der Verpflichtungserklärungen ins Auge gefasste Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dafür ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wird.

Eine Auslegung der Verpflichtungserklärungen dahingehend, dass die Verpflichtung nur für den Zeitraum bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach erfolgreichem Abschluss eines Asylverfahrens gelten sollte und der Verpflichtungsgeber für die Zeit nach Abschluss eines Asylverfahrens ausschließlich das wirtschaftliche Risiko des Scheiterns des Asylantrags übernimmt (so SG Detmold, Beschluss vom 2. April 2015 - S 2 SO 102/15 -, juris), scheidet aus. Bereits bei Abgabe der Erklärungen war objektiv absehbar, dass das Risiko des Scheiterns eines Asylantrags eines syrischen Staatsangehörigen, der mit einem auf der Grundlage der Aufnahmeanordnungen erteilten Visum legal nach Deutschland eingereist ist und zuvor noch kein Asylverfahren betrieben hatte, vernachlässigbar sein würde. [...]

III. Die Verpflichtungserklärungen erfassen auch den Zeitraum, für den das beklagte Jobcenter die Erstattung der geleisteten Sozialleistungen verlangt. Es ist bis zum Abschluss des hier streitgegenständlichen Zeitraumes kein Umstand eingetreten, der die mit den Verpflichtungserklärungen übernommene Erstattungspflicht entfallen ließe. Weder war der Aufenthalt der betreffenden Angehörigen des Verpflichtungsgebers in Deutschland beendet, noch war der in den Verpflichtungserklärungen in Bezug genommene Aufenthaltszweck dieser Personen durch einen anderen ersetzt und hierfür eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. [...]

a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG lässt nicht den Rückschluss zu, dass der in den Verpflichtungserklärungen in Bezug genommene Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt wurde Denn der tatsächlich bestehende Aufenthaltszweck bestimmt sich nicht nach der Rechtsgrundlage, auf deren Grundlage eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Vielmehr ist das Bestehen eines bestimmten Aufenthaltszwecks Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. [...]

b) Vor diesem Hintergrund hat auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG, also einer anderen als der ursprünglich bei Abgabe der Verpflichtungserklärungen in den Blick genommenen Rechtsgrundlage des § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Aufnahmeanordnungen, nicht die Konsequenz, dass der in den Verpflichtungserklärungen nach obiger Auslegung in Bezug genommene Aufenthaltszweck entfallen und durch einen anderen ersetzt wurde. Dabei kann offen bleiben, ob der Aufenthaltszweck, der Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG ist, als ein "neuer Aufenthaltszweck" zu qualifizieren ist gegenüber dem Aufenthaltszweck, der für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Aufnahmeanordnungen vorausgesetzt wird. Denn ein solcher "neuer Aufenthaltszweck" lässt den bisherigen Aufenthaltszweck nicht zwingend entfallen, sondern ist allenfalls als weiterer Aufenthaltszweck zu dem bisherigen hinzugetreten, so dass der neue Aufenthaltszweck den bisherigen nicht ersetzt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem neuen Aufenthaltszweck setzt nicht denklogisch voraus, dass der betreffende Ausländer den bisherigen Aufenthaltszweck aufgegeben hat. Vielmehr kann ein Ausländer mit seinem Aufenthalt in Deutschland auch mehrere Aufenthaltszwecke gleichzeitig verfolgen. Es ist sogar die Erteilung mehrerer Aufenthaltstitel kumulativ zulässig. Das dem Aufenthaltsgesetz zugrunde liegende Konzept unterschiedlicher Aufenthaltstitel mit jeweils eigenständigen Voraussetzungen und Rechtsfolgen schließt es nicht aus, dass einem Ausländer mehrere Aufenthaltstitel nebeneinander erteilt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 – 1 B 1.14 -, juris, Rdn. 5).

