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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 27.09.2017 - V ZB 26/17 - asyl.net: M25616
https://www.asyl.net/rsdb/M25616
Leitsatz:

Kein Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung bei geringfügigen Straftaten erforderlich:

Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung ist nach § 72 Abs. 4 S. 4 AufenthG nicht erforderlich, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dieses liegt bei begleitenden Straftaten wie das Erschleichen von Leistungen nach § 265a StGB vor (§ 72 Abs. 4 S. 5 AufenthG). Das Einvernehmen ist jedoch erforderlich, wenn ein Strafgesetz durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt worden ist (§ 72 Abs.4 S. 5 Hs. 2 AufenthG).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, begleitete Abschiebung, Haftanordnung, Haftantrag, Sachaufklärungspflicht, Amtsermittlung, Untersuchungsgrundsatz, Heilung, Strafverfahren, Staatsanwaltschaft, Begründungserfordernis, Begründung, Verteidigung, Durchführbarkeit, Abschiebung, Ermittlungsverfahren, Unzulässigkeit, Erschleichen von Leistungen,
Normen: AufenthG § 72 Abs. 4 S. 1, § 72 Abs. 4 S. 3, StGB § 265a,
Auszüge:

[...]

1. Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - von den Ausnahmen gemäß § 72 Abs. 4 Satz 3 bis 5 AufenthG abgesehen - nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden. Fehlt dieses Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus. [...]

2. Vor diesem Hintergrund rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass für die Abschiebung u.a. das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Passau erforderlich gewesen sei, weil sich aus den in Bezug genommenen Ausländerakten ergibt und auch von der beteiligten Behörde im Rahmen ihrer Erwiderung nicht in Abrede gestellt wird, dass im Zeitpunkt der Haftanordnung gegen den Betroffenen bei der Staatsanwaltschaft Passau ein Ermittlungsverfahren wegen mehrerer Fälle des Erschleichens von Leistungen (§ 265a StGB) anhängig war. Eine Zustimmung dieser Staatsanwaltschaft zu der Abschiebung des Betroffenen ist aber nicht festgestellt. Sie war auch nicht gemäß § 72 Abs. 4 Satz 3 bis 5 AufenthG entbehrlich. Zwar bedarf es hiernach des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist u.a. bei begleitenden Straftaten gemäß § 265a StGB zu bejahen, es sei denn, das Strafgesetz ist durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt worden. Letzteres ist hier aber der Fall. [...]