VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Urteil vom 07.10.2010 - 11 K 4710/09 - asyl.net: M17824
https://www.asyl.net/rsdb/M17824
Leitsatz:

Der NWRI und der sie tragende MEK (Volksmodjahedin Iran) haben sich von Bestrebungen abgewandt, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der BRD gefährden.

Auf diese kollektive Haltungsänderung kann sich der Kläger [Anm. der Red.: hier im Einbürgerungsverfahren] individuell berufen.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Günstigkeitsregelung, Anspruchseinbürgerung, anerkannter Flüchtling, Iran, Volksmodjahedin, Exilpolitik, NWRF,
Normen: StAG § 40c, StAG § 10 Abs. 1 a. F., StAG § 11 S. 1 Nr. 2 a. F., StAG § 12 Abs. 1 Nr. 6,
Auszüge:

[...]

Der Kläger zu 1 hat danach einen Einbürgerungsanspruch nach der insgesamt günstigeren Regelung des § 10 Abs. 1 StAG a.F. Dieser Anspruch wird entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F., der durch die Neuregelung insoweit keine Veränderung gefunden hat, ausgeschlossen. [...]

Danach ist die Einbürgerung (u.a. dann) zu versagen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.

Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (Berlit, Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Anm. 127 und 131 zu § 11 StAG). Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet oder vorbereitet, wohl aber im Herkunftsland gewaltförmig agiert oder – als politische Exilorganisation – dortige entsprechende Bestrebungen durch Propaganda, Sammeln und Überweisen von Spenden oder Anwerbung von Kämpfern unterstützt (Berlit, a.a.O., Rn. 131; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2002, - 13 S 1111/01 -, <Juris>). Hierunter fallen Anschläge mit Waffen oder Sprengstoff gegen Personen oder Sachen sowie die unter Einsatz von Gewalt erfolgende Eintreibung von Mitteln für die Organisation, wie Spendenerzwingung. Zu den Vorbereitungshandlungen gehören z.B. die Waffenbeschaffung oder das Sammeln oder Bereitstellen hierfür erforderlicher Geldmittel (Berlit, a.a.O., Anm. 129, 130).

Dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen in diesem Sinne unterstützt, muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können (vgl. BT-Drs. 14/533 S. 18 f.). Andererseits genügen allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, nicht. Erforderlich ist eine wertende Betrachtungsweise, bei der auch die Ausländern zustehenden Grundrechte (Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG) zu berücksichtigen sind. Dabei können aber auch legale Betätigungen herangezogen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002, - 13 S 1111 /01 - <Juris> -; VGH München, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - <Juris> - ; VGH Kassel, Beschluss vom 06.01.2006, NVwZ-RR 2006, 429). Mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine unmittelbare Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (vgl. VGH München, Urteil vom 27.05.2003, - 5 B 01.1805 -, a.a.O.; VGH Kassel, Beschluss vom 06.01.2006, - a.a.O. -). Auch Unterstützungshandlungen in der Vergangenheit lösen ein zeitlich unbefristetes Einbürgerungshindernis aus; dann obliegt es dem Ausländer, glaubhaft zu machen, dass er sich hiervon abgewandt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2008 - 13 S 298/06 -). [...]

Nach den o.a. Grundsätzen erfüllen die dem Kläger vorgehaltenen Handlungen überwiegend die Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG.

Zumindest bis 2001/2003 gehörten die Volksmodjahedin bzw. ihre Auslandsorganisationen in Deutschland und auch anderswo in Europa (MEK) zu den Organisationen, die derartige Bestrebungen verfolgt haben (vgl. VG Hamburg, Urteile v. 30.09.2004, 10 K 4177/03, - 10 K 6189/03 -; Urteil vom 08.02.2005, - 10 K 1706/03 -; Urteil vom 06.02.2007, - 10 K 1773/06 -; Urteil vom 12.05.2009, - 10 K 906/08 -; VG Berlin, Urteil vom 23.08.2005, - 2 A 103.03 -; vgl. auch Berlit, aaO., Anm. 132). [...]