Der Aufenthaltszweck, auf den die Verpflichtungserklärungen Bezug nehmen, wird bestimmt durch die tatsächlichen Umstände des betreffenden Falles und nicht durch den Katalog der rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Aus diesem Grund entfällt der ursprünglich in den Verpflichtungserklärungen in Bezug genommene Aufenthaltszweck auch nicht deswegen, weil die betreffenden Angehörigen des Verpflichtungsgebers nunmehr Aufenthaltserlaubnisse erhalten haben, die von der Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unabhängig zu erteilen sind. Der Sinnzusammenhang einer Verpflichtungserklärung mit der Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kann nicht zu einem haftungsbegrenzenden Tatbestandsmerkmal des § 68 AufenthG verstärkt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 1 C 4.13 –, juris, Rdn. 12). [...]

Der Aufenthaltszweck, Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien zu erhalten, besteht nach diesen Maßstäben unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG fort. Er ist durch Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis weder unmöglich gemacht noch abschließend verwirklicht worden. Jedenfalls für die Zeit, in der die Kriegshandlungen in Syrien noch andauern, ist weder von einer Unmöglichkeit noch von einer abschließenden Zweckerreichung auszugehen.

Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Angehörigen des Verpflichtungsgebers die Verwirklichung dieses Zwecks aufgegeben haben. Insbesondere ist mit dem Wunsch der Angehörigen des Verpflichtungsgebers, sich nunmehr in Deutschland eine berufliche Existenz aufbauen wollen, keine Aufgabe des ursprünglichen Zwecks und dessen Ersetzen durch einen neuen Aufenthaltszweck verbunden. Denn die Schaffung einer beruflichen Existenz ist im Rahmen eines längerfristigen Aufenthaltes im Bundesgebiet durchaus typisch und steht nicht in Konkurrenz zu dem Aufenthaltszweck, Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien zu erhalten. Wie zu entscheiden wäre, wenn der Zweck, einer bestimmten Erwerbstätigkeit nachzugehen, den Aufenthaltszweck der Angehörigen in der Weise prägen würde, dass der Schutz vor den bürgerkriegsbedingten Lebensverhältnissen in Syrien dahinter zurückträte, und für diesen Zweck eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden wäre (vgl. Abschnitt 4 des 2. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes), bedarf hier keiner Entscheidung.

IV. Die Fortgeltung der Verpflichtungserklärungen für den die Kostenerstattung betreffenden Zeitraum verstößt ferner nicht gegen völker- und unionsrechtliche Regelungen. Es liegt weder ein Verstoß gegen das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 1953 II, S. 560) noch gegen die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie, ABl. EU L 337, S. 9), vor. Diese Regelungen wirken sich nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Verpflichtungsgeber und dem beklagten Jobcenter aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 – 1 C 4/13 –, juris, Rdn. 15).

Insbesondere liegt auch kein Verstoß gegen Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor. [...]

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist Sozialhilfe hilfebedürftigen Personen zu gewähren. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Unterstützungshandlungen durch Angehörige stellen zu berücksichtigendes Einkommen dar. Die Hilfebedürftigkeit entfällt aber nur, wenn diese Geldmittel dauerhaft beim Empfänger verbleiben. Es werden mithin nur Mittel erfasst, die tatsächlich zur Verfügung stehen (Karl, in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 9 Rdn. 50, 51).

Die Leistungen aus einer Verpflichtungserklärung stehen dem Ausländer aber gerade nicht zur Verfügung. Denn er hat keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Verpflichtungsgeber. Die Vorschrift des § 68 AufenthG regelt nur die Regressmöglichkeiten der Behörde gegenüber dem Verpflichtungsgeber, nicht aber etwaige Ansprüche zwischen ihm und dem Ausländer, für den die Verpflichtungserklärung gilt (vgl. BTDrucksache 11/6321, S. 84; BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 10/12 –, juris; BSG, Beschluss vom 16. Oktober 2010 – B 8 AY 1/09 R –, juris).

Die Erstattungspflicht des Verpflichtungsgebers hat mithin keinen Einfluss auf den Sozialhilfeanspruch des Ausländers und führt insbesondere nicht zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu Inländern (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2000 – 5 C 29/98 –, juris).

