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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 22.06.2017 - V ZB 8/17 (Asylmagazin 1-2/2018, S. 58) - asyl.net: M25354
https://www.asyl.net/rsdb/M25354
Leitsatz:

Zum Erfordernis hinreichender Angaben zur erforderlichen Haftdauer:

1. Im Hinblick darauf, dass die Haftdauer nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf den kürzestmöglichen Zeitraum zu begrenzen ist, kann die Angabe einer Höchstdauer ("bis zu") unzureichend sein.

2. Die Angabe einer Höchstdauer ("bis zu") kann die Erforderlichkeit der Haftdauer für den konkreten Antrag nicht begründen, weil nicht erkennbar wird, ob es sich bei der Dauer von fünf Monaten um den Regel- oder um einen seltenen Ausnahmefall handelt.

3. Variiert die Dauer der Passersatzbeschaffung für das betreffende Zielland bei Anwendung desselben Verfahrens, ist die Behörde daher gehalten, in dem Haftantrag den Zeitraum anzugeben, den sie nach den allgemeinen Rahmenbedingungen und den konkreten Umständen im Fall des Betroffenen voraussichtlich benötigen wird.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Zurückweisungshaft, unerlaubte Einreise, Einreiseverweigerung, Haftdauer, Passbeschaffung, Begründungserfordernis, Haftantrag,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, AufenthG § 62 Abs. 1 Satz 2
Auszüge:

[...]

a) In dem Antrag wird ausgeführt, dass für die Passersatzbeschaffung, an der der Betroffene nicht mitwirke, durch das zuständige Referat der beteiligten Behörde die nötigen Unterlagen besorgt und bei der pakistanischen Botschaft eingereicht werden müssten. Danach würden diese nach Pakistan versandt, um dort über die Fingerabdrücke die zugeteilte Personalnummer zu erfahren. Erst mit dieser könne die Botschaft einen Pass ausstellen. Nach Angaben des zuständigen Referats dauere die Passbeschaffung in Pakistan nach diesem Verfahren derzeit "bis zu 5 Monate". Nach Ausstellung des Passersatzes könne mit der Flugbuchung begonnen werden, die vorliegend nur als Charter- bzw. Frontexabschiebung möglich sei. Mit einer Bestätigung des Fluges sei innerhalb eines Monats zu rechnen.

b) Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft nicht nur in Verfahren der Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, sondern allgemein nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 10), unzureichend (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2016 - V ZB 8/15, juris Rn. 7; Beschluss vom 31. März 2017 - V ZB 74/17, juris Rn. 2; Beschluss vom 1. Juni 2017 - V ZB 39/17, zur Veröffentlichung bestimmt). Die Angabe einer Höchstdauer ("bis zu") kann die Erforderlichkeit der Haftdauer für den konkreten Antrag nicht begründen, weil nicht erkennbar wird, ob es sich bei der Dauer von fünf Monaten um den Regel- oder um einen seltenen Ausnahmefall handelt. Variiert die Dauer der Passersatzbeschaffung für das betreffende Zielland bei Anwendung desselben Verfahrens, ist die Behörde daher gehalten, in dem Haftantrag den Zeitraum anzugeben, den sie nach den allgemeinen Rahmenbedingungen und den konkreten Umständen im Fall des Betroffenen voraussichtlich benötigen wird.

c) Der Mangel wurde im weiteren Verfahren nicht geheilt, da weder die Haftrichterin noch das Beschwerdegericht ergänzende Feststellungen zur erforderlichen Dauer der Haft getroffen haben. Das Beschwerdegericht hat zwar den erforderlichen Haftzeitraum mit "etwa fünf Monaten" angegeben. Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese von den Angaben im Haftantrag abweichende Formulierung auf einer ergänzenden Sachaufklärung beruht. Zudem hätte der Betroffene zu etwaigen ergänzenden Angaben der Behörde persönlich angehört werden müssen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Juli 2014 V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff., vom 11. Februar 2016 V ZB 24/14, juris Rn. 9 und vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, juris Rn. 9). [...]