OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Urteil vom 03.12.2010 - 3 A 309/08 - asyl.net: M18058
https://www.asyl.net/rsdb/M18058
Leitsatz:

Keine Gruppenverfolgung von Tamilen wegen fehlender Verfolgungsdichte (S. 43 ff.), keine objektiven Nachfluchtgründe (S. 62 ff.). Die 81-seitige Entscheidung enthält eine umfangreiche Quellenprüfung zur Sicherheitslage und Verfolgungsgefahr von Tamilen in Sri Lanka.

Schlagwörter: Asylverfahren, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Sri Lanka, Tamilen, Gruppenverfolgung, Verfolgungsdichte, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab
Normen: GG Art. 16a Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Dem Kläger steht - soweit im Rahmen des hier vorliegenden Asylfolgeantrags nach § 71 AsylVfG eine Prüfung geboten ist - zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein Anspruch weder auf Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG und zur Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG noch auf die hilfsweise geltend gemachte Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu. [...]

Die Situation in Sri Lanka - insbesondere die Sicherheitslage - hat seit der Ausreise des Klägers aus Sri Lanka und dem Abschluss seines Asylerstverfahrens zwar mehrfache Änderungen erfahren. Die Prognose aufgrund aktuellen Erkenntnismaterials rechtfertigt jedoch zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 AsylVfG) nach wie vor nicht die Annahme, dass Tamilen im allgemeinen oder Untergruppen hiervon, wie etwa zurückkehrende Asylbewerber, männliche Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters oder Tamilen aus dem Norden und Osten - wie der Kläger - in Sri Lanka allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional begrenzt einer staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. [...]

Im Einzelnen stellt sich die Entwicklung in Sri Lanka - insbesondere ab dem Zeitpunkt der Stellung des Folgeantrags im September 2006 bis heute - nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen wie folgt dar:

Aus den Feststellungen des Auswärtigen Amtes (hierzu etwa Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16.6.2010, vom 2.9.2009, 7.4.2009 und vom 6.10.2008, Reise und Sicherheitshinweise Sri Lanka, Stand 1.2.2010; siehe auch Auswärtiges Amt an Bundesamt vom 3.7.2009 - 508-516.80/46112 -) ergibt sich, dass nach Legalisierung der LTTE infolge des Waffenstillstandsabkommens aus dem Jahr 2002 die Mitgliedschaft oder Nähe zur LTTE für in Sri Lanka lebende Tamilen zunächst keinen Straftatbestand mehr dargestellt hatte. Nach der Ermordung des tamilischen Außenministers und Ausrufung des Staatsnotstands im August 2005 flammten die bürgerkriegsähnlichen Zustände mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsstreitkräften und der LTTE im Osten und Nordosten erneut auf. Nach den Vorstößen der Armee im Norden gegen Ende der militärischen Auseinandersetzungen wurden dort bis zu 300.000 Personen vertrieben bzw. von der Armee nach der Beendigung der Kämpfe in geschlossenen Lagern hauptsächlich nahe Vavuniya untergebracht, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange Zeit nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung hatte nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes die Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit begründet, sich unter den Binnenflüchtlingen (lnternally Displaced Persons) - IDPs - verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer aufzufinden sowie mit der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Nach weiteren Feststellungen begann im August 2009 ein zögerlicher Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der zur Zeit noch etwa 60.000 in Lagern Verbliebenen im Hauptkampfgebiet der letzten Bürgerkriegsphase noch erheblich zerstört und vermint sind. Von fast 250.000 offiziell aus den Lagern Entlassenen sind nur rund 150.000 in ihre früheren Häuser zurückgekehrt, die anderen leben in Gemeinschaftsunterkünften oder bei Gastfamilien. Der Zugang internationaler Hilfsorganisationen - außer dem IKRK - zu den IDP-Lagern ist mittlerweile weitgehend gegeben. Einer gesonderten Behandlung unterliegen nach wie vor die geschlossenen sog. "Rehabilitationslager", in denen noch rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer untergebracht sind.

Nach dem Ende des Bürgerkriegs stand zunächst die Diskussion über eine politische Lösung des ethnischen Konflikts zwischen der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit und der tamilischen Minderheit wieder im Vordergrund. Präsident Rajapaksa hatte zur Erarbeitung einer politischen Lösung bereits 2006 ein Allparteienkomitee (All Party Representative Committee, APRC) eingesetzt, in dem allerdings die großen Oppositionsparteien UNP, die linksnationalistische JVP (Jathika Vimukthi Peramuna, National Liberation Front) und die TNA die Mitarbeit verweigerten. Das Mandat des APRC lief im August 2009 aus, ein Bericht über die Ergebnisse seiner Erörterungen wurde dem Präsidenten übergeben, aber nicht veröffentlicht. Seine weitere Ankündigung, er werde den Wahlkampf um eine zweite Amtszeit mit Vorschlägen für eine politische Lösung bestreiten, hat er nicht eingehalten. Auch in seiner Rede am Nationalfeiertag 4.2.2010 beließ der Präsident es beim Aufruf zum friedlichen und brüderlichen Miteinander im gemeinsamen Mutterland.

Der UN-Sicherheitsrat befasste sich in den letzten Bürgerkriegswochen und unmittelbar danach mehrfach mit dem Konflikt in Sri Lanka und äußerte sich besorgt über die humanitäre Krise zum Ende der Kämpfe und forderte die srilankische Regierung zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen bei der humanitären Hilfe sowie zu einer Untersuchung möglicher Verletzungen humanitären Völkerrechts in der letzten Kriegsphase auf.

Der 2005 verhängte Ausnahmezustand wird auch derzeit monatlich vom Parlament verlängert. Eine Anfang Mai 2010 vorgenommene teilweise Verschlankung der Regelungen des Ausnahmezustandes muss nach Aussage des Auswärtigen Amtes noch genau analysiert werden. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act), die mit dem Waffenstillstandsabkommen vom Februar 2002 ausgesetzt und im Dezember 2006 per Kabinettsbeschluss reaktiviert worden waren, haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten. Im Osten und Norden ist die Kontrolldichte größer als in den übrigen Landesteilen, auch wenn dort (ausgenommen Distrikte Kilinochchi und Mullaittivu) die Zahl der Kontrollstellen im Vergleich zur Zeit des Bürgerkrieges deutlich verringert wurde. Präsident Rajapaksa hat am 12.5.2010 eine formal unabhängige "Aufarbeitungs- und Versöhnungskommission" ernannt und damit eine wichtige Forderung der Internationalen Gemeinschaft erfüllt. Deren acht Mitglieder (darunter zwei Tamilen, ein Muslim) sind fachlich versiert und genießen in Sri Lanka einen guten Ruf.

