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Zitieren als:
BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - asyl.net: M13932
https://www.asyl.net/rsdb/M13932
Leitsatz:

Die 48- bzw. 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist keine reine Wartefrist, so dass nur Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG angerechnet werden können; § 2 Abs. 1 AsylbLG in der Fassumg ab dem 27.8.2007 ist auch anwendbar, wenn der Ausländer bereits zu diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bezogen hat; Rechtsmissbrauch i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG setzt ein vorsätzliches, unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten von erheblichen Gewicht voraus; allein die Weigerung, freiwillig auszureisen, stellt kein rechtsmissbrächliches Verhalten dar; zwischen dem rechtsmissbräuchlichem Verhalten und der Dauer des Aufenthalts muss eine kausale Verknüpfung bestehen; dabei genügt es, wenn das Verhalten typischerweise ursächlich für die Verlängerung der Aufenthaltsdauer ist; das gilt nicht, wenn die Ausreisepflicht des Ausländers während des gesamten Zeitraums ohnehin nicht hätte vollzogen werden können (etwa wegen eines Abschiebungsstopps); § 2 Abs. 3 AsylbLG begründet keinen eigenen Anspruch von minderjährigen Kindern, sondern macht Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für diese von der weiteren Voraussetzung abhängig, dass mindestens ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Elternteil Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhält; rechtmissbräuchliches Verhalten der Eltern wird (volljährig gewordenen) Kindern nicht zugerechnet.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Anfechtungsklage, Leistungsklage, Verwaltungsakt, Dauerwirkung, Dauerverwaltungsakt, Verfahrensgegenstand, Widerspruchsbescheid, Folgebescheid, Klagegegner, Behörde, Aufenthaltsdauer, 36-Monats-Frist, 48-Monats-Frist, Unterbrechung, Sozialhilfe, Grundsicherung für Erwerbsunfähige, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Erwerbstätigkeit, Bindungswirkung, Verwaltungsakt, Minderjährige, Eltern, Familienangehörige, Beurteilungszeitpunkt, Rückwirkung, Vertrauensschutz, Richtlinienumsetzungsgesetz, Verfassungsmäßigkeit, Rechtsmissbrauch, Verhältnismäßigkeit, Duldung, Abschiebungshindernis, Asylantrag, Asylantragstellung, Ursächlichkeit, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum, Abschiebungsstopp, Erlasslage, Zurechnung
Normen: SGG § 96; SGG § 70 Nr. 3; AGSGG § 3; SGB X § 48 Abs. 1; AsylbLG § 2 Abs. 1; AsylbLG § 1a; AsylbLG § 2 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Auszüge:

Die 48- bzw. 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist keine reine Wartefrist, so dass nur Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG angerechnet werden können; § 2 Abs. 1 AsylbLG in der Fassumg ab dem 27.8.2007 ist auch anwendbar, wenn der Ausländer bereits zu diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bezogen hat; Rechtsmissbrauch i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG setzt ein vorsätzliches, unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten von erheblichen Gewicht voraus; allein die Weigerung, freiwillig auszureisen, stellt kein rechtsmissbrächliches Verhalten dar; zwischen dem rechtsmissbräuchlichem Verhalten und der Dauer des Aufenthalts muss eine kausale Verknüpfung bestehen; dabei genügt es, wenn das Verhalten typischerweise ursächlich für die Verlängerung der Aufenthaltsdauer ist; das gilt nicht, wenn die Ausreisepflicht des Ausländers während des gesamten Zeitraums ohnehin nicht hätte vollzogen werden können (etwa wegen eines Abschiebungsstopps); § 2 Abs. 3 AsylbLG begründet keinen eigenen Anspruch von minderjährigen Kindern, sondern macht Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für diese von der weiteren Voraussetzung abhängig, dass mindestens ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Elternteil Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhält; rechtmissbräuchliches Verhalten der Eltern wird (volljährig gewordenen) Kindern nicht zugerechnet.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

3. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 16. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2005 (§ 95 SGG). Die richtige Klageart (Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG oder eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, 56 SGG) ist abhängig davon, ob der angefochtene Bescheid vom 16. Dezember 2004 einen zuvor ergangenen Bescheid, der Leistungen nach § 2 AsylbLG ohne zeitliche Begrenzung über den 31. Dezember 2004 hinaus bewilligt hatte, abgeändert hat ("Einstellung" der Leistung nach § 2 AsylbLG ab dem 1. Januar 2005). In diesem Fall bedürfte es keiner Leistungsklage, weil mit der Aufhebung des abändernden Bescheides der ursprüngliche Bescheid seine Wirkung wieder entfalten würde, die Kläger ihr Ziel also bereits mit der Anfechtungsklage verwirklichen könnten (stRspr; BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19 S 54; BSGE 49, 197, 198 f = SozR 4100 § 119 Nr 11, insoweit nicht abgedruckt). Hatte der Beklagte Leistungen bis zum 31. Dezember 2004 hingegen ohne Bescheid gezahlt oder einen etwaigen Bescheid auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 begrenzt, wäre zur Erreichung des Klageziels auch eine Leistungsklage erforderlich.

4. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass sich der zu beurteilende Zeitraum auch auf die Zeit nach Erlass des Widerspruchsbescheides erstrecken kann (aA noch das BVerwG zum Bundessozialhilfegesetz <BSHG> mit der Ausnahme, dass der Sozialhilfeträger Leistungen durch eine Vorabentscheidung dem Grunde nach für einen in die Zukunft hineinreichenden, über den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung hinausgehenden Zeitraum ablehnt: BVerwG Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 17); es ist prozessökonomisch nicht nachvollziehbar, weshalb auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung abgestellt werden müsste, wenn niedrigere Leistungen ohne zeitliche Beschränkung "ab dem 01. 01. 2005" - wie hier - bewilligt werden, die Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht nur bis zur Entscheidung über den Widerspruch, sondern auch für den Folgezeitraum geltend machen und der Beklagte sich auch in der Folgezeit weigert, die beanspruchten Leistungen zu erbringen (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - RdNr 9). Sollte sich nicht aus Folgebescheiden etwas anderes ergeben (dazu unter 5), wäre somit der gesamte Zeitraum streitbefangen, der bis zum für die Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt verstrichen ist (BSG aaO).

5. Das LSG wird deshalb zu prüfen haben, ob der Bescheid vom 16. Dezember 2004 seinerseits durch Folgebescheide abgeändert oder ersetzt wurde (§ 96 SGG). Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 96 SGG bis 31. März 2008 gilt im Bereich des AsylbLG zwar nichts anderes als für das SGB XII. Dort hat sich der Senat der Rechtsprechung des 7b-, 11b- und 14. Senats (vgl dazu BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 30; SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 14; BSG, Urteil vom 29. März 2007 - B 7b AS 4/06 R - RdNr 10) des BSG zum Recht des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) angeschlossen und eine entsprechende Anwendung von § 96 SGG aF im Sozialhilferecht für Folgezeiträume erfassende Bescheide abgelehnt, wenn der ursprüngliche, angegriffene Bescheid den Leistungszeitraum begrenzt oder Leistungen ausdrücklich (nur) für einen bestimmten Zeitraum ablehnt (Urteil vom 16. Oktober 2007 - B 8/9b SO 2/06 R; Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R). Werden Leistungen aber wie vorliegend zeitlich unbegrenzt bewilligt, können Folgebescheide bei entsprechender inhaltlicher Regelung in direkter Anwendung von § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werden.

6. Die Anwendung von § 96 SGG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Bescheid vom 16. Dezember 2004 einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG isoliert verneint oder als Vorabentscheidung dem Grunde nach über die Kürzung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt (dazu BVerwG Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 17) zu verstehen wäre. Die Beteiligten streiten nicht darüber, ob den Klägern Leistungen nach dem AsylbLG überhaupt zustehen, sondern um die Höhe eines dem Grunde nach zugestandenen Anspruchs. Die Rechtsprechung des früher zuständigen 9b-Senats des BSG (SozR 4-3520 § 2 Nr 1 RdNr 14) wird insoweit nicht fortgeführt.

7. Richtiger Beklagter ist institutionell der beteiligtenfähige (§ 70 Nr 3 SGG) Oberbürgermeister - vorliegend eine Oberbürgermeisterin - der Stadt Remscheid.

8. Die Begründetheit der Revision kann sich an § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X messen, der eine wesentliche Änderung nach Erlass eines früheren Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung voraussetzt, die in der Neufassung des § 2 AsylbLG ab 1. Januar 2005 durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I 1950) liegen kann. Die Anwendbarkeit des § 48 SGB X ergäbe sich dabei aus § 9 Abs 3 AsylbLG, der ausdrücklich auf die §§ 44 bis 50 SGB X Bezug nimmt (BSG SozR 4-3520 § 2 Nr 1 RdNr 12; zur Anwendbarkeit der §§ 44 - 50 SGB X auf das Leistungsrecht des AsylbLG vgl auch Senatsurteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 5/07 R). Der Beklagte ist nicht gehindert, den Hilfefall nach dem AsylbLG für einen längeren oder zunächst nicht befristeten Zeitraum durch Dauerverwaltungsakt zu regeln (BSG SozR 4-3520 § 2 Nr 1 RdNr 12). Ist jedoch mit dem angegriffenen Bescheid vom 16. Dezember 2004 kein vorausgegangener Verwaltungsakt abgeändert worden (siehe unter 3), würde sich die Begründetheit der Revision allein an § 2 AsylbLG in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung messen.

9. Nach § 2 Abs 1 AsylbLG in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Zuwanderungsgesetzes ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten (des § 1 AsylbLG) entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (ab 28. August 2007 48 Monate; Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.

Ob die Vorbezugszeit von 36 Monaten bzw 48 Monaten (dazu unter 12) mit Leistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt ist, hat das LSG nicht ausdrücklich festgestellt.

Auch dies wird das LSG zu verifizieren haben. Dabei sind Bezugszeiten nach Unterbrechungen - unabhängig von der Dauer der Unterbrechungen - nach Wortlaut ("insgesamt") sowie Sinn und Zweck der Regelung zu addieren (so auch Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 1, Stand März 2007; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 13, Stand Oktober 2007). Ob dies ausnahmsweise bei zwischenzeitlicher Rückkehr eines Leistungsberechtigten in sein Heimatland (neuer Leistungsfall) oder sonstiger längerer Abwesenheit bzw. längerem Untertauchen nicht gilt (dazu die Rechtsprechung bei Hohm, aaO, und Decker in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 2 AsylbLG RdNr 12 mwN, Stand Juni 2005), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Anhaltspunkte für derartige Sachverhalte liegen nicht vor.

