OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.02.2004 - 18 B 522/03 - asyl.net: M5028
https://www.asyl.net/rsdb/M5028
Leitsatz:

Anspruch auf einen Daueraufenthalt wegen der Fortsetzung der Lebensgemeinschaft.

Schlagwörter: D (A), Abschiebungsandrohung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Antrag, Auslegung, Umdeutung, Suspensiveffekt, Einstweilige Anordnung, Rechtsschutzbegehren, Duldung, Schutz von Ehe und Familie
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 88; VwGO § 86 Abs. 3; VwGO § 123; AuslG § 55 Abs. 2; GG Art. 6
Auszüge:

Die durch den angefochtenen Beschluss ergangene einstweilige Anordnung, durch die dem Antragsgegner vorläufig untersagt worden ist, den Antragsteller abzuschieben, ist aufzuheben, weil der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung in erster Instanz beim Verwaltungsgericht nicht gestellt hat.

Der von dem Antragsteller bevollmächtigte Rechtsanwalt hat in erster Instanz allein den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung vom 29. Januar 2003 anzuordnen, durch die dem Antragsteller seitens des Antragsgegners die Abschiebung angedroht wurde und die dem Antrag beigefügt war. Die durch das Verwaltungsgericht erklärtermaßen von Amts wegen vorgenommene Ergänzung dieses - von ihm abgelehnten - Antrags um einen auf vorläufige Untersagung der Abschiebung des Antragstellers im Wege der einstweiligen Anordnung gerichteten Hilfsantrag, dem entsprochen wurde, war unzulässig. Zwar ist das Gericht gemäß § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - an die Fassung des Anträge nicht gebunden, es darf aber über das Begehren nicht hinausgehen. Das ist hier durch die Ergänzung des ausdrücklich gestellten, erfolglos bleibenden Antrags durch einen nach Ansicht des Verwaltungsgerichts erfolgreichen Hilfsantrag geschehen.

Die Ergänzung des anwaltlicherseits gestellten, erfolglos bleibenden Aussetzungsantrags um einen zum Erfolg führenden Hilfsantrag durch das Gericht von Amts wegen ist auch nicht aufgrund von § 86 Abs. 3 VwGO als ein Hinwirken auf sachdienliche Anträge zu rechtfertigen, denn diese müssen - nach dem Hinwirken - von dem Beteiligten selbst gestellt werden, der allein darüber zu bestimmen hat, ob und worüber das Gericht zu entscheiden hat. Ist ein Beteiligter zudem - wie hier der Antragsteller - anwaltlich vertreten, so hat er selbst die Pflicht, nach einem geeigneten Weg zur Erreichung seines Ziels zu suchen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1965 - II C 195.62 -, BVerwGE 21, 217 f.).

Der anwaltlicherseits ausdrücklich gestellte Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hätte auch nicht vom Verwaltungsgericht in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umgedeutet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Beschlüsse vom 2. August 1995 - 9B 303.95 -, DVBl. 1996, 105, vom 12. März 1998 - 2 B 20.98 -, NVwZ 1999, 641 f. und vom 25. März 1998 - 4 B 30.98 ., NVwZ 1998, 1297, der der Senat folgt, vgl. nur die Senatsbeschlüsse vom 1. März 2002 - 18 B 334/02 -, vom 29. Mai 2002 - 18 B 973/02 - und vom 24. Juni 2002 -18 B 1102/02 -, kann ein - wie hier - von einem Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigtem eindeutig formuliertes Begehren nicht in ein anderes umgedeutet werden, wenn die Anträge unterschiedlichen Zwecken dienen. Das ist hier der Fall. Nach der Senatsrechtsprechung kommt die Umdeutung eines - wie hier - in erster Instanz allein gestellten Aussetzungsantrags in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Erteilung einer Duldung wegen der Andersartigkeit der in Rede stehenden Ansprüche nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. September 2000 - 18 B 1339/00 -, vom 21. Oktober 2002 - 18 B 819/02 - und vom 10. März 2003 - 18 B 364/03-).

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der von dem Antragsteller zum Zwecke der Fortsetzung der Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern angestrebte Daueraufenthalt ohnehin nicht im Wege einer Duldung ermöglicht werden kann, vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000,16 = DVBl. 2000, 417 = NVwZ 2000, 204, und dass es zweifelhaft erscheint, ob aus der familiären Situation des Antragstellers eine rechtliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG folgt. Die Kinder des Antragstellers und deren Mutter, bei der sie leben, sind ebenso wie der Antragsteller mazedonische Staatsangehörige. Sie sind - möglicherweise - in der Bundesrepublik Deutschland nicht wirtschaftlich integriert, denn den Verwaltungsakten zufolge haben sie jedenfalls im bzw. bis April 2000 Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen. Ist dies auch gegenwärtig noch der Fall, so hat dies Auswirkungen auf die Frage, ob ihnen - trotz der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis der Mutter - ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zumutbar ist, um eine familiäre Gemeinschaft mit dem - soweit ersichtlich ebenfalls nicht wirtschaftlich integrierten - Antragsteller in Mazedonien zu leben.