VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 27.05.2016 - 6 L 276.16.A - asyl.net: M23904
https://www.asyl.net/rsdb/M23904
Leitsatz:

Aufgrund der Einordnung Serbiens als sicheren Drittstaat durch Ungarn besteht bei Überstellung die Gefahr eines Verstoßes gegen das Refoulement-Verbot. Darüber hinaus bestehen in Ungarn systemisch mangelhafte Aufnahmebedingungen. (Sich anschließend an: VG Berlin, Urteil vom 10.12.2015 - 9 K 87.15 A - asyl.net: M23914 mit zahlreichen weiteren Nachweisen und sich anschließend an VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 02.12.2015 - 22 K 3263/15.A - asyl.net/Dublin: M23373)

Schlagwörter: Suspensiveffekt, Dublinverfahren, Ungarn, Refoulement, Serbien, Dublin III-Verordnung, systemische Mängel, Serbien, sichere Drittstaaten, Zurückschiebung, Aufnahmebedingungen, aufschiebende Wirkung, unmenschliche Behandlung, erniedrigende Behandlung, Zurückschiebungsverbot, Refoulement, Non-Refoulement, sichere Drittstaaten,
Normen: AsylG § 34a Abs. 2, VO 343/2013 Art. 3 Abs. 2 S. 2, 2, VO 343/2013 Art. 3 Abs. 2 S. 3, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4, VwGO § 80 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Grundsätzlich ist Ungarn - derzeit - als zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens anzusehen […].

Gegenwärtig sind jedoch Umstände für einen Ausnahmefall erkennbar, der die Antragsgegnerin zur Fortsetzung der Prüfung bzw. eigenen Durchführung des Asylverfahrens gemäß Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin III-VO verpflichtet, nachdem der Antragsteller am 24. September 2015 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt hat. [...]

Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller bei einer Überstellung nach Ungarn in Folge einer Zurückschiebung einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechtecharta ausgesetzt sein wird.

Nach den aktuell verfügbaren Erkenntnissen besteht für den Antragsteller im Falle seiner Überstellung nach Ungarn jedenfalls die Gefahr eines Verstoßes gegen das sogenannte Zurückschiebungsverbot (Non-Refoulement) (vgl. VG Berlin, Urteil vom 10. Dezember 2015 - VG 9 K 87.15 A - juris Rn. 14 ff.; VG Berlin, Urteil vom 4. März 2016 - VG 23 K 26.16 A- juris Rn. 17 ff.). Durch die gesetzliche Wiedereinführung des Konzepts sicherer Drittstaaten unter Einbeziehung Serbiens zum 1. August 2015 in Ungarn besteht die ernsthafte Besorgnis, dass Asylbewerber ohne inhaltliche Prüfung ihrer Asylgründe aus Ungarn nach Serbien abgeschoben werden. Es besteht die konkrete Gefahr, dass diese Prüfung auch in Serbien nicht erfolgen wird bzw. es zu einer Weiterüberstellung nach Griechenland kommt. Hierbei ist aufgrund der Angaben des Antragstellers davon auszugehen, dass der Antragsteller - wie 99 % der bis September 2015 in Ungarn eingetroffenen Asylsuchenden (vgl. Ecre/Aida, Crossing Boundaries, S. 12) - über Serbien nach Ungarn eingereist ist. Soweit es in der Auskunft des Liaison-Mitarbeiters des Bundesamtes beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft vom 17. Februar 2016 (vgl. Auskunft an die 3. Kammer des VG Berlin, S. 7) heißt, Serbien lehne seit dem 18. September 2015 Übernahmeersuchen Ungarns ab, steht für den Einzelrichter bei summarischer Prüfung nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass dieser Zustand länger andauert. Immerhin dürfte es sich hierbei um rechtswidriges Verhalten Serbiens handeln, bei dem offensichtlich die Regelungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Serbien über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (ABl. L 334/2007, S. 46 f.) nicht eingehalten werden (vgl. hierzu VG Berlin, Urteil vom 4. März 2016 - VG 23 K 26.16 – a.a.O.).

Zudem ergibt sich aus einem jüngeren Bericht des UNHCR, dass durchaus noch im Jahr 2016 Rücküberstellungen nach Serbien vollzogen wurden (vgl. UNHCR, Hungary as a country of asylum. Observations on restrictive legal measures and subsequent practice implemented between July 2015 and March 2016, Mai 2016, S. 25). Des weiteren ist jüngeren Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass Ungarn wieder die Überstellungen nach Griechenland aufnimmt (vgl.: www.asylumineurope.org/news/12-05-2016/hungary-reinstating-dublin-transfers-greece). Eine Überstellung nach Griechenland hält auch die Antragsgegnerin für unzulässig.

Darüber hinaus würde der Antragsteller nach der aktuellen Erkenntnislage (weiterhin) auf systemisch mangelhafte Aufnahmebedingungen treffen. Den Ausführungen der 9. Kammer hierzu in ihrem Urteil vom 10. Dezember 2015 (VG 9 K 87.15.A, a.a.O) schließt sich der Einzelrichter nach eigener Prüfung an. [...]