Die Klägerin zu 6, die frühestens seit ihrer Geburt am 7. Juli 2000 bis 30. Juni 2003 Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben kann und in der Folgezeit bis 31. Dezember 2004 nach den Feststellungen des LSG Leistungen nach § 2 AsylbLG bezogen hat, hat die Vorbezugszeit allerdings unter dieser Prämisse am 1. Januar 2005 noch nicht erfüllt. Leistungen nach § 2 AsylbLG (in der Zeit vom 1. Juli 2003 - 31. Dezember 2004) dienen dabei nicht der Erfüllung der Vorbezugszeit. Die Vorbezugszeit ist nämlich keine Wartefrist, innerhalb der es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-)Leistungen der Ausländer bezogen hat (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 2 AsylbLG RdNr 8 bei Unterbrechungen durch Erhalt von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII; ders, AsylbLG, § 2 RdNr 39, Stand März 2007; vgl auch Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 12, Stand August 2007, zu sonstigen Sozialleistungen; aA Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2 und Birk in Lehr- und Praxiskommentar <LPK> SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3; zum Streitstand auch Hachmann/Hohm, NVwZ 2008, 33, 35 mwN). Dies ergibt sich aus dem hier zwingenden Wortlaut der Vorschrift. Zwar ist eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation von der Verfassung nicht vorgeschrieben. Eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut gehört sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230, 2231). Diese kann zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte gebietet und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte Fall hätte einbezogen werden müssen (BSGE 57, 195, 196 = SozR 1500 § 149 Nr 7 S 7). Dabei darf dem Gesetz aber kein entgegenstehender Sinn verliehen werden, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.

Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 AsylbLG, mit der Bezugszeiten anderer Leistungen als der nach § 3 AsylbLG - auch solcher nach § 2 AsylbLG - oder Zeiten ohne irgendeinen Leistungsbezug gleichgestellt würden, stehen Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen - ob für Zeiten, in denen ein durchsetzbarer Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG bestand, der erst später zugestanden wird, etwas Anderes gilt (vgl. dazu in anderem Zusammenhang: Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 126 RdNr 45 mwN, Stand August 2004), kann offen bleiben. So normierte § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074) für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24. Oktober 1995 sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung, und verzichtete auf die Wartefrist bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich (BT-Drucks 13/2746, S 5). Die Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG im Verhältnis zur Vorgängerregelung stand dabei im engen Zusammenhang mit der in § 1 Abs 1 AsylbLG vorgenommenen Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises, insbesondere um geduldete Ausländer, sowie der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung, die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge waren, und Asylbewerbern (BT-Drucks 13/2746, S 11). Vom Grundsatz sollten alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG erhalten (BT-Drucks 13/2746, S 12). Der Gesetzentwurf war (noch) von dem Gedanken getragen, dass der Status der Duldung nur ein schnell vorübergehender ist. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus (die Zweijahresfrist korrespondierte mit dem damaligen § 30 Abs 4 Ausländergesetz <AuslG>, der nach dieser Frist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorsah) sollte dem Ausländer durch die Gewährung von Analog-Leistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden (BT-Drucks 13/2746, S 15).

Diese Integrationskomponente verlor sich dann in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl I 1130). Erstmals stellte das Gesetz auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab und verlangte dies für eine Dauer von 36 Monaten ab 1. Juni 1997. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung (vgl auch Ausschussbericht vom 7. Februar 1996, BT-Drucks 13/3728, S 3), zu erkennen daran, dass der Zeitraum von 36 Monaten am 1. Juni 1997 zu laufen begann, also alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasste, ob sie bereits zuvor Analog-Leistungen erhalten hatten. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber schon 1997 bewusst allein auf den Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abstellen und sonstige Vorbezugszeiten, auch solche nach § 2 AsylbLG (in der Zeit vor dem 1. Juni 1997), und Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug ausklammern wollte (aA Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 11a, Stand August 2007). Er beabsichtigte also, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG daran zu koppeln, dass das Existenzminimum für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau sichergestellt werden solle.

Mit der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Neuregelung sollten schließlich abweichend vom bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Recht Leistungsberechtigte von Analog-Leistungen ausgeschlossen werden, denen rechtsmissbräuchliches Verhalten (Tun oder Unterlassen), bezogen auf die Dauer des Aufenthalts, vorgeworfen werden kann. Neben der beabsichtigten Sanktion sollte durch den Bezug von Grundleistungen für die Dauer von drei Jahren aber auch der Anreiz für die Einreise von Ausländern und ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 86, Stand März 2007). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analog-Leistungen oder solche nach § 1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten. Die Gegenauffassung, die mit der § 2 AsylbLG innewohnenden Integrationskomponenten argumentiert (vgl etwa: Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 2; Birk in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 3) berücksichtigt nicht hinreichend diese Rechtsentwicklung und interpretiert die Frist von 36 Monaten zu Unrecht als reine Wartefrist.

