OVG Bremen

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OVG Bremen, Urteil vom 08.12.2015 - 1 LC 18/14 - asyl.net: M23765
https://www.asyl.net/rsdb/M23765
Leitsatz:

Die Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 Alt. 1 ARB 1/80 verleiht assoziationsberechtigten Arbeitnehmenden kein unbefristetes Aufenthaltsrecht i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 StAG, so dass ihr in Deutschland geborenes Kind nicht durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt.

Schlagwörter: unbefristetes Aufenthaltsrecht, deutsche Staatsangehörigkeit, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Kind, Elternteil, Geburt, Assoziationsberechtigte, Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt, befristete Aufenthaltserlaubnis, unbefristete Aufenthaltserlaubnis, türkische Staatsangehörige, Türkischer Arbeitnehmer,
Normen: ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1 Alt. 1, StAG § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, StAG § 4 Abs. 3 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG auf die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit. Er hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt erworben.

Als Rechtsgrundlage für einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit kommt vorliegend nur § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG in Betracht. [...]

Dagegen waren die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG im Falle des Vaters nicht erfüllt. Da der Vater kein Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger ist, müsste er im Zeitpunkt der Geburt des Klägers ein unbefristetes Aufenthaltsrecht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG besessen haben. Ein solches Recht besaß er jedoch nicht.

Der Begriff des unbefristeten Aufenthaltsrechts ist im Staatsangehörigkeitsrecht nicht näher definiert. Das Aufenthaltsgesetz kennt nur befristete Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis und Blaue Karte EU, §§ 7, 19a AufenthG) und unbefristete Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU §§ 9, 9a AufenthG), die mit ihrer Erteilung ein entsprechendes befristetes bzw. unbefristetes Aufenthaltsrecht verleihen, das von § 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 erfasst wird (vgl. Marx in GKStAR § 4 StAG Rn. 318).

Ein unbefristetes Aufenthaltsrecht aufgrund eines nach nationalem Recht erteilten Aufenthaltstitels stand dem Vater nicht zu, denn die ihm am 27.4.2011 erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis zum 27.4.2013 befristet.

Auch seine Rechtsstellung als türkischer Arbeitnehmer aus Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80, die er wegen seines seit dem 1.5.2010 andauernden ordnungsgemäßen und unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma D. inne hatte, verlieh dem Vater kein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG.

Es ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung hat, so dass türkische Staatsangehörige, die seine Voraussetzungen erfüllen, sich unmittelbar auf die Rechte berufen können, die ihnen in den drei Spiegelstrichen dieser Bestimmung je nach der Dauer der Ausübung einer Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat in abgestufter Weise verliehen werden (vgl. u. a. Urteile vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461, Rn. 26, und vom 19. November 2002 in der Rechtssache C-188/00, Kurz, Slg. 2002, I-10691, Rn. 26). Mit den Rechten, die diese Bestimmung dem türkischen Arbeitnehmer im Bereich der Beschäftigung verleiht, geht zwangsläufig ein entsprechendes Aufenthaltsrecht des Betroffenen einher, weil andernfalls das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf Ausübung einer Beschäftigung völlig wirkungslos wäre (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 – C-4/05 –, juris). Zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers am 12.11.2012 war sein Vater seit mehr als einem Jahr, aber noch nicht länger als drei Jahre beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Der Vater hatte deshalb nach Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis und das damit einhergehende Aufenthaltsrecht.

Ob es sich bei diesem Aufenthaltsrecht um ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln.

In seiner wörtlichen Bedeutung ist ein unbefristetes Aufenthaltsrecht ein Aufenthaltsrecht, das nicht befristet, also nicht zeitlich begrenzt ist. [...]

Auch im Verwaltungsrecht wird grundsätzlich nach diesen Maßstäben zwischen Befristung und Bedingung unterschieden. Bei der Befristung muss das einen Zeitpunkt konkretisierende Ereignis wenn schon nicht durch das Datum bestimmt, so doch bestimmbar sein und dessen Eintritt muss hinreichend gewiss sein (vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG § 36 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 10. Juli 1980 – 3 C 136.79 –, BVerwGE 60, 269- 278, Rn. 54).