Das vom Bürgerkrieg hervorgerufene Klima allgemeiner Unsicherheit, die Einschränkungen bürgerlicher Freiheitsrechte und die Verletzungen von Menschenrechten bestehen aus Sicht des Auswärtigen Amtes indes fort. In unterschiedlichen Bereichen kommt es danach zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für die systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion und politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind aber nach seinen Angaben nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützter oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften. Darüber hinaus müssen prominente Oppositionspolitiker, aber auch Journalisten, die die Regierung öffentlich kritisieren, mit Repressionsmaßnahmen etwa in Form von falschen Anklagen, Morddrohungen u.ä. rechnen.

Aufgrund des Bürgerkriegs, der faktischen Zweiteilung des Landes und der Auswanderung vieler Tamilen während der letzten Jahrzehnte sind gesicherte Aussagen über die derzeitige ethnische Zusammensetzung der sri-lankischen Bevölkerung nicht möglich. Offiziellen Statistiken zufolge stellen die Singhalesen mit 75 % die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von 18 % Tamilen, wobei der Anteil der tamilischen Bevölkerung heute geringer geschätzt wird.

Für die systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes keine Anhaltspunkte; sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit der Möglichkeit staatlicher Repressionen rechnen. Die häufigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanöse Behandlung (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Durchsuchung von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringer Verdachtsmomente richten sich nach seiner Aussage vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen davon besonders betroffen sind. Eine Festnahme und Inhaftierung für Tage oder Wochen auch ohne richterlichen Beschluss und Kontrolle, bei der es unter Umständen auch zu Folterungen und zum "Verschwinden" von Personen kommen kann, ist nach Ansicht des Auswärtigen Amtes nicht selten. Diese Situation hat sich seiner Einschätzung nach seit Beendigung der Kampfhandlungen im Mai 2009 nicht durchgreifend verbessert. Eine derartige Gefährdungslage besteht auch für Tamilen bei erst vor kurzem erfolgten Zuzug nach Colombo.

Zu Beginn des Jahres 2009 hat die Regierung die LTTE zudem formell erneut verboten und damit eine zusätzliche Verfolgungsgrundlage gegen Verdächtige geschaffen. Personen, die in den Augen der Sicherheitsorgane der Nähe zur LTTE verdächtig sind, müssen auch nach Ende des Bürgerkrieges damit rechnen, verhaftet zu werden. 90 Prozent der Verhafteten im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung und Sicherheitsprävention sind Tamilen. Tamilen sind daher im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen nach Aussagen des Auswärtigen Amtes (weit) überproportional von Festnahmen und langen Haftzeiten betroffen. Nachdem im Sommer 2007 auf Anordnung der Regierung rund 300 Tamilen aus Colombo in den Norden des Landes deportiert werden sollten und diese Aktion erst nach massiven internationalen und nationalen Protesten zurückgenommen wurde, erließ die Polizei im September 2008 eine über bestehende Meldevorschriften hinausgehende Registrierungspflicht für alle Tamilen, die innerhalb der letzten fünf Jahre aus dem Norden oder Osten nach Colombo und in die Westprovinz zugezogen sind. Je kürzer der Zuzug aus diesen Gebieten zurückliegt, desto eher gehen die Sicherheitskräfte von einer Nähe zur LTTE aus, deren Reorganisation von der Regierung befürchtet wird.

Nachdem die LTTE nach Ende der Kampfhandlungen und dem Tod von Prabhakaran zunächst führungslos war, wurde Ende Juli 2009 von einem bis dahin unbekannten LTTE-Exekutivkomitee der Beauftragte der Organisation für internationale Beziehungen, Selvarasa Pathmanathan, zum neuen Anführer bestimmt. Er wurde am 5.8.2009 verhaftet und nach Colombo verbracht. Nach anfänglichen Meldungen über Verhöre wurde nichts weiter bekannt. Reorganisationsbestrebungen der tamilischen Diaspora im Ausland verfolgen die Forderung nach einem unabhängigen Tamilenstaat auf Sri Lanka weiter.

In der Vergangenheit setzten sich auch die den militärischen Konflikt begleitenden zunehmenden politischen Einschränkungen für nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen nach Angaben des Auswärtigen Amtes fort. Nachdem im Mai 2006 die bis dahin noch als verlässlich geltende National Human Rights Commission (NHRC) mit politischen Parteigängern von Präsident Rajapaksa neu besetzt wurde, hat sie keinen öffentlichen Bericht mehr abgegeben. Wegen der zunehmenden internationalen Kritik an Menschenrechtsverletzungen hatte Präsident Rajapaksa selbst im November 2006 eine Untersuchungskommission (Commission of Inquiry, - CoI) unter Leitung eines Richters am Obersten Gerichtshof einberufen, die 16 besonders gravierende Menschenrechtsverletzungen aufklären sollte. Dieser Kommission wurde ein internationales Beobachtergremium (IIGEP, International Independent Group of Eminent Persons) zur Seite gestellt, das jedoch im März 2008 seine Tätigkeit eingestellt hat. Das zwischenzeitlich verlängerte Mandat der CoI ist im Juni 2009 ausgelaufen. Am 3.7.2009 überreichte sie dem Präsidenten ihren Bericht. Nach Angaben des Vorsitzenden hat die Kommission sieben der 16 Fälle untersucht und zu fünf der untersuchten Fälle Stellungnahmen verfasst. Zuverlässigen Pressemeldungen zufolge konnten in den untersuchten Fällen gegenüber den Sicherheitskräften erhobene Anschuldigungen ausgeräumt werden. [...]

Die wieder eingeführten Notstandsregeln sowie der erneut angewandte Prevention of Terrorism Act geben den Sicherheitsbehörden weitgehende Eingriffsrechte. Offiziell bleiben Folter, die nach Art. 11 der Verfassung verboten ist, oder Misshandlungen zwar nach wie vor verboten. Dennoch wurden auch in den letzten Jahren Foltervorwürfe gegen die Sicherheitskräfte erhoben. Nur in wenigen Fällen werden solche Vorwürfe gerichtlich untersucht, Verurteilungen der Täter gibt es mit wenigen Ausnahmen nicht, wie etwa im Jahr 2006 eine Verurteilung von sieben Polizisten durch den Obersten Gerichtshof. Der Sonderberichterstatter der UN zur Folter, hatte nach seinem Sri Lanka-Besuch im Herbst 2007 festgestellt, dass Folter als gängige Praxis im Rahmen der Terrorismusbekämpfung angewendet werde.