Die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab 28. August 2007 (Vorbezugszeit von 48 Monaten; Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) stützen die für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 vorgenommene Auslegung. Zwar wird die Anhebung auf 48 Monate mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung - Beschäftigungsverfahrensordnung - (§ 10) begründet, der nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewährt (Satz 3). Für den Zeitpunkt der Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau wird dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von 4 Jahren sei davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065, S 232 zu Nummer 2 <§ 2>; vgl auch Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 11, Stand Oktober 2007). Dennoch wurde die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG beibehalten; es bestehen deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analog-Leistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit sollten vielmehr nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (BT-Drucks 16/5065, S 155). Niedrige Leistungen sollten also dazu dienen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben. Die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw geduldete Ausländer ist insoweit mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar schon möglich, wenn sie sich ein Jahr gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten (§ 61 Abs 2 Asylverfahrensgesetz, § 10 Beschäftigungsverfahrensordnung).

10. Die Kläger - hier insbesondere die Klägerin zu 6 - können sich, soweit die Vorbezugszeit am 1. Juli 2003 nicht erfüllt war, nicht darauf berufen, dass ihnen ab diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 2 AsylbLG nur zu Unrecht bewilligt worden seien, solange diese Leistungsbewilligung nicht aufgehoben ist oder wird (§ 77 SGG). Andernfalls würde der Ausländer von der rechtswidrig zu hohen Leistungsgewährung in zweifacher Hinsicht begünstigt. Er würde zunächst zu hohe Leistungen erhalten und sich später im Hinblick auf die Vorbezugszeit darauf berufen können, dass er nur einen Anspruch auf geringere Leistungen nach § 3 AsylbLG gehabt hätte. Die Bindungswirkung der Leistungsbewilligung beschränkt sich nicht nur auf die im Bewilligungsbescheid geregelte Leistung selbst. Vielmehr hat die materielle Bindungswirkung eines Bescheides zur Folge, dass die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung unabhängig von seinen rechtlichen Voraussetzungen und einem ihm anhaftenden Rechtsmangel grundsätzlich zwischen den Beteiligten zu beachten ist. Die fehlende Übereinstimmung des Bezugs mit dem materiellen Leistungsrecht kann also nicht vor der Aufhebung des Bescheides geltend gemacht werden (vgl BSGE 47, 241, 246 = SozR 4100 § 134 Nr 11). Schließlich sprechen Gründe der Praktikabilität für diese Auslegung, weil andernfalls bei jedem Alternativbezug einer Leistung, aber auch bei Nichtbezug irgendeiner Leistung, immer die Rechtmäßigkeit dieses Leistungsbezuges und/oder ein eigentlicher bzw fiktiver Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG geprüft werden müsste.

11. Selbst wenn die Kläger zu 1 und 2 die Vorbezugszeit erfüllt haben sollten, ist bei minderjährigen Kindern - insbesondere der Klägerin zu 6 -, die in einer Haushaltsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil leben, nicht mit Blick auf § 2 Abs 3 AsylbLG auf die Erfüllung dieser Voraussetzung zu verzichten. Nach § 2 Abs 3 AsylbLG erhalten minderjährige Kinder Analog-Leistungen nur dann, wenn mindestens ein Elternteil diese Leistungen erhält. Mit § 2 Abs 3 AsylbLG sollte zwar erreicht werden, dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern (grundsätzlich) keine anderen Leistungen gewährt werden als ihren Eltern, mit denen sie in einer Haushaltsgemeinschaft leben (BT-Drucks 13/2746, S 16 zu § 2 Abs 3). Die gewollte leistungsrechtliche Gleichbehandlung bezweckt aber keine an einem Familienmitglied orientierte Besserstellung anderer Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft, sondern normiert nur eine zusätzliche leistungseinschränkende Voraussetzung auf Analog-Leistungen für den in § 2 Abs 3 AsylbLG genannten Personenkreis. Dies ergibt sich aus Systematik ("erhalten Leistungen nach Abs 1") und Wortlaut ("nur") der Norm sowie der Rechtsentwicklung.

12. Für die Zeit ab 28. August 2007 (siehe zum Streitgegenstand insoweit unter 4) setzt der Anspruch auf Analog-Leistungen sogar eine Vorbezugszeit im oben genannten Sinn von 48 Monaten voraus. Durch Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I 1970) ist die Vorbezugszeit von 36 auf 48 Monate ausgedehnt worden. Die Änderung trat nach Art 10 Abs 1 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung vom 27. August 2007 ohne Übergangsregelung in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt entfällt ein bis dahin bestehender Anspruch auf Analog-Leistungen, wenn der Ausländer noch keine 48 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen hatte (so auch Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 11a, Stand August 2007). Leistungen nach § 2 AsylbLG genügen auch hier nicht zur Erfüllung der Vorbezugszeit (aA Herbst, aaO); insoweit gilt nichts anderes als das zur Vorbezugszeit von 36 Monaten Gesagte (siehe oben unter 9). Eine Einbeziehung der Leistungen nach § 2 AsylbLG bei der Ermittlung der Vorbezugszeit von nunmehr 48 Monaten ist nicht nur nach der historischen Entwicklung der Norm (siehe dazu unter 9), sondern auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG nicht gerechtfertigt.

Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit zwar nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 112, 368, 401; stRspr). Die Neuregelung über die Vorbezugszeit bewirkt, dass ein Leistungsberechtigter, der vor Inkrafttreten der Neuregelung keine 48 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG, sondern im Hinblick auf die frühere Regelung nach einer Vorbezugszeit von 36 Monaten Leistungen nach § 2 AsylbLG bezogen hat, im Vergleich zu der Gruppe von Ausländern, die ausschließlich Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen und vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 2 Abs 1 AsylbLG nF mangels Vorbezugszeit von 36 Monaten (noch) keinen Anspruch auf Analog-Leistungen hatten, nicht anders oder besser gestellt wird. Alle Leistungsberechtigten unterfallen dem Anwendungsbereich von § 2 AsylbLG nF in gleicher Weise und sind von dem vierjährigen Ausschluss von Leistungsansprüchen entsprechend dem SGB XII betroffen. Ohne Unterschied müssen alle Leistungsberechtigte 48 Monate unter Einschluss von Zeiten vor dem 28. August 2007 Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben. Mit dieser Verschärfung der Regelung greift der Gesetzgeber auf die vergleichbare Situation im Jahr 1997 zurück (siehe dazu unter 9), wählt dabei allerdings eine für die Leistungsempfänger günstigere Variante, weil die Änderung ab 1. Juni 1997 eine Vorbezugszeit (36 Monate) auch für Empfänger von Analog-Leistungen einführte, die sogar erst ab dem 1. Juni 1997 zu laufen begann.

13. Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot - Art 20 Abs 3 GG iVm Art 2 Abs 1 GG (vgl zu § 2 Abs 1 AsylbLG in der ab dem 1. Juni 1997 geltenden Fassung: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Urteil vom 14. Juli 2000 - 12 B 99.1545; siehe auch die weitere Rechtsprechung bei Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 22, Stand Februar 2006; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 RdNr 2). Eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) sieht die Regelung nicht vor; das Gesetz greift nicht nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, in der Vergangenheit liegende Tatbestände ein (BVerfGE 11, 139, 145 f; 23, 12, 32 = SozR Nr 68 zu Art 3 GG). Es regelt lediglich Rechtsverhältnisse für Zeiträume nach seiner Verkündung. Ob damit eine so genannte unechte Rückwirkung vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Diese setzt voraus, dass eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl: BVerfGE 43, 291, 391; 72, 175, 196; 79, 29, 45 f). Ob das Gesetz vom 19. August 2007 durch die Verlängerung der Vorbezugszeit eine derzeitige Wirkung erzielt, ist zweifelhaft. Selbst wenn den Klägern Leistungen nach § 2 AsylbLG über den 27. August 2007 hinaus bewilligt worden waren (siehe dazu unter 3 und 4), stellen Leistungen nach dem AsylbLG keine rentenähnliche Dauerleistung dar; dies erlaubt es der Verwaltung, die Voraussetzungen in regelmäßigen Abschnitten zu prüfen, zumal bei geduldeten Ausländern der Aufenthalt im Bundesgebiet nur als vorübergehend angesehen und die Abschiebung deshalb nur (befristet) ausgesetzt wird.

Selbst wenn man von einem Fall der unechten Rückwirkung ausgeht, erfüllen die Neuregelungen des Gesetzes vom 19. August 2007 die insoweit zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vertrauensschutz. Regelungen, die eine unechte Rückwirkung entfalten, sind grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE 97, 378, 389 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7; BVerfGE; 101, 239, 263; BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2 - zur zeitlichen Anspruchsbegrenzung der originären Arbeitslosenhilfe). Die Erwartung von Leistungsempfängern nach dem AsylbLG, Leistungen in einer bestimmten Höhe zu erhalten, ist schon angesichts deren vorübergehenden Charakters nicht überwiegend schutzwürdig. Ein Ausländer, der zur Ausreise verpflichtet ist und dem die Abschiebung angedroht, der vorübergehend aber geduldet wird, ohne dass die Ausreisepflicht formal hiervon berührt ist (§ 60a AufenthG; dazu unter 14d), darf nicht darauf vertrauen, auf Dauer bestimmte Leistungen in einer bestimmten Höhe zu erhalten, solange die Leistungen nicht auf ein Maß reduziert werden, das die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein nicht mehr garantieren kann. Hierzu hat bereits das BVerwG entschieden, der Umstand, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (in der Regel) geringer ausfielen als vergleichbare Leistungen nach dem BSHG (SGB XII), rechtfertige nicht die Annahme, der Gesetzgeber sichere mit den Leistungen nach dem AsylbLG nicht das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum (BVerwG Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 18). Es steht im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Ausländer mit ungesichertem Aufenthaltsstatus ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen, was mit dem Asylbewerberleistungsgesetz geschehen ist. Insbesondere ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, Art und Umfang von Sozialleistungen an Ausländer grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland (BVerfGE 116, 229 ff) oder dem Vorbezug abgesenkter Leistungen für einen bestimmten Zeitraum abhängig zu machen. Ein etwaiges Vertrauen des Ausländers genießt deshalb keinen Vorrang gegenüber den Belangen der Allgemeinheit, zu denen neben dem beabsichtigten Anreiz für den Ausländer, einer Beschäftigung nachzugehen, und die Regelung über die Vorbezugszeit § 104a AufenthG und § 10 der Beschäftigungsverfahrensordnung anzupassen, auch finanzielle Aspekte gehörten. Schon wegen ihres Charakters als Fürsorgeleistung unterliegen die Leistungen nach dem AsylbLG der jederzeitigen Änderbarkeit auch ohne eine Übergangsregelung (ebenso zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 3 RdNr 44)

