Hausdurchsuchungen und Verhöre sind allgemeine Folgen des Kontaktes mit Personen, die der Begehung von Straftaten verdächtigt werden. Dies erfüllt jedoch nicht die Intensität einer Sippenhaft als eine asylrelevante Verfolgungsmaßnahme.
(Leitsatz der Redaktion)
Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung als Asylberechtigte und zur Feststellung, dass die Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 oder § 53 des Ausländergesetzes (AuslG) vorliegen, zu Recht abgewiesen.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Asylanspruch wegen - was hier allein als asylerheblich in Betracht kommt - einer Sippenhaftgefahr nicht zu. Die Klägerin hat die Türkei unverfolgt verlassen. Soweit sie geltend macht, dass auf der Suche nach ihrem Bruder I. ihre Wohnung durchsucht und sie selbst 3 bis 4mal zur Wache mitgenommen und nach dem Verbleib ihres Bruders befragt worden sei, liegt in dieser aus Gründen legitimen Staatsschutzes vorgenommenen Suche im Rahmen der Bekämpfung der seiner Zeit gewalttätigen PKK keine politische Verfolgung der Klägerin. Dies erfüllt nicht die Intensität einer asylrelevanten Verfolgungsmaßnahme. Die Beschwernisse von Hausdurchsuchungen und Verhören sind allgemeine Folgen des Kontaktes mit Personen, die der Begehung von Straftaten verdächtigt werden. Soweit die Klägerin behauptet, sie sei auf der Wache auch geschlagen und an den Haaren gezerrt worden, mag dem im Kern der jedenfalls zur damaligen Zeit verbreitete ruppige Umgang der Sicherheitskräfte mit Verhörspersonen zu Grunde liegen. Dass jedoch bereits eine Behandlung von asylrechtsrelevanter Intensität erreicht wurde, hält der Senat in Übereinstimmung mit der Vorderrichterin nicht für glaubhaft. Insbesondere fällt, was die Intensität der Maßnahmen betrifft, negativ ins Gewicht, dass die Klägerin erstmals und insofern gesteigert in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht explizit von Foltermaßnahmen durch Elektroschocks berichtet. Dies und die anfängliche Vagheit der Erklärungen über die Behandlung durch die Sicherheitskräfte erweckt den Eindruck, dass die Klägerin zur Verbesserung ihrer asylrechtlichen Situation die Härte der Behandlung durch die Sicherheitskräfte übertreibt.
Der Klägerin droht bei Rückkehr in die Türkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in Gestalt von Sippenhaft. Allerdings können nach Auskunft des Auswärtigen Amtes Familienangehörige zu Vernehmungen geladen und z.B. über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt werden. Diese Vorladungen können zwangsweise erfolgen, wenngleich das Recht der Aussageverweigerung gewährleistet ist. "Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es bei solchen Befragungen in Einzelfällen zu Übergriffen kommt." (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2002 das Verwaltungsgericht Bremen).
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit asylrechtsrelevanter Verfolgungsmaßnahmen gegenüber der Klägerin wegen ihres Bruders I. besteht nicht. Es kann schon nicht festgestellt werden, dass die Situation der Klägerin der vom erkennenden Gericht bisher angenommen Konstellation von Sippenhaftfällen entspricht, wonach im Allgemeinen Sippenhaft abgeleitet werden kann nur von einer Person, die als Aktivist einer militanten staatsfeindlichen Organisation eingestuft und landesweit gesucht wird (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A -, S. 80 ff. des amtlichen Umdrucks).
Das konnte nicht festgestellt werden.
Nicht festgestellt werden kann weiterhin, dass der Bruder I. landesweit gesucht wird. Für das Vorliegen eines Haftbefehls gibt es keine Indizien.
Selbst wenn der Klägerin ihre Behauptungen zur Behandlung durch die Sicherheitskräfte in vollem Umfang geglaubt werden könnten und sie deshalb als vorverfolgt anzusehen wäre mit der Folge der Anlegung des herabgestuften Prognosemaßstabs, hätte die Klage keinen Erfolg. Angesichts des Umstandes, dass sich heute die politische Situation um das Kurdenproblem durch die Festnahme des PKK-Anführers Öcalan, die Beendigung der separatistischen Gewalttätigkeiten, die vollständige Aufhebung des Ausnahmezustands und die politischen Veränderungen in der Türkei im Rahmen der Annäherung an die EU und der veränderten politischen Machtverhältnisse mit der neuen Regierung deutlich entspannt hat, kann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Sicherheitskräfte auch heute noch unter Anwendung asylrechtlich relevanter Verfolgungsmaßnahmen gegen die Klägerin eine Suche nach dem Bruder der Klägerin wegen Aktivitäten für die PKK betreiben würden.
Schließlich kann die Klägerin ihren Asylanspruch auch nicht auf den Gesichtpunkt der Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei stützen. Eine solche findet nicht statt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A -, S. 20 ff. des amtlichen Umdrucks).
Die exilpolitischen Aktivitäten der Klägerin sind asylirrelevant, weil sie niedrigprofiliert sind. Exilpolitische Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland begründen nämlich nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko für türkische Staatsangehörige im Allgemeinen nur, wenn sich der Betreffende politisch exponiert hat, wenn sich also seine Betätigung deutlich von derjenigen der breiten Masse abhebt.
Nach diesen Maßstäben ist die Aktivität der Klägerin als niedrig profiliert anzusehen, da sie sich in bloßer Veranstaltungsteilnahme und Mitgliedschaft in einer Exilorganisation auszeichnet.