Legte man allein diese Maßstäbe an, deutete entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mehr darauf hin, dass das Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 ein unbefristetes Aufenthaltsrecht darstellt. Das Aufenthaltsrecht nach dem 1. Spiegelstrich der Regelung wird nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung beim gleichen Arbeitgeber erworben und gewährleistet aufenthaltsrechtlich die Fortführung dieser Beschäftigung. Es fällt weg, soweit die Beschäftigung beim gleichen Arbeitgeber beendet wird und kein Fall von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 (unverschuldete von den Behörden ordnungsgemäß festgestellte Arbeitslosigkeit, Abwesenheit wegen langer Krankheit) vorliegt. Das Aufenthaltsrecht fällt demnach zwar bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses weg, dieses Ereignis ist jedoch in der Regel nicht datumsmäßig bestimmt und – mit Ausnahme der oben genannten arbeitsrechtlich anerkannten Fälle der Zweckbefristung auch nicht bestimmbar. Dass allein der spätestmögliche Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses – etwa durch Eintritt des Arbeitnehmers ins Rentenalter bestimmbar ist, genügt nicht, um den Zeitpunkt des tatsächlichen Eintritt des Ereignisses hinreichend bestimmen zu können.

Gegen dieses allein anhand der wörtlichen Auslegung der Vorschrift gefundene Ergebnis sprechen jedoch der systematische Zusammenhang (a), die Gesetzgebungsgeschichte (b) und der Zweck der Regelung (c).

a) Das Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 verleiht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes keinen Anspruch auf Erteilung eines nach nationalem Recht unbefristeten Aufenthaltstitels. Der EuGH spricht im Hinblick auf die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen einer auf Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 beruhenden Rechtsposition – auch einer solchen nach dem 3. Spiegelstrich der Vorschrift – immer nur von einem Anspruch des Arbeitnehmers auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmemitgliedstaat (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1992 – C-237.91 –, juris; EuGH, Urteil vom 26. November 1998 – C-1/97 –, juris; EuGH, Urteil vom 10. Februar 2000 – C-340/97 –, juris; EuGH, Urteil vom 19. November 2002 – C-188/00 –, juris). Dass damit eine zeitlich unbeschränkte Verlängerung gemeint sein könnte, ist nicht ersichtlich. In seinem Urteil vom 23. Januar 1997 – C-171/95 – führt der EuGH in einem den 3. Spiegelstrich betreffenden Fall ausdrücklich aus, dass ein türkischer Arbeitnehmer während eines "angemessenen Zeitraums" ein Aufenthaltsrecht besitzt, um dort eine neue Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis zu suchen, sofern er weiterhin dem regulären Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaats angehört und es Sache des betreffenden Mitgliedstaats und beim Fehlen entsprechender Rechtsvorschriften die des angerufenen nationalen Gerichts sei, einen solchen angemessenen Zeitraum festzulegen, der jedoch lang genug sein müsse, um die tatsächlichen Chancen des Betroffenen, eine neue Beschäftigung zu finden, nicht zu beeinträchtigen. Da sich demnach aus dem assoziationsrechtlich gewährten Recht keine Ansprüche auf Erteilung unbefristeter Aufenthaltstitel nach nationalem Recht ergeben, kann daraus abgeleitet werden, dass das assoziationsrechtliche Recht ebenfalls kein unbefristetes Recht darstellt. Mehr als ein Aufenthaltsrecht und den Zugang zu Erwerbstätigkeiten kann ein türkischer Staatsangehöriger nach dem Assoziationsrecht nicht fordern (BeckOK AuslR/Maor AufenthG § 4 Rn. 44-47, beck-online). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Praxis der Ausländerbehörden, die – deklaratorischen – Aufenthaltserlaubnisse nach § 4 Abs. 5 AufenthG nur befristet auszustellen, bisher vom EuGH beanstandet wurde. Selbst in den Fällen eines Daueraufenthaltsrechts nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 ist eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG für eine Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren (BVerwG, Urteil vom 22.5.2012 – 1 C 6.11 -, BVerwGE 143, 150-160), jedoch nicht unbefristet zu erteilen und auch eine langfristige Aufenthaltsberechtigung-EG verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht zur Ausstellung eines unbefristeten Aufenthaltstitels (Art 8 Abs. 2 RiLi 2003/109/EG). Aus dem der assoziationsrechtlich gewährten Rechtsstellung innewohnenden Zweck der Integration türkischer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates ergibt sich deshalb kein zwingender Grund, deren Wirkungen den Rechtswirkungen eines unbefristeten nationalen Aufenthaltstitels gleichzustellen.

