VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.11.2006 - 3 G 4916/06.A - asyl.net: M9326
https://www.asyl.net/rsdb/M9326
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Kabul, Situation bei Rückkehr, alleinstehende Personen, soziale Bindungen, Erlasslage, Abschiebungsstopp, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Versorgungslage, Terrorismus, Sicherheitslage, Kriminalität, Folgeantrag, Wiederaufgreifen, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; VwGO § 123 Abs. 5; AsylVfG § 36 Abs. 4 S. 1; VwVfG § 51
Auszüge:

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kommt nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG, der über § 71 Abs. 4 AsylVfG bei vom Bundesamt als unbeachtlich behandelten Folgeanträgen Anwendung findet nur in Betracht, wenn keine ernstlichen Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1-3 VwVfG nicht vorliegen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.03.1999 - InfAuslR 1999, 256 (259)). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall.

Auch die Voraussetzungen für eine abändernde Entscheidung zur Nichtfeststellung eines Abschiebungshindernisses insbesondere nach § 60 Abs. 7 AufenthG bzw. für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens liegen nicht vor, soweit es die allgemeinen Gefahren für die dem Antragsteller angesonnene Rückkehr nach Afghanistan in den Raum Kabul betrifft.

Nach wie vor gehört der Antragsteller als alleinstehender volljähriger Mann nicht zu den als besonders schutzbedürftig anzusehenden Personengruppen. Auch soweit er für den Fall der Rückkehr von allgemeinen Gefahren betroffen sein könnte, obliegt es zunächst allein dem Ermessen der Exekutive im Rahmen einer Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, diese Gefahren zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).

Zwar hat es in der Vergangenheit - was in der Antragsschrift im Einzelnen dargelegt wird - auch in Kabul Anschläge gegeben. Diese haben sich allerdings ganz überwiegend entweder gegen Funktionsträger oder die stationierten ausländischen Truppen gerichtet. Die Bevölkerung im Allgemeinen ist davon weniger betroffen. Deshalb kann sich der Antragsteller bei einer Rückkehr ebenfalls in Kabul aufhalten. Ihn trifft die fragile Sicherheits- und die schwierige Versorgungslage genauso wie andere Rückkehrer und viele nicht geflüchtete Afghanen. Auch ihm wird mit Hilfe der dort tätigen Hilfsorganisationen ein Überleben möglich sein. Das Schicksal eines Lebens in Afghanistan unter schwierigen Bedingungen teilt der Antragsteller mit Tausenden von Flüchtlingen, die seit dem Sturz der Taliban zurückgekehrt sind und noch weiter zurückkehren. Das Gericht teilt auch nicht die Ansicht des Antragstellers, dass ihm als aus dem westlichen Ausland zurückkehrenden Flüchtling besondere Schwierigkeiten drohen. Zwar ist unter Berücksichtigung der verfügbaren Auskünfte davon auszugehen, dass die Kriminalität in Afghanistan und insbesondere in Kabul ein weitaus erheblicheres Problem für die Bevölkerung darstellt, als dies in deutschen Großstädten der Fall ist. Andererseits lässt sich jedoch aus den verfügbaren Erkenntnismitteln nicht folgern, jeder - aus Westeuropa - zurückkehrende Flüchtling werde mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald Opfer eines gegen ihn verübten Gewaltverbrechens. Auch der sachverständige Zeuge Dr. Danesch hat bei seiner Vernehmung am 05.05.2006 vor dem OVG Berlin-Brandenburg angegeben, sich selbst frei in Kabul bewegen zu können, weil er die Landessprache beherrsche, die Mentalität der Menschen kenne und als Iraner weniger gefährdet sei als etwa ein Westeuropäer (Seite 8 des Protokolls). All dies trifft auf den vor seiner Flucht in Afghanistan aufgewachsenen Antragsteller erst recht zu. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund der in Deutschland erworbenen Kenntnisse - insbesondere auch sprachlicher Art - gegenüber vielen anderen in Kabul lebenden Flüchtlingen deutlich im Vorteil ist.