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Landesbehörden, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 26.08.2019 - 78 008-00001/2019-001 Dok.-Nr.: 2019/034844 - asyl.net: M27581
https://www.asyl.net/rsdb/M27581
Leitsatz:

Integrationsministerium Rheinland-Pfalz: Voraussetzungen für Überbrückungsleistungen, Annahme eines Härtefalls und Leistungskürzungen:

1. Vollziehbar ausreisepflichtige Personen, denen bereits in einem anderen Dublin-Staat internationaler Schutz gewährt wurde, haben lediglich Anspruch auf Überbrückungsleistungen gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG. Personen mit Duldung fallen nicht hierunter, auch wenn sie aus Perspektive des Aufenthaltsrechts ausreisepflichtig sind. Ihnen sind weiterhin Grundleistungen zu gewähren.

2. Eine Person ist in der Regel ab dem Zeitpunkt der Zustellung des ablehnenden BAMF-Bescheids vollziehbar ausreisepflichtig. Denn die Abschiebungsandrohung ist nach § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbar und ein erfolgreicher gerichtlicher Eilantrag beseitigt deren Vollziehbarkeit erst rückwirkend. Ist eine ausreisepflichtige Person bis zum Ablauf der einwöchigen Ausreisefrist nicht ausgereist und kann sie nicht abgeschoben werden, etwa weil die Zustimmung des schutzgewährenden Staates zur Rückübernahme noch nicht vorliegt, Passersatzpapiere beschafft werden müssen oder sonstige Duldungsgründe vorliegen, ist eine Duldung zu erteilen. Es ist auch eine Duldung zu erteilen, wenn ein gerichtlicher Eilantrag gestellt wurde, da dann die Abschiebung nach § 36 Abs. 3 S. 8 AsylG nicht vollzogen werden kann. Überbrückungsleistungen sind dann wieder einzustellen und reguläre Grundleistungen nach dem AsylbLG zu gewähren.

3. Der Zwei-Wochen-Zeitraum beginnt mit erstmaligem Einsetzen der Überbrückungsleistungen. Darüber hinaus können in Härtefällen Leistungen über den Zeitraum von zwei Wochen hinaus oder dem Umfang nach weitergehende Leistungen erbracht werden. Die Annahme eines Härtefalls orientiert sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherstellung des verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - asyl.net: M19839).

a. Eine Härte hinsichtlich des Leistungsumfangs ist bei (Mehr-)Bedarfen vulnerabler Personen im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie wie Minderjährigen, Personen mit Behinderung, Schwangeren oder Personen mit Traumatisierung anzunehmen. Dies kann Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 3 Abs. 4 AsylbLG sowie im Einzelfall unerlässliche Bedarfslagen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG zur Sicherung des Lebensunterhalt oder der Gesundheit umfassen.

b. Eine Härte bei der über den Zeitraum von zwei Wochen hinaus Leistungen erbracht werden, liegt im Einzelfall vor, wenn keine Duldung erteilt wurde und Obdachlosigkeit, Hunger sowie sonstige Beeinträchtigungen von Leib und Leben drohen.

4. Trotz entgegenstehendem Wortlaut muss bei Leistungskürzungen der besondere Bedarf vulnerabler Personen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG gewährleistet werden. Denn die EU-Aufnahmerichtlinie lässt das Absenken der medizinischen Versorgung bzw. den Ausschluss der Berücksichtigung der besonderen Bedarfe vulnerabler Personen nicht zu, sodass deren Art. 19 unmittelbar angewendet wird. Umfasst sind Personen im Asylverfahren sowie nach Abschluss des Asylverfahrens, wenn die Person der Dublin-Verordnung unterfällt und in den zuständigen Staat überstellt werden soll. Nicht umfasst sind Personen, denen internationaler Schutz in einem anderen Mitgliedsstaat zuerkannt wurde, da die EU-Aufnahmerichtlinie hier keine Anwendung findet.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Erlass, Rheinland-Pfalz, Sozialrecht, Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Überbrückungsgeld, Duldung, Härtefall, Leistungskürzung, EU-Aufnahmerichtlinie, vulnerable Personen, internationaler Schutz in EU-Staat, Ausreisepflicht, Mehrbedarf
Normen: AsylbLG § 1 Abs. 4 S. 1, AsylbLG § 1a, AsylG § 75 Abs. 1, AsylG § 36 Abs. 3 S. 8, AsylbLG § 3 Abs. 4, AsylbLG § 6 Abs. 1, RL 2003/9/EG Art. 19,
Auszüge:

[...]