Der Kläger zu 1 hat sich auch nicht individuell von den somit einbürgerungsrelevanten Unterstützungshandlungen für die Volksmodjahedin, von denen hiernach auszugehen ist, glaubhaft abgewandt. [...]

Jedoch sprechen diese Äußerungen und die weiteren Umstände dafür, dass der Kläger zu 1 die inzwischen eingetretene kollektive Abwendung der iranischen Opposition in Europa, die den Exilgruppen der Volksmodjahedin bzw. dem NWRI zugeordnet werden, nachvollzogen hat und sich insoweit auf die veränderten Rahmenbedingungen berufen kann. Bei veränderten Rahmenbedingungen kann eine Abwendung auch dann vorliegen, wenn für eine in der Vergangenheit liegende historisch-politische Situation die Entscheidung für die Verfolgung oder Unterstützung der inkriminierten Bestrebungen weiterhin als richtig behauptet, aber hinreichend deutlich erkennbar wird, dass und aus welchen Gründen sich die Rahmenbedingungen nachhaltig geändert haben und aus diesem Grunde eine von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. angesprochene Tätigkeit nicht mehr zu befürchten ist (vgl. VGH München, Urteil vom 27.05.2003 - 5 B 00.1819 und 5 B 01.1805, jew. <Juris>; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.02.2008 - 13 S 457/06 und Urteil vom 10.11.2005 - 12 S 1696/05 - <Juris> -). Die Glaubhaftmachung der Abwendung erfordert die Vermittlung einer entsprechenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - <Juris> -). In diesem Sinne kann sich der Kläger zu 1 darauf berufen, dass sich die im NWRI repräsentierten iranischen Exilgruppen, insbesondere auch der MEK, inzwischen von der Anwendung von Gewalt als Mittel zum angestrebten Regimewechsels im Iran abgewendet haben und dies zur Überzeugung des Gerichts - nicht zuletzt aufgrund der geschaffenen Fakten - glaubhaft ist (vgl. dazu schon VG Berlin, Urteil vom 17.04.2008, - VG 23 X 27.06 -. n.v.). Dies ergibt sich aus folgenden Feststellungen, die auf allgemein zugänglichen oder ins Verfahren eingeführten Quellen beruhen:

Die ursprünglich gegen das Schah-Regime gerichtete Vereinigung der Volksmodjahedin entwickelte sich zunächst zu einer linksislamischen Massenbewegung und kämpfte in der iranischen Revolution gemeinsam mit Anhängern des iranischen Revolutionsführers Chomeini, dessen Machtapparat sie später jedoch - insbesondere nach einer Massendemonstration am 20.06.1981 - selbst verfolgte. Dadurch wurde die Organisation in den Untergrund gezwungen und antwortete zunächst mit Anschlägen auf Repräsentanten des neuen Staates. Die Organisation wurde im Iran schließlich zerschlagen. 1981 wurde in Paris der NWRI gegründet, der nach dem Sturz der Machthaber im Iran eine Übergangsregierung bilden sollte. Der NRWI bestand vor allem aus den Volksmodjahedin und einigen kleineren iranischen Exilgruppen. Das vom NWRI veröffentlichte Programm unterschied sich in wesentlichen Teilen von den Zielsetzungen der Volksmodjahedin im Iran und verfolgte u.a. die Trennung von Kirche und Staat, die Wiederherstellung der Grundrechte, die Verstaatlichung aller ausländischen Wirtschaftsunternehmen, die Durchführung einer Landreform, eine Alphabetisierungskampagne, den Schutz nationaler Minderheiten. Alle entscheidenden Positionen wurden und werden von Mitgliedern der Volksmodjahedin (MEK) bekleidet.