Im Zusammenhang mit den ethnischen Spannungen war es in der Vergangenheit vor allem im Osten und Norden des Landes zu gezielten extralegalen Tötungen und Verschwindenlassen gekommen. Es besteht der Verdacht, dass dies nicht immer der LTTE, TMVP oder kriminellen Gruppen zuzuschreiben war, sondern auch staatlichen Sicherheitskräften bzw. ihnen nahestehende Kommandos. Auf diese Weise gelten in den Jahren 2007 und 2008 ca. 1.100 Personen als "verschwunden". Aktuelle Zahlen aus jüngerer Zeit liegen nicht mehr vor, es ist nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes seither nur noch zu wenigen weiteren Fällen gekommen.

Zurückkehrende Asylbewerber sind aus seiner Sicht in der Anfangsphase aufgrund der anhaltenden Spannungslage und der o.g. bürokratischen Schwierigkeiten weitgehend auf die Hilfe von Familienangehörigen oder Freunden angewiesen. Ohne solche Unterstützung ist es nach Auffassung des Auswärtigen Amtes für Rückkehrer nach wie vor schwierig, in angemessener Zeit eine wirtschaftliche Existenzgrundlage aufzubauen und wieder sozial in Sri Lanka Fuß zu fassen. Seit Juli 2006 sind auch Fälle bekannt geworden, in denen zurückgeführte Tamilen von den Behörden in Colombo keine neue Identitätskarte, die Voraussetzung zum Zugang zu Sozialleistungen ist, erhalten haben. Ohne familiäres und soziales Netz kann Rückkehrern nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes auch schnell eine Verelendung drohen.

Hinsichtlich möglicher Ausweichorte weist das Auswärtige Amt darauf hin, dass Regierung und die staatlichen Sicherheitskräfte das ganze Land bis auf die von der TMVP kontrollierten Gebiete in der Ostprovinz kontrollieren. Es gebe innerhalb Sri Lankas keine Gebiete, in denen die beschriebenen, von den Sicherheitsorganen ausgehenden oder geduldeten Repressionsmaßnahmen nicht durchgeführt würden, auch wenn deren Intensität sich in den einzelnen Landesteilen unterscheide. Seit Ende des Krieges bestehe, abgesehen von Teilen der Nordprovinz, die als "Hochsicherheitszone" eingestuft sind, zunehmend die Möglichkeit, sich im ganzen Land ohne große Einschränkungen zu bewegen und niederzulassen. Die Verbindungsstraße Jaffna-Kandy ist seit Dezember 2009 generell für den Verkehr wieder freigegeben, es bestehen aber weiterhin Kontrollstellen. Trotz Aufhebung der nächtlichen Ausgangssperre in Jaffna im Dezember 2009 kann aber von einer vollständigen Normalisierung noch nicht die Rede sein. Gegenwärtig ist bei anhaltender Ausnahmesituation in Jaffna eine freie Wohnsitznahme im militärisch besetzten Norden zwischen Jaffna und der Straßenverbindung Puttalam-Trincomalee nicht möglich, sondern von der Überprüfung und Genehmigung durch zivile und militärische Stellen abhängig.

Bei der Einreise am Flughafen von Colombo mit gültigem sri-lankischen Reisepass werden nach Angaben des Auswärtigen Amtes die Einreiseformalitäten prinzipiell auch für Zurückgeführte zügig erledigt. Anders verhält es sich, wenn Rückkehrer keinen sri-lankischen Reisepass vorlegen können, sondern nur ein von einer sri-lankischen Auslandsvertretung ausgestelltes Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka (Identity Certificate Overseas Missions, ICOM, auch Emergency-Pass genannt). Die Rückkehrer werden regelmäßig von der Einreisebehörde (ID) und auch der Kriminalpolizei (CID) einer Personenüberprüfung unterzogen und zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt. Es ist nicht auszuschließen, dass von der Auslandsvertretung im Datensatz des Betreffenden ein Vermerk veranlasst oder im Reisedokument angebracht wurde. Die Befragung so einreisender Tamilen bleibt allerdings nach Feststellungen des Auswärtigen Amtes in diesem Rahmen, Fälle diskriminierender Behandlung sind ihm nicht bekannt.

Ein Asylantrag im Ausland wird in der Regel in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen, sich einen Aufenthaltsstatus im Ausland zu verschaffen und begründet noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun nach ihrer (allein möglichen Rückkehr über den Flughafen Colombo) erstmals in Colombo oder dem Süden niederlassen wollen, müssen indes mit einem Anfangsverdacht und entsprechendem Misstrauen bis hin zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane rechnen. Das Ende der Kampfhandlungen hat aus Sicht des Auswärtigen Amtes diesbezüglich bisher nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.5.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige srilankische Staatsangehörige unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der srilankischen Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften in Colombo zufolge gibt es weitere Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden. [...]

Der UNHCR, der in seiner Stellungnahme von Januar 2007 darauf hingewiesen hatte, dass sich seit 2006 die Menschenrechtslage für die srilankische Bevölkerung als Folge des neu entfachten Bürgerkrieges dramatisch verschlechtert habe, zeichnet nunmehr ein differenziertes Bild. Nachdem er auch in seinem Bericht (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs srilankischer Asylbewerber von Juli 2009) noch festgestellt hatte, dass die Menschenrechtssituation trotz Ende der Kampfhandlungen nach wie vor besorgniserregend sei und Fälle von Entführungen, Verschwindenlassen, extra legalen Tötungen, willkürliche Verhaftungen und Folter durch Sicherheits- und Streitkräfte angeführt hatte, die sich landesweit, aber vorrangig in den Gebieten im Norden und Osten des Landes sowie im Großraum Colombo ereignet hatten und von denen überwiegend junge Tamilen betroffen waren, verzeichnet er nunmehr in seiner aktuellen Stellungnahme (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs srilankischer Asylsuchender vom 5.7.2010) eine verbesserte Menschenrechts- und Sicherheitslage, die sich noch in einem Entwicklungsprozess befinde. Er stellt fest, dass sich die Sicherheitslage in bedeutender Weise stabilisiert habe. So haben bis Mitte 2010 etwa 246.000 Binnenvertriebene ihre Lager verlassen, um an ihre Herkunftsorte zurückzukehren oder bei Gastfamilien, Verwandten oder Freunden zu wohnen. Weitere Maßnahmen der Regierung, etwa die Lockerungen bezüglich der Notstandsgesetze im Mai 2010 und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit, wertet er als Anzeichen für einen Richtungswechsel hin zu einer Befriedung des Landes. Trotz landesweiter Aufrechterhaltung anderer Sicherheitsmaßnahmen wie Kontrollposten des Militärs der Polizei an den Hauptstraßen und einer unübersehbaren Militärpräsenz seien nach der Wahl des Präsidenten im Januar 2010 und des Parlamentes im April bedeutsame politische Entwicklungen festzustellen. U.a. weist er darauf hin, dass einige Gebiete im Norden wie Kilinochchi und Mullaitivu, die Jahrzehnte unter der Kontrolle der LTTE gestanden hätten, wieder von den Zentralbehörden regiert würden.

