VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 24.08.2005 - 21 K 5689/02.A - asyl.net: M7542
https://www.asyl.net/rsdb/M7542
Leitsatz:
Schlagwörter: Wiederaufgreifen, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Depression, fachärztliche Stellungnahmen, Serbien und Montenegro, Kosovo, Ashkali, Suizidgefahr, Retraumatisierung, medizinische Versorgung, Erlasslage, Abschiebungsstopp
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Der Kläger kann gegenüber der Beklagten beanspruchen, dass in Abänderung der zu § 53 AuslG ergangenen Entscheidung im Bescheid des BAFl vom 30. September 1994 festgestellt wird, dass zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Serbien und Montenegro (Kosovo) besteht.

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Absehen von der Abschiebung eines Ausländers sind wortgleich mit denjenigen der Vorschrift des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, an dessen Stelle § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ab dem 01. Januar 2005 getreten ist. Zur Auslegung dieser Abschiebungsschutzvoraussetzungen hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW - in seinem Beschluss vom 30. Mai 2005 - 13 A 4539/04.A - (in Fortführung der mit Beschluss vom 16. Dezember 2004 - 13 A 11 40/04.A - eingeleiteten Rechtsprechung) ausgeführt: (...)

Für die Kammer besteht kein Anlass von diesen Grundsätzen abzuweichen. Sie schließt sich diesen Ausführungen an.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe liegen in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger im insoweit maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (weiterhin) an einer posttraumatischen Belastungsreaktion und einer schweren depressiven Episode mit somatischen Syndromen leidet. Bei dieser Einschätzung stützt sich die Kammer auf das von ihr eingeholte fachärztliche Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für psychotherapeutische Medizin Dr. ... Das Gutachten, das sowohl die bei den Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgängen befindlichen ärztlichen Stellungnahmen des den Kläger behandelnden Psychiaters ... berücksichtigt als auch maßgeblich auf den Ergebnissen der von der Gutachterin selbst durchgeführten psychiatrischen Untersuchungen vom 03. und 17. Dezember 2004 beruht, ist für die Kammer nachvollziehbar und schlüssig begründet.

Das Gericht ist nach den ergänzenden mündlichen Ausführungen der Gutachterin im Verhandlungstermin vom 24. August 2005 ferner davon überzeugt, dass der Kläger im Falle eines Aufenthaltes im Kosovo einer im oben genannten Sinne erheblichen Gefahr für seinen Leib und sein Leben, also einer existenziellen Gesundheitsgefahr ausgesetzt sein würde. Die Gutachterin hat ausgeführt, dass angesichts der beim Kläger ohnehin latent vorhandenen Suizidalität die unmittelbare Konfrontation mit den Gegebenheiten des Kosovos, insbesondere mit ihm feindlich oder unwohl gesonnen erscheinenden albanischen Volkszugehörigen, beim Kläger eine akute Suizidalität auslösen würde. Dies beruhe darauf, dass die für den Kläger bei einem Aufenthalt im Kosovo gegebene Belastungssituation eine erhebliche Verschlimmerung sowohl der bestehenden posttraumatischen Belastungsreaktion als auch auf der vorhandenen Depressionserkrankung bewirke. Das kumulative Zusammenwirken dieser erheblichen Verschlimmerung beider Erkrankungen führe zu einer nachhaltigen Verstärkung der Suizidalität. Für die Kammer besteht kein begründeter Anlass diese Einschätzung der Gutachterin in Zweifel zu ziehen.

Die von der Gutachterin beschriebene Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers im Sinne des Eintzritts einer akuten Suizidalität kann auch nicht durch die im Kosovo verfügbaren Möglichkeiten der Behandlung psychischer Erkrankungen (vgl. dazu ausführlich: OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2005 - 13 A 2909/04.A -, insoweit auch wiedergegeben in seinem Beschluss vom 30. Mai 2005 - 13 A 4539/04.A) in einer Weise begrenzt werden, dass der Kläger von Existenz bedrohenden Zuständen oder existenziellen Gesundheitsgefahren verschont bleibt. Denn die Gutachterin hat in einer für die Kammer überzeugenden Weise dargelegt, dass eine medikamentöse Behandlung des Klägers und auch supportive Gespräche durch Ärzte "sicher nicht geeignet und ausreichend (seien)", um die von ihr angenommene Verschlimmerung des seelischen Leidens des Klägers und damit den Eintritt einer akuten Suizidalität auszuschließen.

Auf der Grundlage der von der Gutachterin getroffenen Feststellungen und Bewertungen ist das Gericht davon überzeugt, dass es im oben genannten Sinne beachtlich wahrscheinlich ist, dass der Kläger im Falle seines Aufenthaltes im Kosovo wegen der dort von ihm vorgefundenen tatsächlichen Umstände einer erheblichen Gefahr für sein Leben und seinen Leib ausgesetzt sein würde.