VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 08.11.2005 - 5 K 7/05.A - asyl.net: M7475
https://www.asyl.net/rsdb/M7475
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Glaubwürdigkeit, Antragstellung als Asylgrund, Situation bei Rückkehr, exilpolitische Betätigung, Überwachung im Aufnahmeland, Demonstrationen, Volksmudjaheddin, Wahlen, Ahmadinedschad
Normen: GG Art. 16a; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.

Das Gericht glaubt ihm nicht, dass er wegen der Anfertigung eines Aufsatzes von ..., einem Dozenten der Universität Teheran, in Schönschrift sowie wegen des Herstellens von Spruchbändern im Iran gesucht wurde und noch wird.

Allein wegen seiner Asylantragstellung muss der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit abschiebungsschutzrechtlich relevanten Übergriffen rechnen. Zwar ist es durchaus möglich, dass Rückkehrer unmittelbar nach ihrer Einreise oder in den folgenden Tagen von den iranischen Sicherheitsbehörden zu ihrem Auslandsaufenthalt insbesondere zu ihren Kontakten während dieser Zeit befragt werden, wobei diese Befragungen in Ausnahmefällen auch mit einer ein- bis zweitägigen Festnahme einhergehen können. Allein an die Asylantragstellung beziehungsweise den Auslandsaufenthalt anknüpfende darüber hinausgehende Repressalien lassen sich den vorliegenden Auskünften und Gutachten jedoch nicht entnehmen (vgl. u. a. Lageberichte des AA vom 15.07.2002 und vom 29.08.2005; AA an VG Mainz vom 30.06.2004, AA an BA vom 23.09.2004, AA an VG Mainz vom 22.11.2004; Deutsches OI an VG Oldenburg vom 23.09.2003, an VG Mainz vom 16.08.2004 und an VG Mainz vom 22.12.2004).

Auch die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten begründen unter Anwendung des Prognosemaßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für den Fall der Rückkehr des Kläger in den Iran nicht die Gefahr asylrelevanter Maßnahmen im Verständnis von § 60 Abs. 1 AufenthG.

Das Gericht geht nach der übereinstimmenden Auskunftslage davon aus, dass der Iran alle oppositionellen Gruppen und regimekritischen Einzelpersonen im Exil sehr genau zu beobachten und zu dokumentieren sucht. Allerdings ist es den iranischen Stellen durchaus bewusst ist, dass vielfach ein politisches Engagement, das erst im Ausland erwacht ist, nicht wirklich ernsthaft ist, sondern nur zur Erlangung von Vorteilen im Asylverfahren an den Tag gelegt wird. Die iranischen Sicherheitsbehörden unterscheiden daher deutlich zwischen oppositioneller Betätigung im Iran selbst und im europäischen Ausland.

Nach der bestehenden Auskunftslage ist davon auszugehen, dass nicht jede exilpolitische Tätigkeit eine die iranischen Behörden interessierende Opposition ist, sondern nur dann, wenn diese Tätigkeit dem Regime gefährlich werden kann. Ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko besteht daher nur bei solchen Personen, die sich politisch exponiert haben, die sich durch ihre Betätigung also aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen herausheben und sie als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen. Als Auslöser von Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr in den Iran kommen daher mit der zu fordernden Wahrscheinlichkeit nur solche Aktivitäten in Betracht, welche die iranischen Behörden als Ausdruck einer erheblichen, den Bestand des Staates gefährdenden Opposition bewerten. Die Zuordnung zum Kreis der einer generellen Rückkehrergefährdung unterliegenden Personen beschränkt sich hiernach auf jene, die eine herausragende oppositionelle Tätigkeit entfaltet haben, als Führungspersönlichkeiten der Exilpolitik gelten oder durch ungewöhnliche Einzelaktionen aufgefallen sind. Soweit eine Demonstrationstätigkeit zur Rede steht, bedeutet dies, dass - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls - bloßes Mitläufertum bei Kundgebungen und das übliche Tragen von Plakaten und Rufen von Parolen durch Teilnehmer an der Veranstaltung als massentypische und niedrigprofilierte Erscheinungsformen exilpolitischen Protests keine beachtliche Wahrscheinlichkeit repressiver Maßnahmen im Rückkehrfall begründen (vgl. Lageberichte des AA, zuletzt vom 29.08.2005 - Dok.-Nr. 1166 -; AA an VG Münster vom 22.06.1999 - Dok.-Nr. 771 - ; DOI an VG Ansbach vom 17.06,1996 - Dok.-Nr. 584 -, an VG Stuttgart vom 28.02.1997 - Dok.-Nr. 621 b -, an VG Schleswig vom 28.01.1999 - Dok.-Nr. 750 -, an VG Münster vom 30.6.1999 - Dok.-Nr. 776b - sowie an OVG Bremen vom 16.08.2004 - Dok.-Nr. 1093, Bundesamt für Verfassungsschutz an VG Potsdam vom 04.01.1999 - Dok.-Nr. 746 - und an VG Braunschweig vom 12.03.2003 - Dok.-Nr. 1003 -; ai an VG Schleswig vom 22.06.1995 - Dok.-Nr. 550 -).

An dieser Sach- und Rechtslage haben auch weder die Wahlen zum Siebten Madschlis (Parlament) vom 20.02.2004 noch die Wahl des dem konservativen Lager angehörenden früheren Bürgermeisters von Teheran, Mahmoud Ahmadinejad, zum Präsidenten der Islamischen Republik Iran entscheidendes geändert.