VG Wiesbaden

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Zitieren als:
VG Wiesbaden, Urteil vom 16.07.2010 - 4 K 87/10.WI(V) - asyl.net: M17837
https://www.asyl.net/rsdb/M17837
Leitsatz:

Die Erhebung von Gebühren von türkischen Staatsangehörigen für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen steht nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Gebühr, Aufenthaltserlaubnis, türkische Staatsangehörige, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Unionsbürger, Bearbeitungsgebühr, Verhältnismäßigkeit, Stillhalteklausel, Unionsrecht, Gleichheitsgrundsatz
Normen: AufenthV § 45 Nr. 2b, AufenthV § 49 Abs. 2, ARB 1/80 Art. 10 Abs. 1, ARB 1/80 Art. 13
Auszüge:

[...]

Soweit der Kläger die in Ziffer 7 der Verfügung vom 19.01.2010 festgesetzte Bearbeitungsgebühr in Höhe von 30,-- € unter Hinweis auf eine Entscheidung des EUGH vom 29.04.2010 rügt, kann das Klagebegehren ebenfalls keinen Erfolg haben. Wie bereits im Eilbeschluss ausgeführt, ergibt sich die Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der Bearbeitungsgebühr aus § 45 Nr. 2 b i.V.m. § 49 Abs. 2 AufenthV. Der EUGH hat in seinem Urteil vom 29.04.2010 (C-92/07) entschieden, dass das Königreich der Niederlande durch die Einführung und Beibehaltung einer Regelung für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen für türkische Staatsangehörige, die Gebühren für diese vorsieht, die im Vergleich zu den von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU für die Ausstellung entsprechender Dokumente verlangten Gebühren, unverhältnismäßig sind, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 9 des Assoziierungsabkommens, Art. 41 des Zusatzprotokolls und Art. 10 Abs. 1 und 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verstoßen hat. Aus dieser Entscheidung kann der Kläger indes nichts für sich herleiten. Ein erheblicher Unterschied zwischen der Rechtslage in den Niederlanden und der in der Bundesrepublik Deutschland ist zunächst darin zu sehen, dass in den die Gebühren regelnden §§ 44 ff. AufenthV keine Differenzierung zwischen EU-Bürgern einerseits und anderen Ausländern, insbesondere türkischen Staatsangehörigen, andererseits getroffen wird. Für alle Ausländer gelten die Gebührenvorschriften gleichermaßen.

Der Kläger hat auch nicht behauptet, geschweige denn aufgezeigt, hinsichtlich welcher Gebühren eine Ungleichbehandlung zwischen türkischen Staatsangehörigen und EU-Bürgern besteht. Die AufenthV gilt auch nicht etwa nur für Ausländer, die nicht EU-Staatsangehörige sind. Vielmehr ist die AufenthV aufgrund der §§ 69, 99 AufenthG erlassen worden. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU finden u.a. die §§ 69 und 99 AufenthG entsprechende Anwendung, so dass – wie ausgeführt – auch die Gebühren nach den §§ 48 ff. AufenthV für EU-Staatsangehörige gelten. Der Erlass von Vorschriften, die in gleicher Weise auf türkische Staatsangehörige und auf Unionsbürger Anwendung finden, stehen aber nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln (so EUGH, Urteil vom 29.04.2010 –C-92/07 – Rdnr. 62).

Aus den die Gebühren regelnden Vorschriften der AufenthV ist auch nicht ersichtlich, dass für türkische Staatsangehörige, für die Art. 13 Nr. 1/80 ARB gilt, Gebühren für ausländerrechtliche Maßnahmen verlangt werden, deren Höhe im Vergleich zu den von Unionsbürgern unter gleichartigen Umständen verlangten unverhältnismäßig sind (vgl. EUGH, Urteil vom 29.04.2010 – C-92/07 – Rdnr. 57, 63). Abgesehen davon ist eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von lediglich 30,-- €, wie sie in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffer 7 festgesetzt wurde, zu keiner der in den §§ 48 ff. AufenthV vorgesehenen Gebühren unverhältnismäßig.

Schließlich ist das Urteil des EUGH vom 29.04.2010 auch deshalb nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, da in der Bundesrepublik Deutschland – anders als in den Niederlanden – schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 ARB vom 19.09.1980 Gebühren für Aufenthaltserlaubnisse erhoben wurden (vgl. § 2 der Gebührenordnung zum Ausländergesetz vom 20.12.1977, BGBl. I 1977, 2840). Es sind also nicht nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 ARB zu Lasten von türkischen Staatsangehörigen neue Gebührentatbestände geschaffen worden. Auch ist keine unverhältnismäßige Steigerung der Gebührensätze nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 ARB eingetreten, die man mit "neuen" Gebühren gleichsetzen könnte.

Es bleibt daher festzustellen, dass die § 44 ff. AufenthV nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften verstoßen und daher die gegen den Kläger festgesetzte Gebühr rechtlich nicht zu beanstanden ist. Somit bedarf es auch keiner Ausführungen dazu, ob der Kläger überhaupt zum nach dem ARB 1/80 geschützten Personenkreis gehört. [...]