Die Nationale Befreiungsarmee (NLA) wurde 1987 gegründet und begann, mit Unterstützung von Saddam Hussein vom Irak aus, den Iran zu bekämpfen. Ziel war der Sturz der klerikalen Herrschaft im Iran. Bis 2000 wurden durch NLA-Kommandos Angriffe auf Militär- und Polizeigebäude und Anschläge auf Repräsentanten des iranischen Staates durchgeführt. Dazu wurden in öffentlichen Veranstaltungen in Europa, so auch in Deutschland, neue Kämpfer rekrutiert. Im Irak-Krieg wurde die NLA allerdings entwaffnet und seit 2003 befinden sich ca. 3800 NLA-Angehörige im heute einzigen Volksmodjahedin-Lager "Ashraf" nahe Bagdad, ursprünglich unter amerikanischer, heute unter irakischer Aufsicht, mit dem Status von "geschützten Personen".

In Europa bemühte sich der NWRI um Anerkennung als legale iranische Opposition. MEK und NLA wurden im Jahr 2002 von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen, der NWRI wurde dabei jedoch ausdrücklich ausgenommen. Seither bemühte sich der NWRI insbesondere darum, die Streichung der Untergliederungen aus der Liste zu erreichen. Auch seine politischen Ziele wurden revidiert. Seit Oktober 2003 fordert er, dass in einem Referendum über die künftige Staatsform des Iran entschieden werden soll, was in klarem Kontrast zum angestrebten militärischen Sturz des iranischen Regimes mit Hilfe der NLA in den 90er Jahren steht (vgl. zu allem: "Imagewandel der Volksmodjahedin Iran", Landesamt für Verfassungsschutz NRW, August 2005, www.im.nrw.de). Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt im Bericht für 2008 (S. 256 ff.) dazu weiter aus, die Organisation konzentriere ihre Aktivitäten auf politische Ziele in Westeuropa und den USA. Dabei komme dem NWRI die führende Rolle zu. Die aktuellen Aktionen des NWRI seien weiterhin durch Gewaltfreiheit gekennzeichnet. Die Organisation wolle als demokratische iranische Oppositionsbewegung wahrgenommen werden.

Mit Urteil vom 12.12.2006 hat der EuGH einer Klage des NWRI bzw. der MEK auf Streichung von der Liste der terroristischen Organisationen stattgegeben (Az. T-228/02). Die darauf ergangene Entscheidung des Ministerrats vom 30.01.2007, die Volksmodjahedin Iran erneut auf die Terrorismus-Liste zu nehmen bzw. zu belassen, beruhte auf der unzutreffenden Einschätzung, das Urteil sei von einem reinen und heilbaren Verfahrensfehler bei der Aufnahme der Volksmodjahedin in die Liste ausgegangen, und führte zu einer weiteren Klage, der der EuGH wiederum - mit Urteil vom 23.10.2008 (T-256/07) - stattgab. Erneut befolgte der Ministerrat diese Anordnung nicht (Ministerratsbeschluss vom 15.07.2008), so dass der EuGH ein drittes Mal, nämlich mit Urteil vom 03.12.2009 (T-284/08), entscheiden musste und den Beschluss 2008/583/EG des Rates vom 15.07.2008 zur Durchführung von Art.2 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/868/EG für nichtig erklärte, soweit er die People's Mojahedin Organization of Iran betraf . In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, es sei festzustellen, dass nicht rechtlich hinreichend erwiesen sei, dass der angefochtene Beschluss im Einklang mit Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 erlassen worden sei und keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler enthalte. - Maßgeblich in allen drei Verfahren war die Feststellung des EuGH, dass der Ministerrat nicht substantiiert zur Rechtfertigung seiner Entscheidung über die Aufnahme in die Liste vorgetragen habe, dem Gericht habe nichts vorgelegen, was es hätte rechtlich prüfen können. Als Folge hätten sich die Kläger auch nicht zu den Vorwürfen äußern können, ihr Recht auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren sei dadurch verletzt worden (vgl. dazu Bernd Häusler, Die Organisation der Volksmodjahedin Iran - ein Fall für die Wissenschaft?, Anlage 1 zum Erlass des Regierungspräsidium Stuttgart vom 22.07.2009, Bl. 80 ff. der Behördenakten).

