LG Bremen

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Zitieren als:
LG Bremen, Beschluss vom 12.11.2010 - 61 C Qs 404/10 - asyl.net: M18041
https://www.asyl.net/rsdb/M18041
Leitsatz:

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist wegen der schwierigen Rechtslage notwendig. Insbesondere wird die Frage zu erörtern sein, inwiefern die Sonderregelung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG den allgemeinen Tatbestand des § 271 StGB konsumiert.

Schlagwörter: Ausländerstrafrecht, Pflichtverteidigung, Strafbefehl, Täuschung über Identität, Geldstrafe, schwierige Rechtslage
Normen: StPO § 140 Abs. 2, StGB § 271, AufenthG § 95 Abs. 2 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Auffassung der Kammer liegen die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO aufgrund der Schwierigkeit der Rechtslage vor.

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers war jedoch, wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, nicht schon allein deshalb geboten, weil der Angeklagte Ausländer ist. Dass dieser Verständigungsschwierigkeiten hat, die nicht durch die Heranziehung eines Dolmetschers ausgeräumt werden könnten, ist weder ersichtlich noch sonst vorgetragen worden.

Die Rechtslage ist als schwierig zu bewerten, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird, oder wenn es auf die Auslegung von Begriffen aus dem Nebenstrafrecht ankommt (vgl. Laufhütte, Karlsruher Kommentar zur StPO, § 140 StPO, Rn. 23).

Im vorliegenden Fall ist zwar die Sachlage in Folge des Geständnisses des Angeklagten gegenüber dem Ausländeramt als einfach einzustufen, die Rechtslage weist jedoch Schwierigkeiten auf, da hier der Auslegung von Begriffen aus dem Aufenthaltsgesetz als Nebenstrafrecht erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. Beschluss des OLG Stuttgart vom 24.02.2010, Az: 5 Ws 37/10, in: BeckRS 2010, 23632). Insbesondere wird die Frage zu erörtern sein, inwiefern die Sonderregelung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG den allgemeinen Tatbestand des § 271 StGB konsumiert (vgl. Beschluss des BGH vom 11.11.2009, Az: 1 StR 547/09, in: StV 2010, S. 250f; Beschluss des BGH vom 02.09.2009, Az: 5 StR 266/09, in: NJW 2010, S. 248ff.).

Zwar ist der Vortrag des Verteidigers mangels konkreter Bezugnahmen auf die von ihm zitierte Rechtsprechung recht pauschal, doch lag nach Abwägung der vorgenannten Gesichtspunkte nach Auffassung der Kammer ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO vor, weswegen der Verteidiger von Amts wegen zu bestellen war. [...]