VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 14.09.2005 - 5 K 9/05.A - asyl.net: M7142
https://www.asyl.net/rsdb/M7142
Leitsatz:

Verfolgungsgefahr für iranische Staatsangehörige wegen Konversion zum Christentum nur bei herausgehobener Position, insbesondere bei Verstoß gegen das Missionierungsverbot; keine Gefährdung wegen Asylantragstellung im Ausland.

 

Schlagwörter: Iran, Christen (armenisch-orthodoxe), Apostasie, Konversion, Glaubwürdigkeit, Missionierung, religiöses Existenzminimum, religiös motivierte Verfolgung, Situation bei Rückkehr, Antragstellung als Asylgrund
Normen: GG Art. 16a; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Verfolgungsgefahr für iranische Staatsangehörige wegen Konversion zum Christentum nur bei herausgehobener Position, insbesondere bei Verstoß gegen das Missionierungsverbot; keine Gefährdung wegen Asylantragstellung im Ausland.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Weiterer Ausführungen bedarf es insoweit nicht, da der Kläger im Übrigen auch weder glaubhaft dargetan hat, im Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Iran einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, noch befürchten zu müssen, im Falle einer Rückkehr in den Iran politisch verfolgt zu werden. Auch von daher hat der Kläger weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Der Kläger stützt seine Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf die Behauptung, im Iran am christlichen Glauben interessiert gewesen und im Zusammenhang damit missionarisch tätig geworden zu sein, weshalb er schließlich von iranischen Sicherheitskräften verfolgt worden sei.

Die gesamte vom Kläger geschilderte Verfolgungsgeschichte ist jedoch unglaubhaft. Insbesondere vermag der Kläger mit seinem Einwand nicht durchzudringen, die Argumentation des Bundesamtes, wonach gerade die armenisch-orthodoxe Kirche im Iran in besonderer Weise interessiert sei, ihre vergleichsweise gute Stellung bei der Ausübung ihres Glaubens nicht zu gefährden, weshalb die vom Kläger geschilderten Missionierungsversuche realitätsfern erschienen, lasse außer Betracht, dass es im Iran gleichwohl Missionierungsversuche christlicher Kirchen gebe. Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass es auch im Iran Missionierungstätigkeiten verschiedener christlicher Gruppierungen gibt. Jedoch ist im angefochtenen Bescheid zu Recht ausgeführt, dass gerade die armenisch-orthodoxe Kirche in diesem Bereich besonders vorsichtig agiert, um die ihr eingeräumten Freiheiten nicht zu gefährden, so dass derart plumpe Missionierungsversuche der vom Kläger geschilderten Art, die ein hohes Entdeckungsrisiko in sich bergen, auch nach Auffassung des Gerichts realitätsfern erscheinen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr asylerhebliche Repressalien drohen.

Im Übrigen sehen sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes und auch der sonstigen Obergerichte (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.10.2002 - 9 R 3/00 -; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Entscheidung vom 05.09.2001 - 6,A 3293/01.A -, Beschluss vom 22.02.2002 - 5 A 20/02.A -, Beschluss vom 24.09.2004 - 5 A 2906104.A - und Beschluss vom 27.05.2005 - 5 A 1816/05.A -; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 26.10.1999 - 5 L 3180/99 -; BayVGH, Beschluss vom 05.03.1999 - 19 ZB 99.30678, vom 07.04.2005 - 14 B 02.30878 - und vom 02.05.2005 - 14 B 02.30703; Sächsisches OVG, Urteil vom 04.05.2005 - A 2 B 524/04 -; OVG Hamburg, Urteil vom 22.02.2002 - 1 Bf 486/98.A -, vom 29.08.2003 - 1 Bf 11/98.A - und vom 14.11.2003 - 1 Bf 421101.A - sowie OVG Bremen, Urteil vom 10.11.2004 - 2 A 478/03.A) der die Kammer nach Auswertung der ihr vorliegenden einschlägigen Erkenntnisquellen, insbesondere auch der jüngeren Auskünfte und Stellungnahmen folgt (vgl. u. a. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 10.12.2001, vom 02.06.2003 und vom 22.12.2004; AA an VG Aachen vom 25.01.1999, an VG Regensburg vom 13.07.1999, an VG Münster vom 26.04.2000, an OVG Hamburg vom 26.06.2002, an VG Münster vom 07.02.2003; Deutsches Orient-Institut an VG Gelsenkirchen vom 19.08.2000, an VG München vom 22.12.2000, an OVG Niedersachsen vom 28.02.2001, an OVG Hamburg vom 04.11.2002, an VG Münster vom 27.02.2003 und vom 07.02.2003; ai an VG München vom 13.06.2000, an VG Gelsenkirchen vom 19.06.2000, an. VG Aachen vom 02.02.1999, an Sächsisches OVG vom 21.07.2004 und an OVG Hamburg vom 03.07.2003 sowie UNHCR an Sachsisches OVG vom 25.08.2004), selbst Konvertiten, das heißt vom Islam tatsächlich zum Christentum (oder einer anderen Religion) übergetretene iranische Staatsangehörige, nur unter besonderen Voraussetzungen einer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Gefahr staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Ein derartiges Risiko ist regelmäßig auf Personen beschränkt, die öffentlich in herausgehobener Funktion für den angenommenen christlichen Glauben tätig sind oder - dies vor allem - auf dessen Verbreitung innerhalb der moslemischen Gemeinschaft wahrnehmbar hinarbeiten und damit gegen das aus traditioneller islamischer Sicht letztlich dem Staatsschutz dienende Missionsverbot verstoßen.

Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger allein wegen seiner Asylantragstellung bei einer Rückkehr in den Iran mit abschiebungsschutzrechtlich relevanten Übergriffen rechnen müsste.