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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 30.03.1999 - 9 B 31.99 - asyl.net: R630
https://www.asyl.net/rsdb/R630
Leitsatz:

Die Frage, welche Folgerungen aus einer Beseitigung oder Unterdrückung von Beweismitteln zu ziehen sind, ist ebenso wie die Frage, ob durch bloßes Parteivorbringen ein voller Beweis erbracht wird, eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des jeweiligen Tatsachengerichts im Einzelfall und begründet nicht etwa eine Berufungszulassung.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Drittstaatenregelung, Beweismittel, Reisedokumente, Beweisvereitelung, Luftweg, Einreise, Berufungszulassungsantrag, Grundsätzliche Bedeutung, Beweiswürdigung, Parteivorbringen, Beweisnotstand, Richterliche Überzeugungsgewissheit
Normen: AsylVfG § 26a Abs. 1; ZPO § 444
Auszüge:

Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Die Frage, welche Folgerungen aus einer Beseitigung oder Unterdrückung von Beweismitteln zu ziehen sind, ist ebenso wie die Frage, ob durch bloßes Parteivorbringen ein voller Beweis erbracht wird, eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des jeweiligen Tatsachengerichts im Einzelfall.

Die Folgen einer Beweisvereitelung sind gesetzlich nicht allgemein geregelt. Es gibt zwar den allgemeinen Rechtsgedanken, daß eine Beweisvereitelung beweisrechtliche Nachteile bringen kann (vgl. § 444 ZPO), aber keinen allgemeinen Rechtssatz, daß zu Lasten dessen, der einen Beweis vereitelt, von einem bestimmten Beweisergebnis auszugehen ist. Davon abgesehen geht es im vorliegenden Fall in erster Linie nicht um die Folgen einer Beweisvereitelung. Das - berechtigte - Anliegen des Klägers geht dahin, zu verhindern, daß auf dem Landweg einreisende Asylbewerber, deren Asylantrag an der Drittstaatenregelung des § 26 a Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG scheitern würde, der Wahrheit zuwider die Einreise über einen Flughafen behaupten. Dieser Personengruppe ist aber die Beseitigung oder Unterdrückung von Dokumenten, mit denen die Einreise über einen Flughafen bewiesen werden könnte, nicht vorzuwerfen, denn sie haben solche nie besessen. Vorzuwerfen ist ihnen die wahrheitswidrige Behauptung der Flugreise, zu deren Stützung sie die weitere wahrheitswidrige Behauptung, die Dokumente dem Schleuser ausgehändigt zu haben, hinzufügen. Einen Rechtssatz etwa des Inhalts, daß derjenige, der sich selbst der Beseitigung oder Unterdrückung von Beweismitteln bezichtigt, stets so zu behandeln ist, als ob es diese Beweismittel nie gegeben hat, gibt es jedoch nicht. Das Berufungsgericht ist deshalb der Frage nachgegangen, ob die Beigeladenen die Einreise über den Flughafen Düsseldorf nur vorgetäuscht haben; es hat diese Frage aufgrund einer sorgfältigen Beweiswürdigung verneint.

Hinsichtlich der Frage, ob eine Parteibehauptung genügt, um dem Richter die volle Überzeugung vom tatsächlichen Geschehensablauf zu verschaffen, gibt es ebenfalls keine gesetzliche Beweisregel. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, daß der Richter aus Rechtsgründen nicht daran gehindert ist, eine Parteibehauptung als wahr anzusehen. Das gilt "in besonderem Maße" - aber nicht nur -, wenn sich der Asylbewerber - wie typischerweise bei den Vorgängen im Verfolgerland - in Beweisnot befindet. Es versteht sich von selbst, daß der Tatrichter gerade in den Fällen, in denen der Asylbewerber die Weggabe vorhanden gewesener Beweismittel behauptet, also den Fällen einer (angeblich) selbst geschaffenen Beweisnot, das Vorbringen besonders sorgfältig zu prüfen und sich die Frage vorzulegen hat, ob das (behauptete) Verhalten des Asylbewerbers nicht dazu führt, ihm den Vortrag über die Einreise auf dem Luftweg nicht abzunehmen. Daß die (behauptete) Weggabe von beweiserheblichen Dokumenten ebenso wie die Weigerung, mit der (angeblichen) Flugreise im Zusammenhang stehende Fragen - etwa nach den Namen in den benutzten Pässen - zu beantworten, den Schluß rechtfertigen kann, daß die Einreise über einen Flughafen nur vorgespiegelt wird, steht außer Frage. Der Tatrichter muß diesen Schluß jedoch nicht ziehen. Wie er die Nichtvorlage von Reisedokumenten und das jeweilige Parteivorbringen des Asylbewerbers bewertet, ist eine ihm vorbehaltene Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall. Auch insoweit wäre nicht zu erwarten, daß ein Revisionsverfahren zu weitergehenden Erkenntnisse führen würde.