Dass sich ein Ausländer, für den eine Verpflichtungserklärung abgegeben wurde, auf Grund der Erstattungspflicht des Verpflichtungsgebers veranlasst sehen könnte, von einem Antrag auf Gewährung von Sozialleistungen abzusehen, begründet auch unter dem unionsrechtlichen Gesichtspunkt des "effet utile" nicht die Annahme einer rechtlich unzulässigen Ungleichbehandlung. Denn der betreffende Ausländer, der mit einem aufgrund einer Verpflichtungserklärung erteilten Visum nach Deutschland einreist, wird hierdurch nicht unzumutbar in der Freiheit seiner Willensbildung beeinträchtigt, einen Antrag auf Sozialleistungen zu stellen.

V. Ferner sind die Verpflichtungserklärungen nicht durch einseitige Erklärung des Verpflichtungsgebers für den die Kostenerstattung betreffenden Zeitraum erloschen. Insbesondere brachte der von ihm mit Schreiben vom 18. März 2015 erklärte "Widerruf" die Verpflichtung nicht zum Erlöschen. 1. Da es sich bei der Verpflichtungserklärung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist deren Widerruf gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB nur gegenüber der empfangsberechtigten Ausländerbehörde und nur bis zu dem Zeitpunkt möglich, bis sie der Ausländerbehörde zugegangen ist (vgl. VG München, Urteil vom 18. Januar 2012 – M 9 K 10.6262 –, juris, Rdn. 17). [...]

2. Der Widerruf ist auch nicht in eine Anfechtung entsprechend §§ 119 ff. BGB umzudeuten. Es fehlt schon an einem Anfechtungsgrund. [...]

3. Auch kommt eine Kündigung der Verpflichtungserklärungen mit Wirksamkeit für den die Kostenerstattung betreffenden Zeitraum nicht in Betracht. Dem Verpflichtungsgeber stand weder von Gesetzes wegen noch nach verständiger Würdigung der abgegebenen Verpflichtungserklärungen für diesen Zeitraum ein Kündigungsrecht zu. Insbesondere können die Verpflichtungserklärungen, wie dargelegt, nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Verpflichtungsgeber nur im Hinblick auf die Haftung für Kosten des Lebensunterhalts der betreffenden Ausländer ab deren Einreise für die Dauer des Asylverfahrens und bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG binde. Die Einräumung eines Kündigungsrechts für diesen Fall würde jedoch zu einer von den Beteiligten nicht vereinbarten Möglichkeit der Haftungsbeschränkung führen.

Offen bleiben kann, ob dem Verpflichtungsgeber für einen späteren Zeitpunkt ein Kündigungsrecht zusteht. Aus der Tatsache, dass den Verpflichtungserklärungen nach dem übereinstimmenden Verständnis des Erklärenden und des Erklärungsempfängers allein mit Blick auf die Aufnahmeanordnungen vom 26. September 2013 und vom 3. Februar 2014 rechtliche Bedeutung zukommt, dürfte nämlich zu folgern sein, dass sich der Verpflichtungsgeber nicht für Zeiträume unwiderruflich binden wollte, für die den Verpflichtungserklärungen zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtliche Relevanz zukommen konnte. Dies dürfte anzunehmen sein für die Zeit eines legalen Aufenthalts des betreffenden Ausländers nach Ablauf der zunächst nach den Aufnahmeanordnungen auf maximal zwei Jahre zu befristenden Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG. Denn diese Aufenthaltserlaubnis wird nur verlängert, wenn bei Ablauf ihrer Gültigkeit die für die erstmalige Erteilung geltenden Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Die Ausländerbehörde behält sich damit eine neuerliche Prüfung zu diesem Zeitpunkt vor. Fehlt es zum Verlängerungszeitpunkt an einer Voraussetzung, so haftet der Verpflichtungsgeber aus der ursprünglichen Verpflichtungserklärung nur noch für einen möglichen weiteren illegalen Aufenthalt des betreffenden Ausländers. Hieraus dürfte zu schließen sein, dass er bei Abgabe der Verpflichtungserklärung keine unwiderrufliche Bindung dahingehend eingeht, dass er an der Verpflichtungserklärung auch zum Zeitpunkt einer eventuellen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis festhalten und dem Ausländer damit zur Legalisierung seines Aufenthalts für bis zu zwei weitere Jahre verhelfen wird. Dies dürfte den Verpflichtungsgeber auch in den Fällen dazu berechtigten, seine Verpflichtung zu kündigen, wenn die betreffenden Ausländer von einer Verlängerungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 1 AufenthG keinen Gebrauch machen, etwa weil sie mittlerweile ihr Aufenthaltsrecht aus einer anderen Norm ableiten.