Allerdings konstatiert er des Weiteren, dass trotz einer sich entwickelnden Verbesserung der Sicherheits- und Menschenrechtslage eine Gefährdungslage unter asyl- und abschiebungsrelevanten Aspekten fortbestehe. Er stellt insoweit einen Katalog der aus seiner Sicht besonders gefährdeten Personen ("Hauptrisikogruppen") auf. Zu ihnen zählen nach wie vor Personen, die unter dem Verdacht einer Verbindung mit der LTTE stehen. Er berichtet, dass sich im Mai 2010 noch ca. 9000 vermeintliche ehemalige LTTE-Kader in geschlossenen Lagern befunden haben sollen. Nach Ende des Konflikts habe es Angaben über der LTTE angeblich nahestehende Personen gegeben, die verschwunden sein oder trotz schwacher Beweislage in - oft länger dauernde - Haft genommen worden sein sollen. Menschenrechtsbeobachter hätten ihre Sorge über sehr umfassend formulierte Straftatbestände geäußert, nach denen eine Haft bis zu 18 Monaten ohne Anklage und an inoffiziellen Haftorten zulässig sei.

Er weist ferner auf Anschuldigungen über Folter und Tod von 3 mutmaßlichen LTTE-Anhängern während der Haft hin. Einigen vorliegenden Berichten zufolge seien junge männliche Tamilen, vor allem solche aus dem Norden und Osten des Landes wegen ihrer vermeintlichen Verbindung zur LTTE unverhältnismäßig oft von der Anwendung der Sicherheits- und Antiterrormaßnahmen betroffen. Nach seinen weiteren Feststellungen werden auch in Colombo Tamilen an Kontrollposten der Armee oft schikaniert und interessierten sich die Behörden besonders für junge männliche Tamilen aus den Herkunftsgebieten des Nordens und Ostens, wenn diese bestimmte Merkmale aufweisen. Hierzu zählten Narben und Verwundungen, das Fehlen von Personalausweis oder sonstigen Identitätspapieren. Weiter sind nach seinen Angaben Personen betroffen, die keine Anschrift in Colombo, keine Beschäftigung oder sonstigen überprüfbaren Grund (etwa Studium) für ihre Anwesenheit in Colombo haben, ebenso Personen, die in Colombo weder über Angehörige noch sonstige Unterstützungswerke verfügen.

Eine interne Schutzalternative im Norden und Osten des Landes hält er für fraglich. Hinsichtlich einer Ausweichmöglichkeit in Colombo sei zu berücksichtigen, dass junge männliche Tamilen aus dem Norden und Osten bei ihrer polizeilichen Anmeldung einer genaueren Prüfung unterzogen würden und ihnen in einigen Fällen die Aufenthaltsgenehmigung verweigert werden könnte.

Zusammenfassend empfiehlt er - im Gegensatz zu früheren generellen Warnungen vor einer Abschiebung von Tamilen - eine sorgfältige Prüfung jedes Einzelschicksales.

Auch Amnesty international (ai) (vgl. ai-Report 2009 - Sri Lanka vom 28.5.2009 -; ai-Report vom Mai 2008; ai journal 1/2010, Auskunft an VG Hannover vom 18.4.2007 - ASA 37-06.034 -; Jahresberichte 2006-2010, Sri Lanka; ai-Länderinformationen, Menschenrechts- und Sicherheitslage in Sri Lanka, asyl-Info 7-8/2007) berichtet über eine Verschlechterung der Sicherheits- und Menschenrechtslage seit Mitte 2006. Für die Folgezeit ließen sich (erneut) Fälle von Verschwindenlassen und Entführungen, vor allem im Norden und Osten, aber auch in Colombo, willkürliche Festnahmen vor allem von tamilischen jungen Männern, Folter und Misshandlung im Polizeigewahrsam feststellen, die häufig straffrei blieben. Amnesty international weist auf die im August 2005 und Dezember 2006 erlassenen Notstandsbestimmungen hin, auf deren Grundlage Personen auf bloße Verdachtsmomente hin verhaftet und bis zu einem Jahr ohne Prozess festgehalten werden könnten. Die Sicherheitsbestimmungen sähen generelle Verbote jeglicher Teilnahme und Förderung von terroristischen Aktivitäten vor und enthielten eine so breit angelegte Definition des Terrorismus, dass auch regierungskritische Aktivitäten darunter fallen könnten. Nach seinen weiteren Feststellungen setzten in den letzten Jahren die staatlichen Stellen das "Verschwindenlassen" von Personen fort, das Teil ihrer Strategie der Terrorismusbekämpfung war, und benutzten die Notstandsverordnungen, um Tausende von Tamilen, die unter dem Verdacht einer Verbindung mit der LTTE standen, festzunehmen und zu inhaftieren. Berichte hierüber gibt es insbesondere aus den Jahren 2007 und 2008. Für das Jahr 2009 berichtet amnesty international, dass im März mehr als 300 Personen, zumeist Tamilen, in der Nähe von Colombo bei einer Durchsuchungsaktion festgenommen worden waren. Während landesweiten Durchsuchungsaktionen kam es danach zu Festnahmen auch von Menschen aus Flüchtlingslagern; mangels Beweisen kamen 20 Personen in November 2009 frei. Gerichtsverfahren und die Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen, die vom Militär und Polizei begangen worden waren, gerieten ins Stocken (hierzu insbesondere Länderbericht 2010).

In besonderem Maße gefährdet, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden, sind nach Angaben von amnesty international Personen, die in irgendeiner Form mit der LTTE in Verbindung gebracht werden könnten. Nach seiner Aussage hat es in den letzten Jahren in Colombo und anderen Städten viele Razzien und willkürliche Straßenkontrollen gegeben, in deren Verlauf nicht registrierte Bewohner anhand erstellter Listen oft sofort festgenommen wurden. Insbesondere für Tamilen, die im Norden und Osten ausgestellte Ausweispapiere besaßen, bestand nach Ansicht der Organisation insoweit eine hohe Wahrscheinlichkeit. Das Risiko, im Polizeigewahrsam Opfer von Folter und Misshandlung zu werden, ist nach Einschätzung von amnesty international in Sri Lanka hoch. Amnesty international weist insoweit u.a. unter Bezug auf Berichte des UN-Ausschusses gegen Folter, die insbesondere aus dem Jahr 2007 stammen, auf ihm vorliegende Meldungen über Folterungen sowie Todesfälle infolge von Folter und Misshandlungen sowie Fälle von Verschwindenlassen hin.