Die Überbrückungsleistungen nach § 1 Abs. 4 AsylbLG sind eine eigene neue Leistungsart innerhalb des AsylbLG.

Nach § 1 Abs. 4 S. 1 AsylbLG haben vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, denen bereits von einem anderen EU-Mitgliedstaat oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von § 1a Abs. 4 S. 1 AsylbLG internationaler Schutz gewährt wurde, der fortbesteht, keinen Anspruch auf AsylbLG-Leistungen. Diesen Personen werden im Falle ihrer Hilfsbedürftigkeit nach Satz 2 lediglich gekürzte Überbrückungsleistungen gewährt, die zeitlich auf zwei Wochen beschränkt sind.

- Die Überbrückungsleistungen werden zudem nach § 1 Abs. 4 S. 2 AsylbLG nur einmalig innerhalb von zwei Jahren gewährt. Die Zweijahresfrist beginnt mit dem erstmaligen Erhalt der Überbrückungsleistungen.

- Internationaler Schutz iSd Abs. 4 umfasst nach Maßgabe des Art. 2 a) der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie) den Schutz vor Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie den internationalen subsidiären Schutz.

- Ausländerinnen und Ausländer, für deren Asylverfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein anderer Staat zuständig ist („Dublin-Fälle“), sind daher nicht von den Überbrückungsleistungen nach § 1 Abs. 4 AsylbLG erfasst, sondern erhalten reguläre AsylbLG-Leistungen.

Überbrückungsleistungen können ausschließlich vollziehbar Ausreisepflichtigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG gewährt werden, d.h. Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist.

- Geduldete Leistungsbeziehende nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 AsylbLG, auch wenn geduldete Personen aus der Perspektive des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) weiterhin ausreisepflichtig sind (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Es sind grds. Grundleistungen nach §§ 3, 3a (n.F.) AsylbLG zu gewähren.

In diesem Zusammenhang weise ich bzgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG auf Folgendes hin:

- Mit der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erlischt die Aufenthaltsgestattung idR nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 Asylgesetz (AsylG). Ab Zeitpunkt der Zustellung des ablehnenden BAMF-Bescheides unterfallen die o.g. Leistungsberechtigten daher in der Regel nicht mehr § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG, sondern der Nr. 5.

- Für den hier maßgebenden Personenkreis erfolgt die Ablehnung des Asylantrags idR auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AsylG und die Abschiebungsandrohung ist nach § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbar, auch wenn die Abschiebung selbst erst nach Ablauf der einwöchigen Ausreisefrist nach § 36 Abs. 1 AsylG vollzogen werden darf.

- Ein erfolgreicher gerichtlicher Eilantrag beseitigt indes rückwirkend die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung und lässt die Aufenthaltsgestattung rückwirkend wieder entstehen.

- Ist die ausreisepflichtige Person bis zum Ablauf der Ausreisepflicht nicht ausgereist und kann sie nach Ablauf der Ausreisefrist nicht abgeschoben werden, etwa weil die Zustimmung des schutzgewährenden Staates zur Rückübernahme noch nicht vorliegt, Pass(-ersatz)papiere beschafft werden müssen oder sonstige Duldungsgründe vorliegen, ist eine Duldung zu erteilen und die Überbrückungsleistungen sind einzustellen und reguläre AsylbLG-Leistungen zu gewähren. Gleiches gilt wegen § 36 Abs. 3 S. 8 AsylG nach fristgerechter Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO.

II. Rechtsfolgen

Die Überbrückungsleistungen sollen nach Satz 5 als Sachleistungen erbracht werden und umfassen nach Satz 4 nur noch

- Leistungen nach § 1a Abs. 1 S. 1 AsylbLG zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege sowie

- Leistungen nach § 4 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 AsylbLG.

- In begründeten Ausnahmefällen können einzelne Bedarfe oder Abteilungen als Geldleistungen gewährt werden.

- Die Überbrückungsleistungen werden bis zur Ausreise erbracht und sind grundsätzlich auf zwei Wochen beschränkt, sofern kein Härtefall nach Satz 6 vorliegt.

- Das Gesetz knüpft den Beginn des Zwei-Wochen-Zeitraumes, in dem Überbrückungsleistungen gewährt werden, nicht an die Bekanntgabe oder Bestandskraft der BAMF-Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Der Beginn des Zwei-Wochen-Zeitraums richtet sich nach dem erstmaligen Einsetzen der

Nach § 1 Abs. 4 S. 6 AsylbLG sind in Härtefällen (ggfs. kumulativ) Leistungen

- über den Zeitraum von zwei Wochen hinaus zu erbringen bzw.