Dem entsprechen die Wertungen des nationalen Aufenthaltsrechts, wonach sich Aufenthaltsrechte, die auf unbefristeten Aufenthaltstiteln beruhen, von den aus der Erteilung befristeter Aufenthaltstitel herrührenden Aufenthaltsrechten grundsätzlich dadurch unterscheiden, dass deren Fortgeltung nicht vom Fortbestehen des der Erteilung zugrundeliegenden Aufenthaltszwecks abhängig ist. Dass ausnahmsweise in den Fällen des § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG bei einem unbefristeten Aufenthaltstitel im Hinblick auf den Wegfall des Aufenthaltszwecks eine Widerrufsmöglichkeit besteht (§ 52 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AufenthG), steht dieser grundsätzlichen Wertung nicht entgegen. Auch Aufenthaltszwecke, die in der Regel auf Dauer angelegt sind, wie etwa der Ehegatten- oder Familiennachzug zu Deutschen oder zu Ausländern mit Daueraufenthaltsrecht, bewirken zunächst grundsätzlich kein unbefristetes Aufenthaltsrecht, vielmehr ist die Verlängerung des das Aufenthaltsrecht begründenden Aufenthaltstitels vom Fortbestand der anspruchsbegründenden Voraussetzungen abhängig. Erst bei Hinzutreten weiterer Integrationsmerkmale (vgl. §§ 9 Abs. 2, 9a Abs. 2 AufenthG) kann sich das Aufenthaltsrecht vom ursprünglichen Aufenthaltszweck lösen und zu einem Daueraufenthaltsrecht werden. Gerade wegen der nicht vollständigen Erfüllung dieser weiteren Integrationsmerkmale konnte dem Vater des Klägers bisher kein Daueraufenthaltsrecht gewährt werden.

b) Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht gegen die Annahme, dass die sich aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ergebende Rechtsstellung vom Regelungsbereich des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG umfasst sein sollte:

Durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618) wurde mit § 4 Abs. 3 StAG erstmals zum Teil das Geburtsortsprinzip eingeführt. Diese Urfassung des § 4 Abs. 3 verlangte von einem ausländischen Elternteil neben einem mindestens achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt den Besitz entweder einer Aufenthaltsberechtigung oder den mindestens dreijährigen Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Dr. 14/533, S. 14) sollte damit ein verfestigter Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland belegt sein. Die Aufenthaltsdauer von mindestens 8 Jahren sollte zusammen mit dem Besitz eines unbefristeten Aufenthaltsrechts im Zeitpunkt der Geburt die Grundlage für die Integrationsprognose des Kindes bilden (Renner in Hailbronner/Renner Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 4 StAG Rn. 78).

Im Zuge des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I. S. 1950) wurde § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG, gültig ab dem 1.1.2005, neu gefasst. Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut:

"2. freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger oder gleichgestellter Staatsangehöriger eines EWR-Staates ist oder eine Aufenthaltserlaubnis-EU oder eine Niederlassungserlaubnis besitzt."

Nach der Gesetzesbegründung sollte die Funktion der Sicherstellung eines verfestigten Aufenthalts nunmehr durch die Niederlassungserlaubnis übernommen werden. Ferner wurden die Regelungen für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen sowie nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU gleichgestellte Personen berücksichtigt (BT-Drs. 15/420, S. 116). Ab diesem Zeitpunkt wurde bei Unionsbürgern und EWR-Staatern der Besitz eines formellen Titels nicht mehr vorausgesetzt. Assoziationsberechtigte Türken waren den Unionsbürgern nicht gleichgestellt (Renner in Hailbronner/Renner Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 4 StAG Rn. 80). Die gegenteilige Auffassung (Marx in GK StAR § 4 Rn. 328.) stand nicht in Einklang mit dem Gesetzeswortlaut, denn das Gesetz in der ab dem 1.1.2005 geltenden Fassung erfasste neben Unionsbürgern nur diesen gleichgestellte Bürger von EWR-Staaten, zu denen die Türkei nicht gehörte.

Die der aktuellen Fassung vorangegangene durch Art. 6 Nr. 9 des Gesetzes vom 14. März 2005 (BGBl. I S. 721) geänderte Fassung enthielt eine Änderung nur im Hinblick auf die Staatsangehörigen der Schweiz und hatte damit auf die Rechtsstellung der Kinder von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen keine Auswirkung.

Bei der durch das Gesetz vom 19. August 2007 vollzogenen Neufassung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG sollte es sich nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/5065, S. 227) nur um redaktionelle Änderungen handeln. Dort heißt es:

"[I]n Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 wird zur besseren Lesbarkeit der Vorschrift auf ein bestehendes unbefristetes Aufenthaltsrecht (das auch die Niederlassungserlaubnis sowie z. B. die Aufenthaltskarte für freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, einschließt) abgestellt und, abgesehen von der vertragsrechtlichen Regelung für die freizügigkeitsberechtigten Schweizer, auf die bisher vorgesehene Aufzählung von Aufenthaltsstatus und -titeln verzichtet, zumal nach europarechtlichen Vorgaben ein Recht nicht vom Vorhandensein einer lediglich deklaratorischen Bescheinigung (wie z. B. Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte) abhängig gemacht werden darf."