Des weiteren kommt es Berichten zufolge bei der Einreise regelmäßig zu Befragungen am Flughafen und amnesty international sind mehrere Fälle bekannt, in denen abgelehnte Asylbewerber am Flughafen festgehalten worden seien.

Nach Ansicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) (vgl. hierzu SFH, "Asylsuchende aus Sri Lanka" vom 8.12.2009, SFH, "Sri Lanka Aktuelle Situation Update" vom 7.7.2009 und vom 11.12.2008, SFH, "Sri Lanka unter Notstandsrecht" vom 12.2007, SFH, "Sri Lanka Identitätsausweise" vom 15.10.2007; SFH, "Asylsuchende aus Sri Lanka" vom 1.2.2007) stellt sich die aktuelle Lage in Sri Lanka wie folgt dar: Die Emergency Regulations (ER) als wesentlicher Teil der Antiterrorstrategie der Regierung werden monatlich im Parlament verlängert. Deren Bestimmungen - insbesondere die Emergency Regulation No. 7 - enthalten einen weiten Anwendungsbereich und vage Rechtsbegriffe mit Verboten jeglicher Teilnahme an terroristischen Aktivitäten und deren Förderung, worunter auch Regierungskritik fallen könne. Das Notstandsrecht weist nach Angabe der SFH den Sicherheitskräften weitreichende Eingriffsbefugnisse zu und erlaubt nur begrenzte richterliche Kontrolle. Nach Einschätzung der SFH werden Menschenrechtsverletzungen de facto nicht untersucht oder strafrechtlich verfolgt und haben von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommissionen keine signifikanten Resultate erbracht. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen werden aufrechterhalten. Insbesondere Tamilen, die in der Nähe zur LTTE gestanden hätten, müssten aus Sicht der SFH seit Dezember 2006 mit erneuter Verfolgung und Beeinträchtigung ihrer Sicherheit u.a. Razzien und Verhaftungsaktionen rechnen. Betroffen hiervon sind auch Gebiete außerhalb der ehemaligen Bürgerkriegsregion. Hauptziel der Kontrollen seien Tamilen, insbesondere junge tamilische Männer, die häufig unter Generalverdacht einer Unterstützung der LTTE gerieten. Kommen sie aus dem Norden oder Osten Sri Lankas aus (ehemals) LTTE-dominierten Gebieten, oder wollten sich erstmals in den von der Regierung kontrollierten Gebieten niederlassen, laufen sie nach Einschätzung der SFH in erhöhtem Maße Gefahr, unter Anwendung der Notstandsbestimmungen festgenommen, misshandelt und gefoltert zu werden. Auch für Colombo stellt die SFH fest, dass für Tamilen, vor allem für Zuwanderer aus dem Norden und Osten, ein erhöhtes Risiko besteht, Opfer von weiteren missbräuchlichen Polizeimaßnahmen, wie etwa Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitation zu werden. In jedem Fall wird mit verschiedenen Maßnahmen, u.a. einer Registrierungspflicht versucht, diese zu kontrollieren. Im Zusammenhang von Antiterroroperationen könne Berichten aus dem Jahr 2007 zufolge Folter routinemäßig erfolgen. Auch nach dem Sieg der Regierungstruppen über die LTTE und der Erklärung über eine Beendigung des Krieges werden weitere Anschläge der LTTE befürchtet, was für die Regierung weiterhin die Legitimation für verstärkte Sicherheitsmaßnahmen auch in Colombo darstelle. Die Beendigung der Kampfhandlungen hat die Sicherheitslage daher nach Auffassung der SFH nicht spürbar entspannt. Unter Berufung auf eine der LTTE nahestehende Quelle berichtet die Organisation in ihrem Bericht vom 7.7.2009 von Verhaftungsaktionen zur Identitätsfeststellung, von denen im Januar 2009 106 Zivilisten, darunter 68 Tamilen, 2 Muslime und 36 Singhalesen betroffen waren. Im Februar 2009 seien insgesamt 142 Tamilen erfasst worden, obwohl sie sich - überwiegend - ausweisen konnten. Im März 2009 seien 18 tamilische Jugendliche und im April 2009 11 tamilische Jugendliche festgenommen worden.

Des Weiteren weist die SFH auf die Erklärung der Regierung im Juni 2009 hin, im Mullaitivu- und Kilinochchi-Bezirk jeweils Gerichtsstrukturen aufzubauen, um dort die Sicherheit zu gewährleisten und Vertriebene wieder ansiedeln zu können. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts seien noch über 100.000 Binnenflüchtlinge in Aufnahmelagern unter desolaten Bedingungen festgehalten sowie etwa 10.000 LTTE-Verdächtige in Sonderlagern. Dort besteht aus Sicht der SFH der Verdacht, dass es zu Folter und außergerichtlichen Hinrichtungen kommen kann.

Ferner riskieren nach ihrer Einschätzung Tamilen, die sich bedroht fühlten und Sri Lanka über den Flughafen Colombo verlassen wollten, unter LTTE-Verdacht verhaftet zu werden. Die Anzahl derartiger Festnahmen nehme zu. Derartiges kann aus Sicht der SFH auch Tamilen drohen, die aus dem Ausland einreisten.

Nach der Stellungnahme der Friedrich Ebert Stiftung (Sri Lanka nach den Wahlen 2010: Ein "Familienunternehmen" von Juli 2010) ist die Menschenrechtsbilanz der Regierung Rajapakse insgesamt negativ. Die Pressefreiheit existiert de facto nicht, Journalisten werden ermordet oder verschwinden. Die Aufklärung von Verbrechen findet meist nicht statt. Nach Feststellungen der Stiftung existiert der Rechtsstaat nur rudimentär. Etwa 82000 Binnenvertriebene warteten noch in Lagern im Nordosten auf ihre Rückführung in ihre Heimatdörfer.