- dem Umfang nach weitergehende Leistungen als nach Satz 4 zu gewähren.

Da die Gesetzesbegründung die Voraussetzung für die Annahme eines Härtefalls nicht konkretisiert (vgl. BT-Drs. 19/10047, S. 51), ergehen zur Sicherstellung des verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10) nachfolgende Hinweise zur Auslegung des Ausnahmetatbestandes nach § 1 Abs. 4 S. 6 AsylbLG:

1. Härtefallklausel nach § 1 Abs. 4 S. 6, 1. Hs AsylbLG

Soweit es die besonderen Umstände des Einzelfalls erfordern, werden im Rahmen der Überbrückungsleistung zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 AsylbLG gewährt.

- Eine besondere Härte nach Satz 6, 1. Hs. AsylbLG ist in der Regel naheliegend hinsichtlich der spezifischen (Mehr-) Bedarfe vulnerabler Personen (in Anlehnung an Art. 21 der EU-Aufnahmerichtlinie RL 2013/33/EU) wie Minderjähriger, behinderter Personen, Schwangerer oder traumatisierter Personen. Dies umfasst beispielsweise auch die Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach § 3 Abs. 4 AsylbLG.

- Darüber hinaus sind regelmäßig solche Bedarfslagen als Härtefälle zu qualifizieren, die – in entsprechender Anwendung der Voraussetzung des § 6 Abs. 1 AsylbLG – im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind.

2. Härtefallklausel nach § 1 Abs. 4 S. 6, 2. Hs. AsylbLG

Außerdem werden im Einzelfall, soweit dies auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist, Leistungen über einen Zeitraum von zwei Wochen hinaus erbracht.

Sofern nicht nach Maßgabe der obigen Ausführungen bis zur Vollziehung der Rückführung bzw. der freiwilligen Ausreise eine Duldung erteilt wird, ist vorbehaltlich der Prüfung der Umstände des Einzelfalles davon auszugehen, dass hilfsbedürftige, vollziehbar Ausreisepflichtige im Sinne von § 1 Abs. 4 AsylbLG auch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist im Rahmen der Härtefallregelung nach Satz 6, 2. Hs. Überbrückungsleistungen bis zur tatsächlichen Ausreise zu gewähren sind, um diese Personen vor Obdachlosigkeit, Hunger sowie sonstigen Beeinträchtigung von Leib und Leben zu schützen und so das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum sicherzustellen. [...]

In Ergänzung zum Rundschreiben vom 3. August 2016 zur Gewährung medizinischer und anderer Hilfen an schutzbedürftige Personen nach den Vorgaben der EU-Aufnahmerichtlinie (Az. 78 622-00009/2016-002) weise ich Sie im Zusammenhang mit dem Vollzug von Leistungskürzungen im AsylbLG auf Folgendes hin:

Im Fall einer Leistungskürzung, deren Umfang sich nunmehr einheitlich nach Maßgabe des § 1a Abs. 1 AsylbLG richtet, ist § 6 Abs. 1 AsylbLG nicht (mehr) anwendbar, so dass eine leistungsrechtliche Berücksichtigung besonderer Bedarfslage – speziell von vulnerablen Personengruppen – im nationalen Rechts nicht mehr durchgehend gewährleistet ist.

Demgegenüber lässt die EU-Aufnahmerichtlinie im Falle einer Leistungskürzung ein Absenken der medizinischen Versorgung bzw. den Ausschluss der Berücksichtigung der besonderen Bedarfe vulnerabler Personen nicht zu.

Zur Sicherstellung der Einhaltung der zwingenden Vorgaben des europäischen Rechts bei der Anwendung des AsylbLG und mit Blick auf die abgelaufene Frist zur vollständigen Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie in das nationale Recht weise ich Sie auf die (das AsylbLG ergänzende) unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 19 RL 2013/33/EU hin. Richtlinien entfalten ausnahmsweise eine unmittelbare Wirkung, wenn nach Ablauf der Umsetzungsfrist keine ausreichende Umsetzung in das nationale Recht erfolgt ist und die Vorgaben der Richtlinie, klar und genau formuliert, bedingungsunabhängig und ihrem Wesen nach geeignet sind, unmittelbare Wirkungen zu entfalten und es zu ihrer Ausführung keiner weiteren Rechtsvorschriften bedarf (EuGH Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 – "Van Duyn“; Rs. 152/84 Slg. 1986, 723 f. - "Marshall"). Diese Voraussetzungen sind vorliegend hinsichtlich Art. 19 RL 2013/33/EU gegeben. [...]

- Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen iSd Art. 19 Abs. 2 RL 2013/33/EU sind nach Art. 22 Abs. 3 RL 2013/33/EU nur schutzbedürftige Personen nach Maßgabe von Art. 21 RL 2013/33/EU.

Die EU-Aufnahmerichtlinie wirkt in den nachfolgend genannten Konstellationen neben dem AsylbLG – europarechtlich zwingend – unmittelbar anspruchsbegründend:

I. Voraussetzung für die unmittelbare Anwendung der EU-Aufnahmerichtlinie

1. Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 AsylbLG, gegen die eine wirksame Leistungskürzung im Rahmen des AsylbLG verhängt wurde, und zwar entweder

a.) während des Asylverfahrens, d.h. zwischen Äußerung des Asylgesuchs und rechts- oder bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens (Personen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 1a AsylbLG),

b.) oder nach Abschluss des Asylverfahrens, wenn der oder die Leistungsberechtigte als vollziehbare ausreisepflichtige (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) oder geduldete Person (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) der Dublin-VO unterfällt und in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden sollen. [...]

2. Bestehen eines Bedarfs, der nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 1 oder 2 RL 2013/33/EU zu decken ist, jedoch entweder nach § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG bzw. oder aufgrund einer Leistungskürzung im Umfang des § 1a Abs. 1 AsylbLG aufgrund des Ausschlusses des § 6 Abs. 1 AsylbLG entgegen der europarechtlich zwingend vorgesehenen Leistungen nicht (mehr) gedeckt würde.

a.) Hinsichtlich Art. 19 Abs. 1 RL 2013/33/EU ist zu bemerken, dass hier weitergehend auf die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen abgestellt wird, während § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG – insoweit enger – auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände begrenzt ist. Soweit aufgrund der Restriktion des § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG bestimmte Krankheiten nicht erfasst sind, ist nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 1 RL 2013/33/EU zu verfahren. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach Art. 17 Abs. 2 RL 2013/33/EU, die physische und psychische Gesundheit der Antragsteller sicherzustellen ist, so dass ggfs. nach Art. 19 Abs. 1 RL 2013/33/EU auch Leistungen zu gewähren sind, sofern diese krankheitsbedingt zum Erhalt der Gesundheit unerlässlich sind.

b.) Hinsichtlich der nach Art. 19 Abs. 2 RL 2013/33/EU zu gewährenden erforderlichen medizinischen oder sonstigen Hilfe ist zu beachten:

- Die Erforderlichkeit iSd Art. 19 Abs. 2 RL 2013/33/EU setzt einen inneren Zusammenhang (Konnex) zwischen dem besonderen Bedürfnis des Antragsstellers bzw. der Antragstellerin nach Art. 22 Abs. 3, 21 RL 2013/33/EU und der beantragten, medizinischen oder sonstigen Hilfe voraus.

- Die begehrte Hilfe muss objektiv geeignet sein, der individuellen Schutzbedürftigkeit Rechnung zu tragen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die sich aus der Schutzbedürftigkeit ergebenden Folgen durch die Hilfeleistung beseitigt, vermindert oder zumindest gelindert werden können.

- Existieren zwei gleichermaßen geeignete Hilfsalternativen, um den erstrebten Zweck zu erreichen, ist die kostengünstigere Alternative zu wählen.

- Insofern bemisst und begrenzt die individuelle Schutz- und Behandlungsbedürftigkeit des Antragstellers bzw. der Antragstellerin die Erforderlichkeit im Einzelfall.

- Die Aufschiebbarkeit der beantragten Hilfe – also die Möglichkeit, ohne Eintritt eines unmittelbaren Schadens die Behandlung zeitlich zu verzögern – stellt die Erforderlichkeit nach Art. 19 Abs. 2 RL 2013/33/EU nicht per se in Frage.

- Ergänzend verweise ich hinsichtlich der Auslegung des Art. 19 Abs. 2 RL 2013/33/EU auf das Rundschreiben vom 3. August 2016 (dort. II.3.).

II. Rechtsfolge

Gewährung der Leistung, die notwendig ist, um die essentiellen Garantien des Art. 19 RL 2013/33/EU sicherzustellen. [...]