14. a) Ob die Kläger zu 1 und 2 die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, lässt sich nach den Feststellungen des LSG nicht beantworten.

b) Der Begriff des Rechtsmissbrauchs wird im AsylbLG an keiner Stelle definiert. Er wurzelt in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben - § 242 Bürgerliches Gesetzbuch - (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 81, Stand März 2007). Als vorwerfbares Fehlverhalten beinhaltet er eine objektive - den Missbrauchstatbestand - und eine subjektive Komponente - das Verschulden - (Hohm, aaO, RdNr 82, 83). Der Vorschrift des § 2 und damit dem - die Beeinflussung der Aufenthaltsdauer dienenden - Rechtsmissbrauch liegt der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treuwidrig herbeigeführt hat. Demgegenüber genügt - anders als bei § 1a AsylbLG (dazu nur: Herbst, aaO, § 1a RdNr 15; Hohm, aaO, § 1a RdNr 101, Stand Dezember 2006) - nicht, dass die Dauer des Aufenthalts auf Gründen beruht, die in der Verantwortungssphäre des Hilfesuchenden liegen (so aber Decker in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 2 AsylbLG RdNr 16, Stand Juni 2005; siehe auch unter c).

c) In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 17, Stand Oktober 2007: "hohe Hürde"). Der Ausländer soll danach von Analog-Leistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand (Aufenthaltsdauer von 36 bzw 48 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl zum Rechtsmissbrauch nur: Palandt, BGB, 64. Aufl, § 242 RdNr 38 ff). Dabei genügt angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung wiegen für den Ausländer sowie über die Regelung des § 2 Abs 3 AsylbLG für dessen minderjährige Kinder so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss (vgl Adolph, aaO). Daher führt nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Ausschluss von Analog-Leistungen; nur dann ist es gerechtfertigt, auch die minderjährigen Kinder mit den Folgen dieses Verhaltens zu belasten.

Die Gesetzesbegründung führt insoweit beispielhaft die Vernichtung des Passes und Angabe einer falschen Identität (BT-Drucks 15/420, S 121) als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an, es sei denn, sie wären ihrerseits eine Reaktion auf oder eine vorbeugende Maßnahme gegen objektiv zu erwartendes Fehlverhalten des Staates, bei dem um Asyl nachgesucht wird - wie etwa eine rechtswidrige Zurückweisung bei der Einreise oder eine rechtswidrige Verweigerung der Einreise. Auf Rechtsmissbrauch kann sich der Staat dann nicht berufen, wenn er sich selbst rechtswidrig oder rechtsmissbräuchlich verhält. Die Regelung ist damit deutlich empfängerfreundlicher als § 2 Abs 1 Nr 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl I 1074). Danach waren noch Analog-Leistungen für Leistungsberechtigte (unter anderem) vorgesehen, "wenn sie eine Duldung erhalten haben, weil ihrer freiwilligen Ausreise Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben". Nach der Gesetzesbegründung sollte (schon) jeder Sachverhalt für den Ausschluss von Analog-Leistungen genügen, der in der Verantwortungssphäre des Betroffenen zu finden war, wie etwa der Verlust von Ausweispapieren, falls keine ungewöhnlichen anderen Gründe dafür ersichtlich waren (BT-Drucks 12/5008, S 16 zu § 1a). Die im Vergleich zu § 2 Abs 1 AsylbLG, in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung deutlich schwächere Formulierung "vertreten haben" zeigt, dass für den Ausschluss von Analog-Leistungen ein weit strengerer Maßstab anzulegen ist. Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls.

d) Ausgehend von diesem Maßstab ist für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht schon die zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechtsposition ausreichend, die der Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm möglich und zumutbar wäre, auszureisen (so noch BSG SozR 4-3520 § 2 Nr 1 RdNr 16). Ist die Abschiebung ausgesetzt, bleibt nach dem AufenthG die Ausreisepflicht zwar unberührt (§ 60a AufenthG). Eine Pflicht im eigentliche Sinn kann damit aber mangels Vollziehbarkeit der Abschiebung nicht verbunden sein. Es wäre widersprüchlich, den Aufenthalt des Ausländers vorübergehend zu dulden und ihm gleichzeitig den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen, obwohl der Staat selbst zeitweise darauf verzichtet, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Demgemäß ist regelmäßig auch weder in der Stellung eines Asylantrags selbst (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 83, Stand März 2007) noch im Verbleiben des Ausländers während des Asylverfahrens (§§ 55, 67 Asylverfahrensgesetz: Aufenthaltgestattung) bis zur Rechtskraft einer ablehnenden Entscheidung ein Rechtsmissbrauch zu sehen. Nach der Ausländer nicht ausnehmenden prinzipiellen Ordnung des Verhältnisses des Einzelnen zum Staat im Grundgesetz vermittelt die Duldung dem Ausländer eine geschützte Rechtsposition. Sie stellt einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt dar, auf dessen Erteilung der Ausländer bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat (BVerwGE 105, 232 ff). Hält der Staat, etwa aus völkerrechtlichen bzw humanitären Gründen oder zur Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, den weiteren Verbleib des Ausländers selbst für erforderlich oder ist eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sogar unmöglich, kann dem Ausländer die Inanspruchnahme einer Duldung nicht vorgeworfen werden. Nicht in dem Nichtausreisen des Ausländers trotz (formaler) Ausreisepflicht (Duldung) liegt ein Rechtsmissbrauch, sondern allenfalls in den Gründen, die hierzu geführt haben. Der Aufenthaltsstatus (Duldung) ist für die Beantwortung der Frage, ob der Ausländer seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, unerheblich. Hat der Ausländer diese Gründe zu vertreten, hat er also insoweit selbst Einfluss auf das Geschehen genommen, kann nur deshalb, nicht aber wegen bestehender Ausreisepflicht, ein Rechtsmissbrauch bejaht werden.