Nach den Stellungnahmen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (vgl. hierzu Briefing Notes vom 2.8.2010, vom 17.5.2010, vom 10.5.2010, vom 2.5.2010, 26.4.2010, vom 15.3.2010, vom 23.11.2009, 2.11.2009, 21.9.2009, 1.9.2009, 10.8.2009, 13.7.2009, 22.6.2009, 18.5.2009, 6.4.2009, 23.3.2009, 12.1.2009, 5.1.2009, vom 17.11.2008; sowie Bundesamt, Aktuelle Erkenntnisse vom 4.5.2007) bleibt auch nach der offiziellen Beendigung des Bürgerkriegs im Mai 2009 der ethnische Konflikt ungelöst und ist die Menschenrechtslage nach Ansicht der Regierung der Bundesrepublik Deutschland "anhaltend mangelhaft". Allerdings verweist auch das Bundesamt auf die geplante Entschärfung der Notstandsgesetze im Mai 2010. Aus den Parlamentswahlen im April 2010 war Ministerpräsident Rajapakse mit ca. 60 % als Sieger (144 von 225 Sitzen) hervorgegangen, als einziger Repräsentant der ethnischen Minderheit ist die Tamil National Alliance (TNA) mit 14 Sitzen im Parlament vertreten. Im Wahlkampf hatte diese ihre Forderung nach einem eigenen Staat auf der Insel aufgegeben. Derzeit hielten sich noch etwa 80.000 Menschen in Flüchtlingslagern auf. Noch im September 2009 sei es dort nach dem Vorwurf von Hilfsorganisationen zur Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte insbesondere im Bereich Vavuniya gekommen. Tamilen in Sri Lanka waren auch nach Einschätzung des Bundesamtes vor allem in den vergangenen Jahren in Gefahr, bei Kontrollen sowie den relativ häufigen Hausdurchsuchungen auf auch reine Denunziationen hin verhaftet und ohne Anklage in Anwendung der Notstandsgesetze längerfristig inhaftiert zu werden. Eine spätere Verurteilung durch die Justiz war nach seinen Angaben aus dem Jahr 2007 nur selten erfolgt. Für dieses Jahr hat es insoweit festgestellt, dass rund 1.000 Tamilen nach den Notstandsgesetzen in längerer (Untersuchungs-)Haft gewesen sein sollen. Über menschenrechtswidrige Haftbedingungen und über Folter während der Haftzeit ist ihm indes nichts bekannt. Aus seiner Sicht sind Folterungen unmittelbar nach der Festnahme beim Verhör durch die Polizei jedoch nicht generell auszuschließen. Weiteren Angaben zufolge werden abgeschobene Asylbewerber tamilischer Volkszugehörigkeit bei der Einreisekontrolle ebenso wie andere aus dem Ausland zurückkehrende Tamilen gründlich überprüft und über den Grund ihres Auslandsaufenthalts befragt. Bei Widersprüchlichkeiten und dem Mitführen verdächtiger Gegenstände könne eine Inhaftierung erfolgen.

Aus den vorliegenden Pressemeldungen ergibt sich die folgende aktuelle Situation in Sri Lanka ab Mai 2009:

Nach Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen erklärte die Armee den Bürgerkrieg, in dessen letzter Phase ca. 6.000 Soldaten und 22.000 tamilische Rebellen getötet wurden, für beendet (hierzu FR vom 20.5.2009, NZZ vom 23.5.2009) Seitens der Regierung fürchtet man dennoch nichts mehr, als dass sich die LTTE neu formiert oder aus dem Untergrund erneut zu Terrorakten ansetzen könnte (hierzu Der Spiegel vom 6.7.2009).

Rund eineinhalb Monate nach dem Sieg der Armee beriefen verbliebene Teile der LTTE nach eigenen Angaben ein Führungskomitee ein, das Selvarasa Pathmanathan zum neuen Anführer ernannte. Dieser habe einen Kurswechsel dahingehend angedeutet, dass die LTTE ihren Kampf für einen eigenen Tamilen-Staat zwar weiterführen werde, dies aber gewaltlos. Am 6.8.2009 wurde Pathmanathan in Malaysia festgenommen und am Tag darauf an Sri Lanka ausgeliefert (hierzu FR vom 24.7.2009, NZZ vom 8.8.2009).

Aus den Anfang August 2009 abgehaltenen Kommunalwahlen ging die Regierungspartei von Präsident Rajapakse und die TNA, ein Parteienbündnis aus Unterstützergruppen der Rebellen der LTTE, als Sieger hervor. Auch bei den Regionalwahlen im Süden der Insel errang die Partei von Präsident Rajapakse fünf Monate nach dem militärischen Sieg der Regierungstruppen knapp 68 der Stimmen (hierzu taz vom 10.8.2009, NZZ vom 12. und 16.10.2009).

Zeitweise waren etwa 300.000 tamilische Flüchtlinge unter schwierigen humanitären Bedingungen in Lagern festgehalten worden. Im November 2009 befanden sich immer noch 136.000 tamilische Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet in Flüchtlingslagern (hierzu NZZ vom 20.11.2009, FAZ vom 23.11.2009).

Im Juni 2010, ein Jahr nach Ende des Bürgerkriegs leben noch immer 60.000 bis 70.000 Tamilen in Lagern und warten auf die Erlaubnis, in ihre Dörfer zurückkehren zu dürfen. 90.000 leben bei befreundeten Familien. Der Wiederaufbau kommt nicht voran. Im Norden herrscht weiterhin der Ausnahmezustand. Die Halbinsel Jaffna bleibt Hochsicherheitszone (hierzu FR vom 25.6.2010, Le Monde diplomatique 13.8.2010).

Die Regierung verfüge über Listen mit Namen Tausender LTTE-Kämpfer. Insgesamt würden bislang 11.000 LTTE-Kämpfer in insgesamt drei gesonderten sog. "Rehabilitierungszentren" im Osten Sri Lankas festgehalten, bevor sie vor Gericht gestellt würden. Nach Einschätzung der Human Rights Watch erscheint es möglich, dass dort Häftlinge gefoltert werden oder einfach "verschwinden" (hierzu Deutsche Welle vom 3.2.2010).

Aus der Neuwahl des Staatspräsidenten ist im Januar 2010 Amtsinhaber Rajapakse, gegen den der (ehemalige) Armeechef General Fonseca u.a. auch mit Unterstützung der westlich-liberalen UNP und einer Tamilenpartei kandidiert hatte, mit 58 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgegangen. Fonseca wurde verhaftet und vor ein Militärgericht gestellt. Ein Grund der Verhaftung scheint seine Bereitschaft zu sein, vor einem internationalen Gericht über von Regierungstruppen begangene Kriegsverbrechen auszusagen. Mittlerweile ist er zu drei Jahren Haft verurteilt worden (hierzu FAZ vom 18.9.2010, NZZ vom 11.2.2010, FR vom 25.1.2010, NZZ vom 26.1.2010, SZ vom 29.1.2010, FR vom 11.2. und 9.2.2010).

Die regierende Koalition unter Ministerpräsident Rajapakse hat sodann im April 2010 die erste Parlamentswahl seit dem Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka klar mit ca. 60 Prozent gewonnen, die oppositionelle UNP kam auf rund 30 Prozent (hierzu NZZ vom 12.4.2010 und vom 23.4.2010. Nach Angaben der NZZ vom 26.1.2010) missbraucht die Regierung in Colombo die Antiterrorgesetze weiterhin dazu, Kritiker mundtot zu machen. Die International Crisis Group stelle hierzu aber fest, dass die Zahl der politischen Morde seit Kriegsende deutlich zurückgegangen sei, wenngleich die staatliche Repression andauere.

