VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Beschluss vom 29.10.2009 - 4 E 2924/09 - asyl.net: M16231
https://www.asyl.net/rsdb/M16231
Leitsatz:

Die Richtlinie 2003/109/EG (Daueraufenthaltsrichtlinie) fordert nicht die Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn zwar eine Beschäftigung angestrebt, zulässigerweise aber nicht aufgenommen werden kann.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Richtlinie 2003/109/EG, langfristig Aufenthaltsberechtigte, Spanien, Daueraufenthalt, Beschäftigung, Vorrangprüfung, Daueraufenthaltsrichtlinie
Normen: VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, AufenthG § 84 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 38a Abs. 1, RL 2003/109/EG Art. 4, AufenthG § 18 Abs. 2, AufenthG § 5, AufenthG § 39 Abs. 2 S. 1
Auszüge:

[...]

I. Ein Anspruch des Antragstellers, der aus Nigeria stammt, über eine bis zum 19.04.2013 befristete spanische Aufenthaltsberechtigung verfügt und zum Zweck der Aufnahme einer unselbstständigen Beschäftigung im Reinigungsgewerbe in das Bundesgebiet eingereist ist, dürfte zunächst nicht aus § 38a Abs. 1 AufenthG folgen. Gemäß § 38a AufenthG ist in Umsetzung der Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 einem Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhält. Nicht dargetan ist bereits, dass der Antragsteller überhaupt in den Kreis der von § 38a AufenthG begünstigten langfristig Aufenthaltsberechtigten i.S. von Art. 4 bis 7 der Richtlinie 2003/109/EG fällt. Entgegen Art. 8 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/109/EG enthält die bei den Akten befindliche Kopie des Aufenthaltstitels des Antragstellers nicht die erforderliche Bezeichnung "Daueraufenthalt – EG", auf Spanisch "Residente de larga duración – CE". Die Frage kann indes offen bleiben, weil unabhängig davon sowohl § 18 Abs. 2 AufenthG als auch § 5 AufenthG der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 38 a Abs. 1 AufenthG voraussichtlich entgegen stehen.

1. Der Anspruch auf den begehrten Aufenthaltstitel dürfte ausgeschlossen sein, weil die Bundesagentur für Arbeit die bei einer Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme einer – wie hier – nicht zustimmungsfreien Beschäftigung gemäß § 38a Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V. mit § 18 Abs. 2 AufenthG erforderliche Zustimmung mit Schreiben vom 21.09.2009 versagt hat. Zur Begründung hat die Bundesagentur ausgeführt, dass bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Feststellung zieht der Antragsteller nicht in Zweifel. Er wendet sich vielmehr gegen die europarechtliche Zulässigkeit der Vorrangprüfung gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 lit. b) AufenthG. Diese Bedenken teilt die Kammer nicht (ebenso VGH Mannheim, Beschl. v. 18.03.2008 – 11 S 378/07, juris). Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2003/109/EG sieht ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht eine Arbeitsmarktprüfung einführen und dabei hinsichtlich der Anforderungen für die Besetzung einer freien Stelle bzw. hinsichtlich der Ausübung einer solchen Tätigkeit ihre nationalen Vorschriften anwenden können. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland zulässigerweise Gebrauch gemacht.

Die von dem Antragstellervertreter in Bezug genommene Vorschrift des Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG, der eine weitergehende Gleichbehandlung gemäß Art. 11 der Richtlinie verlangt, gilt hingegen erst ab dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer einen Aufenthaltstitel im Aufnahmeland – hier der Bundesrepublik – gemäß § 38a AufenthG und Art. 19 der Richtlinie erlangt hat. Erst ab dann stellen sich die von dem Antragstellervertreter aufgeworfenen Fragen. Entsprechend führt die von dem Antragstellervertreter in Bezug genommene Literaturstelle nur aus, dass der von § 38a AufenthG erfasste Personenkreis den Vorrang gegenüber anderen neu einreisenden Drittstaatsangehörigen erhalten muss (vgl. Müller, in: HK-AuslR, 2008. § 38a, Rn. 25). Die in diesem Fall durchgeführte Vorrangprüfung gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 lit. b) AufenthG hat indes nur die bereits hier lebenden Personen mit Zugang zum Arbeitsmarkt im Blick gehabt.

Schließlich dürfte die Antragsgegnerin nach der Verweigerung der Zustimmung seitens der Bundesagentur zu Recht die Erteilung des Aufenthaltstitels insgesamt abgelehnt haben. Nach dem Wortlaut des § 38a Abs. 1 und 3 AufenthG ist zwar ein Verständnis möglich, wonach die Aufenthaltserlaubnis unabhängig davon zu erteilen ist, während allein die Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an die Zustimmung gekoppelt ist. Dieses Verständnis ist indes unzutreffend. Das Aufenthaltsgesetz koppelt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG stets an einen Aufenthaltszweck. Auch aus § 38a Abs. 3 Satz 2 AufenthG ergibt sich eindeutig, dass die Vorschrift davon keine Ausnahme machen will. Dies steht schließlich nicht in Widerspruch zu der Richtlinie 2003/109/EG. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass die in Kapitel III der Richtlinie festgelegten Bedingungen – dazu gehört auch die Arbeitsmarktprüfung gemäß Art. 14 Abs. 3 – zur Voraussetzung der Erlangung eines Aufenthaltstitels gemacht werden können. Art. 15 Abs. 4 Uabs. 3 lit. a) der Richtlinie 2003/109/EG legt weiter fest, dass der Nachweis einer Beschäftigung zur Bedingung des Aufenthalts gemacht werden kann, sofern dieser die Erwerbstätigkeit zum Ziel hat. Beides zeigt, dass die Richtlinie nicht die Erteilung eines Aufenthaltstitels fordert, wenn zwar eine Beschäftigung angestrebt, zulässigerweise aber nicht aufgenommen werden kann. [...]