Diese Begründung liefert keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs "unbefristetes Aufenthaltsrecht" den Kreis der Berechtigten auf die nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 Berechtigten, im Vergleich zur vorhergehenden Gesetzesfassung, deren Wortlaut diese Fälle eindeutig nicht erfasste, erweitern wollte (vgl. ebenso Marx GK-StAR § 4 StAG Rn. 290). Lediglich für Familienangehörige von Unionsbürgern sollte die Änderung des Wortlauts eine Klarstellung bedeuten. Vielmehr ergibt sich aus der Begründung nur, dass der Gesetzgeber ein durch Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels erworbenes Aufenthaltsrecht oder das Aufenthaltsrecht der freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger und das Aufenthaltsrecht der diesen gleichgestellten Staatsangehörigen eines EWR-Staates als unbefristetes Aufenthaltsrecht ansieht.

Der gegenteiligen Auffassung, wonach das Gesetz vom 19.8.2007 (auch) hinsichtlich der Assoziationsberechtigten nicht nur eine redaktionelle Änderung, sondern eine materiell bedeutsame Neuerung erbracht habe (HK-AuslR-Oberhäuser, 2008, § 4 StAG Rn. 18, 19; im Ergebnis auch Marx GK-StAR § 4 StAG Rn. 328), folgt der Senat nicht. Das auf die Gesetzesbegründung Bezug nehmende Argument, wonach auch das Aufenthaltsrecht der Assoziationsberechtigten von der Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung unabhängig sei (HK-AuslR-Oberhäuser, 2008, § 4 StAG Rn. 18, 19), überzeugt nicht, denn allein dieser Umstand zwingt nicht zu einer über den Wortlaut des Gesetzes und dessen Begründung hinausgehenden Gleichstellung von Assoziationsberechtigten einerseits und EU-Bürgern und deren Familienangehörigen andererseits. Zwar gehen die Bundesregierung und auch einige Bundesländer ausweislich ihrer vorläufigen Anwendungshinweise zum Gesetz vom 19.8.2007 bzw. zum Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei davon aus, dass ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG auch bei einem Aufenthaltsrecht nach Art. 6 und Art. 7 ARB 1/80 vorliege (Vorl. Anwendungshinweise BMI 4.3.1.3 bei GK-StAR VII-3, vgl. auch AAH-ARB 1/80 vom 26. November 2013, S. 18; Erlass BaWü bei GK-StAR VII-2-B-vor § 1 <Nr. 1>; Erlass Hessen bei GK-StAR VII-2-Hvor § 1 <Nr. 2>); diese Rechtsauffassung wird auch durch die Antwort der Bundesregierung vom 4.6.2010 (BT.-Drs. 17/1927, S. 5, vgl. Bl. 21 ff. der Gerichtsakte) auf eine kleine parlamentarische Anfrage von Abgeordneten der Linken bestätigt. Die Gerichte sind an diese Anwendungshinweise jedoch nicht gebunden.

c) Auch aus Sinn und Zweck der Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG ergibt sich kein zwingender Grund für die Einbeziehung der Kinder von Eltern, die eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 innehaben. Die Grundlage für die positive Integrationsprognose des Kindes ist durch den mindestens achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt eines Elternteils (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG) gelegt. Die Qualität des dem Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt zustehenden Aufenthaltsrechts (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG) soll diese positive Prognose verstärken. Dabei bestätigen die nationalen unbefristeten Aufenthaltstitel in der Regel eine erfolgreiche Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland (für die Niederlassungserlaubnis vgl. BVerwG, Urteil vom 28.4.2015 – 1 C 21.14, NVwZ 2015, 1448). Im Hinblick auf die wirtschaftliche und soziale Integration des Elternteils gelten dabei strengere Anforderungen als für die Aufenthaltsrechte nach europäischem Recht, für die in der Regel auch eine für die Bestreitung des Lebensunterhalts nicht auskömmliche Beteiligung am Erwerbsleben unabhängig von den vorhandenen Sprachkenntnissen ausreicht. Das Assoziationsratsabkommen dient dagegen ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken und beschränkt sich deshalb auf die schrittwiese Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 8.12.2011 – C-371/08, Ziebell – Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 28.4.2015 – 1 C 21.14 -, a.a.O.). Die Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 allein kann den Integrationserfolg noch nicht belegen. Sie ist auch im Hinblick auf die Chancen am Arbeitsmarkt erheblich schwächer als die Rechtsstellung freizügigkeitsberechtiger Unionsbürger. Eine Gleichstellung der Kinder von Assoziationsberechtigten mit den Kinder von Inhabern einer Niederlassungserlaubnis sowie Unionsbürgern und deren Familienangehörigen im Hinblick auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist daher nicht geboten. [...]