VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 20.01.2009 - 5 K 181/08 - asyl.net: M14956
https://www.asyl.net/rsdb/M14956
Leitsatz:

Auch nichteheliche Lebenspartner bzw. nach religiösem Ritus getraute Partner sind in den Fällen des § 104 a Abs. 3 AufenthG bei Straftaten ihres Ehegatten von der Anwendung der Altfallregelung ausgeschlossen.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Altfallregelung, Straftat, Familienangehörige, religiöse Eheschließung, nichteheliche Lebensgemeinschaft, atypischer Ausnahmefall, besondere Härte
Normen: AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 6; AufenthG § 104a Abs. 3
Auszüge:

Auch nichteheliche Lebenspartner bzw. nach religiösem Ritus getraute Partner sind in den Fällen des § 104 a Abs. 3 AufenthG bei Straftaten ihres Ehegatten von der Anwendung der Altfallregelung ausgeschlossen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Der Beklagte ist in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht verpflichtet, den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen. Diese ergibt sich weder aus § 23 Abs. 1, noch aus § 25 Abs. 5 noch aus § 104a des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 BGBl I S. 162 (AufenthG). [...]

Der Beklagte ist auch nicht gemäß § 104a Abs. 1 Sätze 1 und 3 AufenthG verpflichtet den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. [...]

Darüber hinaus setzt § 104a AufenthG in seinem Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 voraus, dass der Ausländer nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden ist, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Diese Ausschlussvorschrift greift zu Lasten des Klägers ein, denn er ist durch Strafbefehl des Amtsgerichts Coesfeld vom 00. Januar 2006 wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt worden. Es handelt sich entgegen der von seinem Prozessbevollmächtigten geäußerten Ansicht nicht um ein Bagatelldelikt, denn der Kläger hat eine Frau mit einem Messer sexuell belästigt.

Auch die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG. Selbst wenn sich die Klägerin das strafbare Verhalten des Klägers nicht zurechnen lassen muss, weil der Ausschlusstatbestand des § 104a Abs.3 Satz 1 AufenthG in ihrer Person nicht gegeben ist mit Rücksicht darauf, dass die Kläger nur nach religiösem Ritus geheiratet haben und deshalb keine staatlich anerkannte Ehe führen, sondern nur eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bilden. Nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in der Begründung der Bundesregierung zu dem einschlägigen Gesetzentwurf zum Ausdruck gekommen und im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht in Frage gestellt worden ist (vgl. die Begründung der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinie der Europäischen Union, in Bundestags-Drucksache 16/1565 S. 125), sind Straftaten von Partnern eheähnlicher Gemeinschaften im Rahmen des Soll-Ermessens des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der Weise zu berücksichtigen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Nummer 6 des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Ausübung des Soll-Ermessens regelmäßig eine Aufenthaltserlaubnis für den Lebenspartner des straffällig gewordenen anderen Lebenspartners nicht in Betracht kommt, mithin sich Straftaten von Lebenspartnern aufenthaltsrechtlich ebenso nachteilig auswirken wie Straftaten von Eheleuten. Eine Besserstellung von Lebenspartnern gegenüber Eheleuten ist verfassungsrechtlich nicht geboten, vielmehr mit Rücksicht auf den Schutz von Ehe und Familie verfassungsrechtlich fragwürdig.

Die Klägerin hat auch keine besonderen Umstände vorgetragen, die es gebieten könnten, dass Soll-Ermessen zu ihren Gunsten auszuüben und ihr eine Aufenthaltserlaubnis trotz der Straftat ihres Lebenspartners zu erteilen.

Zwar sieht § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor, dass Satz 1 nicht für den Ehegatten eines Ausländers gilt, der Straftaten im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des Absatzes 1 im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Diese Voraussetzungen sind ebenfalls nicht gegeben. Die Klägerin erfüllt schon deshalb nicht die Voraussetzungen des Absatzes 1, weil sie nicht über die nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geforderten Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dies ergibt sich aus den Aktenvermerken des Beklagten vom 4. Juni 2008 und vom 1 August 2008, denen die Klägerin im Klageverfahren nicht substantiiert entgegen getreten ist.

Darüber hinaus ist die Regelung des § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG schon deshalb nicht einschlägig, weil die Klägerin gerade kein Ehegatte des Klägers im Sinne dieser Vorschrift ist. Selbst wenn eine entsprechende Anwendung des § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG auf Lebenspartnerschaften erwogen werden sollte, liegen die dortigen Voraussetzungen deshalb nicht vor, weil es für die Klägerin keine besondere Härte im Sinne dieser Regelung bedeutet, wenn sie keine Aufenthaltserlaubnis erhält und zusammen mit ihrem Lebensgefährten die Bundesrepublik Deutschland verlassen muss, um die eheliche Lebensgemeinschaft im Kosovo wieder aufzunehmen, wie sie schon mindestens seit 1981 bis zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1992 dort geführt worden ist. [...]