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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 25.08.2020 - XIII ZB 125/19 - asyl.net: M28911
https://www.asyl.net/rsdb/M28911
Leitsatz:

Unzulässiger Haftantrag aufgrund fehlender Ausführungen zur notwendigen Haftdauer:

1. Auch bei einer Haftdauer von dreieinhalb Wochen hat die beteiligte Behörde in ihrem Haftantrag die Notwendigkeit der Haftdauer konkret darzulegen. Eine Haftdauer von dreieinhalb Wochen ist nicht so kurz, dass sich die Notwendigkeit zur Organisation der geplanten Überstellung von selbst versteht.

2. Eine Heilung des mangelhaften Haftantrags durch ergänzende Angaben ist nur möglich, wenn die betroffene Person zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Überstellungshaft, Haftdauer, Haftantrag, Heilung, Verfahrensfehler, Anhörung,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[...]

2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts bis zu der am 16. September 2019 erfolgten Überstellung in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlt.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 12., Februar 2020 - XIII ZB 16/19, juris Rn. 7 mwN).

b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der beteiligten Behörde in ihrem Haftantrag zur erforderlichen Dauer der Haft nicht.

aa) Die beteiligte Behörde begründet die bis zum 27. September 2019 beantragte Haftdauer damit, dass das für die Abschiebung zuständige Landeskriminalamt eine Überstellung auf dem Landweg bis 20. September 2019 zugesichert habe. Sobald ein konkreter Überstellungstermin feststehe, teile man die Daten umgehend dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, damit die zu beachtenden fünf Werktage zwischen der Rückantwort und dem Überstellungstermin eingehalten würden. Das Bundesamt leite den Termin an die niederländischen Behörden weiter, um die Ankunft des Betroffenen bekanntzugeben. Ein gültiges Passersatzpapier liege bereits vor.

bb) Aus diesen Angaben ergibt sich nicht, weshalb die beteiligte Behörde eine Haftdauer von dreieinhalb Wochen für erforderlich hält. Erläutert wird nur, dass für die niederländischen Behörden eine Vorankündigungsfrist von fünf Werktagen einzuhalten sei. Von welchen weiteren Umständen - etwa der Verfügbarkeit von Personal und Einsatzfahrzeugen - der genaue Termin der Überstellung abhängt und weshalb die Überstellung aus Sicht der beteiligten Behörde bis spätestens 20. September 2019, aber nicht zu einem früheren Termin erfolgen kann, wird nicht dargelegt. Aus dem Haftantrag erschließt sich also nicht, wofür die weiteren 16 Werk- und 14 Arbeitstage bis zum 27. September 2019 - oder die zehn Werk- und neun Arbeitstage bis zum 20. September 2019 -, die über die Vorankündigungsfrist von fünf Werktagen hinaus beantragt werden, benötigt werden.

Vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), sind diese Angaben unzureichend. Die Haftdauer von dreieinhalb Wochen bis zum beantragten Haftende am 27. September 2019 und von zweieinhalb Wochen bis zum zugesagten spätesten Überstellungstermin am 20. September 2019 ist auch nicht so kurz, dass sich deren Notwendigkeit von selbst verstünde, zumal die Abschiebung auf dem Landweg in ein europäisches Nachbarland erfolgen sollte.

c) Der Mangel des Haftantrags ist nicht geheilt worden.

aa) Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder der Haftrichter selbst die Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und die dafür erforderliche Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt, sofern der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, lnfAuslR 2020, 241 Rn. 12).

bb) Die beteiligte Behörde hat ihre Angaben zur erforderlichen Dauer der Haft auf Nachfrage des Beschwerdegerichts mündlich ergänzt und mitgeteilt, dass die Überstellung am 16. September 2019 erfolgen solle. Daraufhin hat das Beschwerdegericht die Haftdauer auf den 17. September 2019 begrenzt. Es hat hierzu den Betroffenen aber nicht persönlich angehört, weshalb der Mangel des Haftantrags durch das Beschwerdegericht nicht geheilt wurde, auch wenn die Haftdauer zugunsten des Betroffenen abgekürzt wurde. [...]