In ihrer Erwiderung auf den Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom November 2008 ("BfV Bericht - Ignoranz eines legitimen Volkswiderstandes"), S. 12. ff. bekräftigte der (allerdings an den Feststellungen interessierte) NWRI den Gewaltverzicht und führte aus:

"Im Zusammenhang mit den Volksmodjahedin ist zu beachten, dass der PMOI-Führungsrat den Vorschlag zur Einstellung militärischer Operationen im Iran auf dem Sonderparteitag vom Juni 2001 - also 4 Monate vor dem 11. September - einbrachte und die Vollversammlung den entsprechenden Beschluss fasste. Noch im Juli 2001 setzte der PMOI-Führungsrat diesen Beschluss im Inland durch und die Volksmodjahedin beendeten ihre Operationen im Iran. Nach einem "Entwaffnungs- und Konsolidierungsabkommen" im Mai 2003 übergaben die PMOI-Mitglieder den US-geführten Koalitionskräften ihre sämtlichen Waffen freiwillig.

Dazu kommt noch, dass ebenfalls im Juli 2004 die Generalsekretärin und alle Mitglieder des Führungsrates und der Organisation in einer Erklärung den Terrorismus verurteilt und sich abermals von Gewalt distanzierten. Diese Stellungnahme wurde auch von Vertretern der Koalitionskräfte und der US-Regierung bestätigt. Darauf begründet sich der Rechtsstatus der iranischen Volksmodjahedin, die sich in Ashraf City aufhalten, als von der Vierten Genfer Konvention geschützte Personen. Sie haben bereits damals ihre Verpflichtung zu einem Referendum für den Regimewechsel des Mullahregimes unterstrichen..."

Diese kritisch zu hinterfragenden Verlautbarungen des NWRI entsprechen jedoch den Erkenntnissen, die schon zur Streichung der Volksmodjahedin von der Liste terroristischer Organisationen in Groß-Britannien geführt hatten. Diese beruhten auf einem förmlichen Erkenntnisverfahren der Proscribed Organisations Appeal Commission (POAC) vom 30.11.2007, das zu dem Ergebnis gekommen war, die Volksmodjahedin hätten seit August 2001 keinerlei terroristische Akte mehr verübt, sie hätten ihre militärischen Strukturen bis Ende 2002 aufgelöst und seit August 2002 keine Gewalt verherrlichenden Äußerungen mehr verlautbaren lassen, sie seien seit Mai 2003 entwaffnet, es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Rekonstruktion ihrer militärischen Macht und keinerlei Anlass für einen Verdacht, Personen für militärische oder terroristische Aktionen zu rekrutieren oder gar auszubilden (zitiert nach Häusler, aaO.).

Auch der frühere Verfassungsrichter Hassemer, der im Auftrag des NWRI und anderer iranischer Exilgruppen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder untersucht hat (veröffentlicht unter www.ncr-iran.org/de/images/stories/2009/pdf /gutachtenendfassung.pdf), kommt zu dem Ergebnis, dass Indizien für tatsächliche, hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für den Verdacht von solchen Bestrebungen (im Sinne von § 3 Abs. 1 BVerfSchG) des NWRI zumindest seit 2001/2002/2003 nicht vorliegen, die er auf den Seiten 94 bis 97 im einzelnen aufführt (auf welche Bezug genommen wird) und von welchen neben bereits genannten Umständen zumindest folgende besondere Erwähnung verdienen: So wurden in Deutschland zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des NWRI und der MEK usw. eingestellt, der Generalbundesstaatsanwalt beim BGH habe in einem Ermittlungsverfahren die Übernahme der Ermittlungen im Hinblick auf §§ 129, 129a StGB abgelehnt; das VG Köln habe darauf hingewiesen, dass zu den verschiedenen in Deutschland tätigen Vereinen der MEK keine Verbotsverfügung des BMI ergangen sei (Urteil vom 22.09.2005, - 16 K 6059/03.A-); der Britische Supreme Court of Judicature, Court of Appeal, habe den Antrag der britischen Innenministerin vom September 2006, das Verbot der MEK nicht aufheben zu müssen, abgewiesen (Urteil vom 07.05.2008 - 2007/9516-), u.a. weil auch die Sichtung von nicht öffentlich zugänglichen Unterlagen nicht den Schluss zulasse, die MEK beabsichtige, künftig zum Terrorismus zurückzukehren; schließlich habe die Präsidentin des NWRI bei einem Besuch des Mahnmals der Judenverfolgung am 25.11.2008 in Berlin Blumen niedergelegt, was auch wegen der anti-israelischen Haltung der derzeitigen iranischen Staatsführung bemerkenswert und von rechtlicher Bedeutung sei.

