VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 16.11.2005 - 1 E 3116/03 - asyl.net: M7943
https://www.asyl.net/rsdb/M7943
Leitsatz:

Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wegen Krankheit setzt voraus, dass der Ausländer durch die Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wird.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebung, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Bindungswirkung, abgelehnte Asylbewerber, Ausländerbehörde, Ablehnungsbescheid, Krankheit, Abschiebungshindernis, Reisefähigkeit, körperliche Unversehrtheit
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; AsylVfG § 42 S. 1; AufenthG § 25 Abs. 5; GG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
Auszüge:

Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wegen Krankheit setzt voraus, dass der Ausländer durch die Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wird.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die erhobene Feststellungsklage ist unbegründet. Bezogen auf die Person des Klägers zu 1. liegt kein sogenanntes "inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis" vor.

Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verlangen nicht, dass die Abschiebung eines Ausländers bereits dann unterbleibt, wenn die Abschiebung als solche zu einer gesundheitlichen Verschlechterung beim Betroffenen führt. Insoweit ist zu beachten, dass es sich bei der Abschiebung um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handelt, die auf dem eigenen - wenn auch vielleicht nicht vorwerfbaren - Verhalten des Ausländers beruht, trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht freiwillig zurückzukehren. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sind aber nur dann zu verschieben, wenn ein "schwerwiegender Eingriff" in das Grundrecht zu besorgen ist (BVerfG, Band 52, S. 214). Ein derartiger "schwerwiegender Eingriff" ist dann anzunehmen, wenn der Ausländer durch die Abschiebung als solche gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen bzw. schwersten Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt werden würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.12.1998, BVerwGE Band 108, S. 77). Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Maßstab zwar im Hinblick auf die verfassungskonforme Auslegung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG formuliert, gleichwohl kommt hinreichend zum Ausdruck, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass eine Abschiebung nur insoweit Verfassungsrecht verletzten würde. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist dieser Maßstab auf die Frage der Auslegung des § 60 a Abs. 2 AufenthG zu übertragen, soweit es um (inlandsbezogene) Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit geht.