e) Wird mithin das LSG zu ermitteln haben, ob sich die Kläger in anderer Weise als durch Nichtausreise rechtsmissbräuchlich verhalten haben, wird es auch zu beachten haben, dass das rechtlich missbilligte Verhalten mit der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes kausal verknüpft sein muss (dazu unter g). Ein Rechtsmissbrauch im oben genannten Sinn kann deshalb nur vorliegen, wenn der Ausländer sich hierüber auch bewusst ist; ein bloß fahrlässiges Verhalten für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs genügt nicht (vgl auch § 104a Abs 1 Satz 1 Nr 4 AufenthG). Vielmehr setzt der Vorwurf sowohl Vorsatz bezüglich der tatsächlichen Umstände als auch der Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts voraus. In der bloß fahrlässig herbeigeführten Verlängerung der Aufenthaltsdauer liegt - anders als bei § 1a AsylbLG (dazu unter i) - kein so schwer wiegender Verstoß gegen die Rechtsordnung, dass eine - nicht nur zeitlich begrenzte (dazu unter f) - Absenkung der Leistungen gerechtfertigt wäre; ein bloß fahrlässiges Verhalten kann unter Berücksichtigung der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland nicht als sozialwidrig eingestuft werden. Ggf wird das LSG zu beurteilen haben, ob der Schuldvorwurf entfällt, wenn die Kläger - glaubhaft - davon ausgegangen sind, dass ihr Verhalten durch rechtswidriges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten des Staates "gerechtfertigt", also nicht sozialwidrig wäre (siehe unter c). Hierfür können die im Strafrecht entwickelten Grundsätze des Irrtums über die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes nutzbar gemacht werden (vgl dazu: Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl, § 16 RdNr 16 ff).

f) Soweit es das Tatbestandsmerkmal "Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts" betrifft, ist auf den gesamten Zeitraum des Leistungsberechtigten in Deutschland abzustellen (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 2 AsylbLG RdNr 4; Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 72, Stand März 2007). Ob der Rechtsmissbrauch (eine etwaige Vernichtung der Pässe) selbst in diesen Zeitraum fällt, ist hingegen nicht entscheidend. Auch ein Verhalten vor der Einreise in das Bundesgebiet, das der Beeinflussung der (gesamten Dauer) des Aufenthalts dient, kann sich als rechtsmissbräuchlich erweisen. Der Zeitraum beginnt entgegen der Auffassung des LSG nicht mit der Vollziehbarkeit der Ausreiseaufforderung einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens - hier am 4. Mai 2001 - (§ 38 Abs 1 Asylverfahrensgesetz iVm § 59 AufenthG bzw bis zum 31. Dezember 2004 § 50 Ausländergesetz), sondern bereits mit dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer sich rechtsmissbräuchlich verhält. Ist der Rechtsmissbrauch zeitlich vor der Einreise anzusiedeln, wirkt er sich ab Einreise der Kläger am 10. Dezember 1998 aus.

Ebenso wenig ist es in diesem Zusammenhang entscheidend, ob der Missbrauchstatbestand aktuell andauert oder die Annahme rechtfertigt, er sei noch kausal (zur Kausalität siehe unter g) für den derzeitigen Aufenthalt des Ausländers. Soweit der für das Asylbewerberleistungsrecht früher zuständige 9b-Senat in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2007 (SozR 4-3520 § 2 Nr 1) darauf abgestellt hat, ob es den Klägern (aktuell) zumutbar sei, in das Heimatland auszureisen und ein etwaiger früherer Rechtsmissbrauch damit bedeutungslos würde, beruht dies zum einen auf der Auffassung, eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer liege auch darin, dass der Ausländer zur Ausreise verpflichtet und ihm die Ausreise tatsächlich und rechtlich möglich und zumutbar sei; sie ist andererseits mit der Struktur der Regelung, die keinen "aktuellen wichtigen Grund" als Rechtfertigung normiert, unvereinbar. An dieser Rechtsprechung hält der Senat deshalb nicht fest. Ob die Ausreise aktuell zumutbar ist, ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2 AsylbLG ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein der Zusammenhang zwischen der gesamten Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland und dem Fehlverhalten des Ausländers, gleichgültig, ob dieses Fehlverhalten einmalig oder auf Dauer angelegt ist bzw war oder ob es sich wiederholt hat. Nach der Gesetzesbegründung sollen von dem Anspruch auf Analog-Leistungen Fälle ausgenommen werden, in denen der Ausländer rechtsmissbräuchlich die Dauer seines Aufenthaltes selbst beeinflusst hat; beispielhaft werden die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität aufgeführt (BT-Drucks 15/420, S 121). Diese Begründung zeigt, dass gerade ein einmaliges Verhalten bereits bei oder vor der Einreise nach Deutschland zum Anlass genommen wurde, dem Ausländer nach Ablauf von drei bzw vier Jahren einen Anspruch auf Analog-Leistungen vorzuenthalten (vgl in diesem Sinne auch § 104a Abs 1 Satz 1 Nr 4 AufenthG). Ein Ausländer, der seine Aufenthaltsdauer selbst missbräuchlich beeinflusst hat, ist nicht schutzbedürftig (vgl zur zu berücksichtigenden Dauer auch Hohm, NVwZ 2005, 388 f), solange ihm das Aufenthaltsrecht keinen gefestigten Aufenthaltsstatus zugesteht.

