VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.09.2001 - A 2 S 2249/98 - asyl.net: M1181
https://www.asyl.net/rsdb/M1181
Leitsatz:

1. Syrischen Staatsangehörigen droht im Falle einer Abschiebung nach Syrien keine politische Verfolgung, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die geeignet sind, bei den syrischen Behörden den Verdacht einer politischen Betätigung zu begründen. Verdachtsmomente in diesem Sinne bilden weder die Stellung eines Asylantrags noch ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (B.III., Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 19. Mai 1998 - A 2 S 28/98 -).

2. (Syrisch-orthodoxe) Christen aus Syrien werden nicht als Gruppe politisch verfolgt. Sie sind im Falle der Rückkehr nicht besonders gefährdet (B.III.2.b).

3. Eine durch die Ausreise und den Auslandsaufenthalt verwirklichte Wehrdienstentziehung erhöht die Verfolgungsgefahr jedenfalls dann nicht in relevanter Weise, wenn sich der Wehrpflichtige nicht einer unmittelbar bevorstehenden Einberufung entzogen oder einem konkreten Einberufungsbefehl den Gehorsam verweigert hat (B.III.2.c).

4. Eine unerlaubte Ausreise begründet nicht die Gefahr, im Falle der Rückkehr misshandelt zu werden (B.III.2.d).

5. Einerseits gibt es eine generelle Praxis der Sippenhaft in Syrien nicht. Andererseits drohen sippenhaftähnliche Maßnahmen dann, wenn ein Geheimdienst ein gesteigertes Interesse an der Vernehmung oder Verhaftung einer Person hat, denn es entspricht der Praxis, Freunde, Bekannte und Verwandte vorzuladen und einzuschüchtern. In diesem Fall sind erhebliche Misshandlungen nicht nur entfernt möglich, sondern erheblich wahrscheinlich. Sippenhaft oder sippenhaftähnliche Maßnahmen drohen hiernach den Angehörigen als gefährlich eingestufter Regimegegner, die von den Sicherheitskräften mit Nachdruck gesucht werden (B.III.2.e).

6. Aus der bloßen Summierung mehrerer nur möglicher Verfolgungsgründe folgt nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung. Ob Verfolgungsmaßnahmen drohen, muss vielmehr im Einzelfall auf Grund einer wertenden Gesamtschau beurteilt werden (B.III.2.f).

Schlagwörter: Syrien, Christen (syrisch-orthodoxe), Folgeantrag, Ablehnungsbescheid, Zustellung, Postzustellungsurkunde, Beweiskraft, Familienangehörige, Alter, Klagefrist, Fristversäumnis, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Gruppenverfolgung, Religiös motivierte Verfolgung, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Antragstellung als Asylgrund, Illegale Ausreise, Wehrdienstentziehung, Strafverfolgung, Einberufung, Objektive Nachfluchtgründe, Sippenhaft, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen, Verhör, Gesamtschau
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; VwZG § 3 Abs. 3; ZPO § 181 Abs. 1; AsylVfG § 71; VwVfG § 51
Auszüge:

1. Syrischen Staatsangehörigen droht im Falle einer Abschiebung nach Syrien keine politische Verfolgung, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die geeignet sind, bei den syrischen Behörden den Verdacht einer politischen Betätigung zu begründen. Verdachtsmomente in diesem Sinne bilden weder die Stellung eines Asylantrags noch ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (B.III., Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 19. Mai 1998 - A 2 S 28/98 -).

2. (Syrisch-orthodoxe) Christen aus Syrien werden nicht als Gruppe politisch verfolgt. Sie sind im Falle der Rückkehr nicht besonders gefährdet (B.III.2.b).

3. Eine durch die Ausreise und den Auslandsaufenthalt verwirklichte Wehrdienstentziehung erhöht die Verfolgungsgefahr jedenfalls dann nicht in relevanter Weise, wenn sich der Wehrpflichtige nicht einer unmittelbar bevorstehenden Einberufung entzogen oder einem konkreten Einberufungsbefehl den Gehorsam verweigert hat (B.III.2.c).

4. Eine unerlaubte Ausreise begründet nicht die Gefahr, im Falle der Rückkehr misshandelt zu werden (B.III.2.d).

5. Einerseits gibt es eine generelle Praxis der Sippenhaft in Syrien nicht. Andererseits drohen sippenhaftähnliche Maßnahmen dann, wenn ein Geheimdienst ein gesteigertes Interesse an der Vernehmung oder Verhaftung einer Person hat, denn es entspricht der Praxis, Freunde, Bekannte und Verwandte vorzuladen und einzuschüchtern. In diesem Fall sind erhebliche Misshandlungen nicht nur entfernt möglich, sondern erheblich wahrscheinlich. Sippenhaft oder sippenhaftähnliche Maßnahmen drohen hiernach den Angehörigen als gefährlich eingestufter Regimegegner, die von den Sicherheitskräften mit Nachdruck gesucht werden (B.III.2.e).

6. Aus der bloßen Summierung mehrerer nur möglicher Verfolgungsgründe folgt nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung. Ob Verfolgungsmaßnahmen drohen, muss vielmehr im Einzelfall auf Grund einer wertenden Gesamtschau beurteilt werden (B.III.2.f).

(Amtliche Leitsätze)