Die Kammer lässt deswegen dahinstehen, ob die Verpflichtungserklärungen aus diesem Grund dahingehend auszulegen sind, dass sie von vornherein auf den legalen Aufenthalt für bis zu zwei Jahre und einen sich anschließenden möglichen illegalen Aufenthalt begrenzt sind oder ob dem Verpflichtungsgeber ein Kündigungsrecht bezogen auf den Zeitpunkt einer eventuellen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zukommt. Denn für den vorliegenden Fall ist diese Frage nicht entscheidungserheblich. Hier würde die vom Verpflichtungsgeber ausgesprochene sinngemäße Kündigung nach den oben genannten Maßstäben erst zu einem Zeitpunkt wirksam werden, der nach dem Zeitraum liegt, für den die hier streitgegenständlichen öffentlichen Leistungen gezahlt wurden. Der betreffende Zeitraum liegt innerhalb von zwei Jahren nach der Einreise der Angehörigen des Verpflichtungsgebers und innerhalb des ursprünglich bestimmten Gültigkeitszeitraums der ihnen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG.

VI. Zudem ist es weder mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, vor der Einreise syrischer Flüchtlinge die Abgabe einer Verpflichtungserklärung zu verlangen, noch ist diese Erstattungspflicht im Hinblick auf die finanziellen Belastungen, die auf den Verpflichteten zukommen können, unverhältnismäßig (vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 – 1 C 33.97 –, juris, Rdn. 40 ff.). [...]

Ob nach Ablauf der Gültigkeit der nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. den Aufnahmeanordnungen erteilten Aufenthaltserlaubnisse bei der Frage ihrer Verlängerung noch eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für den Lebensunterhalt gefordert werden dürfte, wenn zu diesem Zeitpunkt – wie hier – ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unabhängig von der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung besteht, erscheint zweifelhaft, bedarf hier aber keiner Entscheidung, da sich der streitgegenständliche Bescheid, wie ausgeführt, nicht auf einen solchen Zeitraum bezieht. [...]

VIII. Schließlich ist die Heranziehung des Verpflichtungsgebers zur Erstattung der erbrachten Leistungen auch nicht ermessensfehlerhaft. [...]

Insbesondere ist die Bonität des Verpflichtungsgebers mit Vermerk auf Seite 2 der Verpflichtungserklärungen durch die Ausländerbehörde des I.-Kreises festgestellt und bescheinigt worden. Auch hat der Verpflichtungsgeber durch seine Unterschrift auf der Zusatzerklärung versichert, dass er auf Grund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zu der Verpflichtung in der Lage war. Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte für einen atypischen Fall, der die Inanspruchnahme des Verpflichtungsgebers als unzumutbar erscheinen ließe. Die Erstattungspflicht ist zwar durch eine politische Leitentscheidung einer obersten Landesbehörde in Form der Landesaufnahmeanordnung beeinflusst. Diese Behörde trifft aber keine Mitverantwortung an der Heranziehung zu den erbrachten Leistungen. Denn der Verpflichtungsgeber entscheidet eigenverantwortlich, ob er eine Verpflichtungserklärung abgeben möchte oder nicht. [...]