Soweit in der Gesetzesbegründung gleichzeitig davon die Rede ist, dass die Regelung darauf abziele, zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen könnten, und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkämen (BT-Drucks, aaO), ändert dies an der gewonnenen Auslegung des § 2 AsylbLG nichts. Denn zum einen nimmt diese Begründung lediglich auf die allgemeine Intention des Gesetzes Bezug und beruht zum anderen ganz offensichtlich auf dem Referentenentwurf vom 3. August 2001, der nur Leistungsberechtigte nach § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG in den Genuss von Analog-Leistungen kommen lassen wollte (siehe unter d; vgl Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 68, Stand Dezember 2006).

g) Zwischen dem Verhalten des Ausländers und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut zwar einer kausalen Verknüpfung. Allerdings zeigen bereits Gesetzeswortlaut ("Beeinflussung", nicht Verlängerung) und Gesetzesbegründung, die ua in ihrer beispielhaften Aufzählung die Vernichtung eines Passes nennt, dass eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes ausreicht, also kein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn erforderlich ist (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG RdNr 18b, Stand Oktober 2007; aA, ohne dies jedoch zu problematisieren, Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 77, Stand März 2007, und Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr 28, Stand August 2007). Dies bedeutet, dass jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten, das - typisierend - der vom Gesetzgeber missbilligten Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dienen kann, ausreichend ist, um die kausale Verbindung zu bejahen. Ob etwa das Asylverfahren tatsächlich verzögert wurde (so Herbst, aaO) und eine frühere Abschiebung der Kläger erfolgt und deshalb in einem ggf "kleineren Zeitfenster" möglich gewesen wäre, bedarf im Hinblick auf die typisierende Betrachtung keiner Entscheidung. Eine solche wäre in aller Regel auch nicht möglich, weil keine sichere Aussage über einen hypothetischen Kausalverlauf getroffen werden könnte. Wie sollte beurteilt werden, wie lange ein Asylverfahren bei anderem Verhalten des Ausländers gedauert hätte und ob der Ausländer bei einer kürzeren Verfahrensdauer ausgewiesen worden oder ausgereist wäre.

Eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können (so im Ergebnis auch Herbst, aaO, RdNr 28), etwa weil die Erlasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte. In diesen Fällen ist eine typisierende Betrachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entsprechen nicht der oben geschilderten Typik. Lässt es sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers.

15. Soweit das LSG feststellen sollte, dass den Klägern zu 1 und 2 Analog-Leistungen nicht zustehen, gilt dies auch für die minderjährigen Kläger zu 4 bis 6 und für den Kläger zu 3 jedenfalls bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Gemäß § 2 Abs 3 AsylbLG erhalten nämlich minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Abs 1 erhält. Sollten die Kläger die Dauer ihres Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Analog-Leistungen erfüllen, hätte dies also nicht zwangsläufig auch für die Kinder Analog-Leistungen zur Folge. Vielmehr hätte das LSG dann bei jedem einzelnen Kläger zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 AsylbLG (insbesondere die Vorbezugszeit - siehe unter 11 - und ein eigenes rechtsmissbräuchliches Verhalten) vorliegen. Hinsichtlich des Rechtsmissbrauchs würde das LSG beim Verschulden dann aber die Einsichtsfähigkeit der minderjährigen Kläger zu prüfen haben.

Dies gilt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auch für den Kläger zu 3. Für die Zeit ab Vollendung des 18. Lebensjahres ist er hingegen selbst dann, wenn seinen Eltern keine Analog-Leistungen zustehen sollten, nicht wegen eines etwaigen Fehlverhaltens seiner Eltern von Analog-Leistungen ausgeschlossen. Ein Fehlverhalten der Eltern als gesetzliche Vertreter kann dem Kind nämlich nach dem zwingenden Wortlaut des § 2 Abs 1 AsylbLG ("selbst") der auf ein höchstpersönliches Verhalten hinweist, nicht zugerechnet werden (so auch Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 RdNr 19, Stand Oktober 2007). Andernfalls bliebe für die einschränkende Regelung des § 2 Abs 3 AsylbLG kaum ein realitätsrelevanter Anwendungsbereich. Der Gesetzgeber hat in § 2 Abs 1 AsylbLG bewusst eine andere Formulierung als in § 1a Nr 2 AsylbLG ("aus von ihnen zu vertretenden Gründen") gewählt (vgl zur Auslegung dieses Passus nur: Hohm, AsylbLG, § 1a RdNr 98 ff, Stand Dezember 2006: "Verantwortungsbereich"). Der insoweit strengere Maßstab des § 2 Abs 1 AsylbLG rechtfertigt sich daraus, dass § 2 AsylbLG anders als § 1a Nr 2 AsylbLG eine dauerhafte Leistungsabsenkung zur Folge hat (dazu unter 14i).