VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 26.04.2006 - 1 A 287/05 - asyl.net: M8561
https://www.asyl.net/rsdb/M8561
Leitsatz:

Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 7 AufenthG wegen im Kosovo nicht behandelbarer Erkrankungen (Herzerkrankungen, Krebsnachsorge, posttraumatische Belastungsstörung).

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Serbien und Montenegro, Kosovo, Krankheit, medizinische Versorgung, Herzkranzgefäßerkrankung, Herzerkrankung, Angina Pectoris, Prostatakrebs, Krebsnachsorge, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Situation bei Rückkehr
Normen: AufenthG § 25 Abs. 3; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 7 AufenthG wegen im Kosovo nicht behandelbarer Erkrankungen (Herzerkrankungen, Krebsnachsorge, posttraumatische Belastungsstörung).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage hat Erfolg.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.

Der Kläger zu 2) leidet an einer schweren Herzkranzgefäßerkrankung und musste sich im September 2001 im Rahmen einer diagnostischen Herzkatheteruntersuchung einer notfallmäßigen Bypass-Operation in der thoraxchirurgischen Universitätsklinik Göttingen unterziehen. Nach der Stellungnahme von Prof. Dr. med. L. lehnt der Kläger zu 2) eine an sich notwendige erneute Koronarangiographie zur Zeit ab, weil er befürchte, dass wieder Komplikationen wie im September 2001 auftreten könnten. Für den Kläger zu 2) sei eine engmaschige fachinternistische Kontrolle und intensive medikamentöse Therapie erforderlich und die Symptomatik könne sich jederzeit wieder akut verschlimmern. Eine enge Anbindung an ein kardiologisches bzw. kardiochirurgisches Zentrum sei dringend erforderlich. Nach den dem Gericht vorliegenden Auskünften gibt es im Kosovo keine Herzchirurgie (siehe Bericht des Bundesamtes zum Gesundheitswesen in Serbien und Montenegro incl. Kosovo, Stand Juni 2004, Seite 38). Deshalb besteht für den Kläger zu 2) im Falle der Rückkehr in den Kosovo die konkrete Gefahr, dass sich sein Gesundheitszustand eventuell sogar lebensbedrohlich verschlechtert.

Unabhängig hiervon liegt für den Kläger zu 2) aber auch deshalb eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben i. S. v. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vor, weil bei ihm im März 2005 ein Prostatadenkarzinom diagnostiziert und am 18.04.2005 mit der sogenannten Brachytherapie (Seed) behandelt wurde, wobei radioaktiv geladene Metallstifte (Seeds) in die Prostata eingebracht werden und dort kontinuierlich ihre Strahlung abgeben, bis sie nicht mehr radioaktiv geladen sind (siehe hierzu die von den Klägern eingereichten Unterlagen zur Therapie von Prostatakrebs, Bl. 88-96 der Gerichtsakte). Nach den dem Gericht vorliegenden Auskünften des Deutschen Verbindungsbüro Kosovo vom 24.05.2004 (SER 26244001) und vom 04.06.2004 (SER 00056861) können im Kosovo keine Krebsnachsorgeuntersuchungen durchgeführt werden. Eine Onkologie existiere dort nicht. Demzufolge kann der Kläger zu 2) auch unter Berücksichtigung seiner Krebserkrankung im Kosovo nicht die notwendige medizinische Versorgung erhalten, was für ihn im Falle seiner Rückkehr alsbald eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, wenn nicht sogar eine Lebensbedrohung bedeuten kann.

Auch für die Klägerin zu 1) besteht ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Klägerin zu 1) leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Es heißt dort weiter, die Klägerin zu 1) müsste im Falle ihrer Rückkehr in den Kosovo mit einer erheblichen Krankheitsverschlimmerung rechnen.

Für die Klägerin zu 1) besteht aber auch deshalb ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, weil sie im Kosovo die für sie notwendige psychotherapeutische Behandlung (siehe hierzu Stellungnahme vom 18.12.2002) nicht erhalten kann.