Es sind dem Gericht keine Umstände bekannt, die diesen Feststellungen entgegenstehen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des aktuellen "Berichts des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran" (Stand: Juni 2010) vom 28.07.2010 sowie der Dokumente, die über die Datenbank des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für das Gericht zugänglich sind. Infolgedessen erscheint es gerechtfertigt und folgerichtig, dass inzwischen sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch das Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ. (im Übrigen zum Beispiel auch das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen) im jeweiligen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009 auf eine die Volksmodjahedin betreffende Berichterstattung verzichtet haben, worauf der Zeuge in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat. Soweit noch vertreten wird, der Gewaltverzicht sei nicht echt und entspringe rein taktischen Überlegungen, eine Reaktivierung der NLA-Kämpfer im Lager Ashraf sei jederzeit möglich oder der militärische Kampf werde fortgesetzt usf. (vgl. dazu beispielsweise Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 12.05.2009, aaO.; Verfassungsschutzbericht 2009 des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg, "Für einen guten Zweck - NWRI missbraucht Spendengelder", 2010, www.verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail. php/lbm1.c.341980.de: "ein Teil der Mittel dient dazu, den militärischen Kampf zu finanzieren"), fehlt es dort an der Benennung von Tatsachengrundlagen, die diese Schlussfolgerungen belegen könnten.

Mit der Darlegung seiner eigenen Einstellung und die Gewaltfreiheit der von ihm unterstützten exiliranischen Vereinigungen, die im Wesentlichen den dargelegten, seither propagierten politischen Zielen und Mitteln des NWRI und der ihn tragenden Verbände entspricht, hat der Kläger zu 1 glaubhaft gemacht, dass er einen kollektiven Umdenkungsprozess mitgetragen bzw. nachvollzogen hat, der ihm im Sinne einer Abwendungshaltung zugute kommt. Das Gericht ist davon überzeugt, dass diese Abkehr von seinen früheren Aktivitäten für die Volksmodjahedin nicht auf taktischen Erwägungen im Hinblick auf sein Einbürgerungsverfahren beruht, was sich auch daraus ergibt, dass die dem Kläger zu 1 entgegen gehaltenen Aktivitäten (jedenfalls die Teilnahme an Demonstrationen für die Streichung der MEK von der Terrorliste der EU) bis ins Jahr 2005 reichte, also bis in den Zeitraum der vorliegenden Antragstellung. Außerdem hat der Kläger zu 1 nie die Aktivitäten als solche geleugnet. An der individuell gewaltfreien Haltung des Klägers zu 1, dem auch keine derartigen Handlungen vorgeworfen worden sind, hat das Gericht ohnehin keinen Zweifel.

Unter diesen Voraussetzungen hat das Gericht auch keine Zweifel an der Validität des vom Kläger abgelegten Bekenntnisses nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG a.F.

Damit kann der Kläger zu 1 seine Einbürgerung beanspruchen. Die Erfüllung der sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen nach § 10 StAG a.F. steht vorliegend nicht in Frage, was der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2010 ausdrücklich bestätigt hat. [...]