Der Präsident Rajapakse hat sich nach seinem Wahlsieg für eine Aussöhnung mit den Tamilen ausgesprochen. Die Realisierung einer Aussöhnung zwischen Singhalesen und tamilischer Minderheit steht indes noch aus (hierzu NZZ vom 29.1.2010, taz vom 10.4.2010).

Dank des immer noch gültigen Ausnahmezustandes kann die Regierung jedoch nach wie vor relativ willkürlich Leute verhaften und für unbeschränkte Zeit festhalten. Kritik an der Regierung zu äußern, kann lebensgefährlich sein. Einheimische Kritiker werden verfolgt, ermordet oder verschwinden spurlos (hierzu NZZ vom 6.2.2010, FR vom 10.2.2010).

Der Wiederaufbau im Norden kommt nur schleppend voran und viele Tamilen leben noch immer in Flüchtlingslagern. Auch ein Jahr nach Kriegsende herrscht der Ausnahmezustand und die staatliche Repression hat nur leicht nachgelassen. Eine "Versöhnungskommission" wurde ins Leben gerufen. Das Gremium erfüllt indes nach Einschätzung von Pressebeobachtern nicht die erforderlichen Standards. Zum einen seien die von Rajapakse ernannten Kommissionsmitglieder alles andere als unabhängig, so sei ihr Vorsitzender ein dem Präsidenten nahestehender pensionierter General. Zum anderen sei das Mandat eng gehalten und die Untersuchung insbesondere auf die Gründe für das Scheitern des Waffenstillstandes 2002 begrenzt (hierzu NZZ vom 7.6.2010).

Nachdem die Regierung es weiterhin ablehnt, Untersuchungen der UN über Menschenrechtsverletzungen der letzten Jahre nicht nur bezüglich Opfern des Bürgerkriegs, sondern auch bezüglich des Schicksals von Regierungskritikern zuzulassen, beschloss die EU, die traditionellen Handelsvergünstigungen für Sri Lanka auszusetzen (hierzu FAZ, 7.7.2010, SZ 9.7.2010, FR 10.7.2010, NZZ 13.8.2010).

Eine eigene Kommission der Regierung ("Kommission für Versöhnung und Lehren aus dem Bürgerkrieg"), die im Mai eingesetzt worden war, nahm im August ihre Arbeit auf (hierzu NZZ vom 12.8.2010. Nach weiteren Aussagen der Zeitung (hierzu NZZ vom 13.8.2010) gibt die anhaltend schlechte Menschenrechtssituation in Sri Lanka indes immer noch Anlass zu Sorge.

Schließlich bezeichnet auch die deutsche Bundesregierung (in der Antwort vom 27.4.2010 auf eine Anfrage zur Menschenrechtslage und zum Friedensprozess in Sri Lanka, BT-Drs. 17/1530) die Menschenrechtslage in Sri Lanka als schwierig und stellt fest, dass die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards anhaltend mangelhaft ist. Nach weiteren Angaben müssten Oppositionelle - darunter auch viele Singhalesen - weiterhin mit Einschüchterungen und Repressalien rechnen, Tamilen liefen aber eher Gefahr, davon betroffen zu sein. Informationen über die Zahl inhaftierter Gefangener liegen der Regierung nicht vor.

In einer Gesamtschau auf der Grundlage der vorgenannten Erkenntnisse kann daher aus Sicht des Senats die allgemeine Sicherheitslage in Sri Lanka auch nach der Beendigung des Bürgerkriegs im Mai 2009 derzeit noch als instabil bezeichnet werden. Zwar gibt es mit Blick etwa auf die Lockerung einzelner Notstandsbestimmungen Anzeichen eines Entwicklungsprozesses hin zu einer Normalisierung, wie etwa auch im Norden der Insel durchgeführten Kommunalwahlen und die in weiten Teilen erfolgte Rückkehr von Bürgerkriegsflüchtlingen in ihre Herkunftsgebiete. Die Politik der Regierung ist aber weiterhin davon geprägt, ein Wiedererstarken der LTTE zu verhindern. Tamilen stehen unter einer Art Generalverdacht einer Verbindung oder Nähe zur LTTTE. Sie müssen landesweit mit Kontrollen und Überprüfungen rechnen, eine Verhaftung kann schon bei geringen Verdachtsmomenten erfolgen. Zum Zwecke der (vorbeugenden) Terrorbekämpfung wird auch gegenwärtig die Geltungsdauer der Antiterrorgesetze monatlich vom Parlament verlängert. Wird der Betroffene auf Grundlage der Antiterrorgesetze festgenommen, ist unter Umständen auch eine längere Haftzeit ohne richterliche Kontrolle möglich. Von derartigen Maßnahmen der Sicherheitskräfte sind Tamilen überproportional betroffen. Seit Mai 2010 findet eine Lockerung der Notstandsgesetze statt, deren Auswirkungen aber noch nicht konkret absehbar sind. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass nach der Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen zwar Ansätze eines Entwicklungsprozesses zur Verbesserung der Lage hin zu einer Befriedung zu verzeichnen sind. Es kann aber weder von einer durchgreifenden Verbesserung noch von einer nennenswerten Verschlechterung der Sicherheits- und Menschenrechtslage in Sri Lanka ausgegangen werden (vgl. hierzu OVG Münster, Urteile vom 8.7.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.8.2010 - 3 A 864/09.A -).

Die dargestellte Erkenntnislage lässt jedoch insbesondere angesichts der Anzahl der in Sri Lanka lebenden tamilischen Volkszugehörigen und der dokumentierten Anzahl von Festnahmen und berichteter Repressalien gegenüber Tamilen nach wie vor den Schluss nicht zu, dass Tamilen im allgemeinen oder entsprechende Untergruppen hiervon, wie zurückkehrende tamilische Asylbewerber, männliche Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters oder Tamilen aus dem Norden und Osten in Sri Lanka allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional einer Gruppenverfolgung ausgesetzt wären. Es fehlt insoweit an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte, die an den eingangs genannten Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu messen ist. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass insoweit ein allein an die Ethnie anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegt, dessen Umsetzung durch den srilankischen Staat bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht.

Die genannten Stellungnahmen und Berichte über (asylrelevante) Menschenrechtsverletzungen vermögen insgesamt eine Gruppenverfolgung bzw. eine systematische Verfolgung an Tamilen nicht zu belegen. Insoweit fehlt es zum hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits an einer repräsentativen und nachvollziehbaren Dokumentation von Belegfällen in einem beachtlichen Umfang.

