Ob eine Person "flüchtig" ist, hängt von Umständen des Einzelfalls ab:
1. Die Frage, ob bei einem Verstoß gegen eine Stubenarrestverfügung eine Person "flüchtig" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, ist nicht grundsätzlich klärungsfähig.
2. Denn immer ist neben dem objektiven Element der Kausalität zwischen Abwesenheit und Nichtdurchführbarkeit der Überstellung auch ein subjektives Element erforderlich.
3. Dieser Wille, sich der Überstellung zu entziehen, kann im Einzelfall widerlegt werden, wenn die Person stichhaltige Gründe für ihre Abwesenheit darlegen kann und dadurch die Vermutung widerlegt, dass sie die Absicht hatte, sich den Behörden bzw. der eigenen Überstellung zu entziehen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits ergibt sich schließlich auch nicht in Bezug auf die von der Beklagten als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob bei einem Verstoß gegen eine "Nachtzeitverfügung" bzw. bei einem Nichtnachkommen der Anzeigepflicht, eine Person als flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO gelte; denn diese Frage ist nicht im eingangs genannten Sinn allgemeinverbindlich mit fallübergreifender Bedeutung klärungsfähig, da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt, deren Beantwortung stets maßgeblich durch die Umstände des Einzelfalls geprägt ist. Hierfür ist entscheidend, dass Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-III-VO nach der insoweit verbindlichen Auslegung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 2019 (- C - 163/17 - juris) dahingehend zu verstehen ist, dass ein Ausländer "flüchtig" im Sinne dieser Bestimmung ist, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um seine Überstellung zu vereiteln. Dies könne angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Ausländer die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über die Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet worden ist, was im Einzelfall gerichtlich zu prüfen sei. Bei alledem behält die betroffene Person aber die Möglichkeit nachzuweisen, dass sie den Behörden ihre Abwesenheit aus stichhaltigen Gründen nicht mitgeteilt und demzufolge nicht in der Absicht gehandelt hat, sich den Behörden zu entziehen. Da hiernach das Tatbestandsmerkmal des Flüchtigseins im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO im vorliegenden Kontext neben dem objektiven Element der Kausalität der Abwesenheit für die Nichtdurchführbarkeit der Überstellung subjektiv den Willen der betreffenden Person voraussetzt, sich den zuständigen Behörden und damit der eigenen Überstellung durch Abwesenheit zu entziehen und ihr diesbezüglich der Nachweis offensteht, dass stichhaltige Gründe für ihre Abwesenheit bestanden haben und sie daher nicht beabsichtigt hat, sich den Behörden bzw. der eigenen Überstellung durch ihre Abwesenheit zu entziehen, kann die aufgeworfene Frage niemals rein objektiv und unabhängig von einer im Einzelfall vorzunehmenden Bewertung der subjektiven Hintergründe fallübergreifend beantwortet werden. [...]