Konkrete Zahlen und Hintergründe von Menschenrechtsverletzungen wie etwa willkürliche Verhaftungen von Tamilen und Folter werden für das Jahr 2010 - im Gegensatz zu den Jahren 2006 bis 2009 - von den o.g. Erkenntnisquellen nicht genannt. Im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 16 a GG ist nach allem daher von Folgendem auszugehen:

Nach dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6.6.2010 (a.a.O.) die Einreise zurückkehrender Asylbewerber nur über den Flughafen Colombo möglich. Allein die Tatsache des Auslandsaufenthalts und die Asylbeantragung im Ausland begründen in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahezustehen und stellen bei der Einreise keinen unmittelbaren Anlass für Übergriffe und Repressalien der Sicherheitskräfte dar. Ein Asylantrag im Ausland wird von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen, sich einen Aufenthaltsstatus im Ausland zu verschaffen. Für Rückkehrer mit gültigem srilankischen Reisepass, werden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt. Dies gilt prinzipiell auch für Zurückgeführte.

Mit einer eingehenderen Überprüfung müssen Rückkehrer ohne gültigen srilankischen Reisepass rechnen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Einreise allein mit einem von einer srilankischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka (sog. Emergency-Pass) erfolgt. Angehörige dieses Personenkreises werden regelmäßig einer Personenüberprüfung unterzogen, wobei die Rückkehrer sowohl von der srilankischen Einreisebehörde als auch von der Kriminalpolizei am Flughafen zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt werden. Diskriminierende Praktiken sind dabei in aller Regel nicht bekannt geworden (hierzu Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16.6.210, 2.9.2009 und 7.4.2009).

Soweit eine sofortige Identifizierung nicht möglich ist und Widersprüchlichkeiten im Rahmen der Befragung auftreten, können Rückkehrer unter Umständen kurzfristig festgehalten werden.

Zwar können auch aus Sicht des Auswärtigen Amtes - insoweit in Übereinstimmung mit den weiteren genannten Quellen - Inhaftierungen von rückkehrenden Tamilen unmittelbar nach Ankunft in Colombo nicht generell ausgeschlossen werden, die länger als zwei Tage dauern und - im Falle eines konkreten Terrorismusverdachts - zu Folterhandlungen der Sicherheitskräfte führen können. So waren nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Jahr 2005 in einigen Fällen nach Sri Lanka abgeschobene Tamilen u.a. auch von Sicherheitskräften gefoltert worden.

Für das Jahr 2010 lassen sich derartige Feststellungen nicht mehr treffen. Nach dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes handelt es sich abgesehen von dem Fall einer Tamilin im Mai 2010 um zahlenmäßig nicht konkret erfassbare Fälle. Konkrete Zahlen verhafteter Rückkehrer oder gar dass derartige Verhaftungen in einem erheblichen Umfang stattgefunden hätten, ergeben sich auch nicht aus den weiteren genannten Erkenntnisquellen. Die Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe im jüngsten vorliegenden Bericht vom 8.12.2009 beschränken sich - ohne Angabe von verifizierbaren Belegfällen - auf vage Vermutungen.

Mithin kann schon nicht angenommen werden, dass rückkehrende tamilische Asylbewerber generell oder in einer beachtlichen Anzahl einer über eine Befragung hinausgehenden Behandlung durch srilankische Sicherheitskräfte ausgesetzt wären. Soweit es in Einzelfällen zu einer (längerfristigen) Inhaftierung ggf. verbunden mit menschenrechtswidriger Behandlung kommt, wäre den genannten Maßnahmen indes mit Blick auf ihre Zielsetzung eine Asylrelevanz abzusprechen, denn sie knüpfen in ihrer objektiv erkennbaren Gerichtetheit (hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, a.a.O. und vom 15.5.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 84, 139 ff.) nicht an das - an sich - asylrelevante Merkmal der tamilischen Volkszugehörigkeit - evtl. in Verbindung mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe - an, sondern dienen dem legitimen Ziel, terroristische Straftaten, die die Rechtsgüter von Bürgern des srilankischen Staates, insbesondere Leben und Gesundheit, gefährden, zu verhindern oder Straftaten aufzuklären. Die deshalb erfolgenden Sicherheitskontrollen und Sistierungen werden dabei quasi naturgemäß an den genannten Merkmalen ausgerichtet, weil in der Vergangenheit terroristische Straftaten und Anschläge insbesondere durch die LTTE begangen wurden, die sich abgesehen von einigen Führungskadern vornehmlich aus Tamilen jüngerer Alterskategorien rekrutiert hat. Da gerade aus der "Tamilendiaspora" im Ausland eine Reorganisation [heraus] betrieben wird, werden auch trotz militärischer Beendigung des Bürgerkrieges weiterhin Anschläge befürchtet und können - bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte - auch tamilische Rückkehrer aus dem Ausland unter LTTE-Verdacht geraten. Es ist daher der Intention nach prinzipiell die vermutete LTTE-Verbindung und nicht allein die tamilische Volkszugehörigkeit, die zu einer Verhaftung durch die Sicherheitskräfte führen kann. In diesem Zusammenhang ist auch die vom Auswärtigen Amt in seinem aktuellen Lagebericht vom 16.6.2010 angeführte Festnahme einer Tamilin im Mai 2010 zu bewerten, die nach den Erkenntnissen der srilankischen Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Geld gesammelt und Demonstrationen organisiert haben soll.

Auszugehen ist mithin von dem Bestreben der Sicherheitskräfte, zu überprüfen, ob es sich bei dem Rückkehrer um jemanden handelt, der der LTTE nahe steht oder der aus sonstigen Gründen eine Gefahr für die innere Sicherheit des Staates darstellt. Nach der Rechsprechung ist insoweit anerkannt, dass der Staat im Bereich der Terrorismusabwehr präventive und repressive Sicherheitsmaßnahmen ergreifen darf, solange er sich dabei auf die Terrorismusbekämpfung beschränkt und nicht unter dem Vorwand behaupteter Terrorismusbekämpfung politische Verfolgung betreibt. Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings dann als asylerhebliche Verfolgung zu bewerten sein, wenn zusätzliche Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene jedenfalls auch wegen eines asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblichen Merkmals verfolgt wird. Ein derartiges Umschlagen in eine asylerhebliche Verfolgung ist anzunehmen, wenn die staatlichen Maßnahmen das der reinen Terrorismusbekämpfung angemessene Maß überschreiten. Dies kann der Fall sein bei erheblichen körperlichen Misshandlungen oder etwa auch bei einer übermäßig langen Freiheitsentziehung. In diesen Fällen spricht eine Vermutung dafür, dass sie den Einzelnen zielgerichtet, zumindest aber auch wegen seiner asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblichen Merkmale treffen und deshalb politische Verfolgung darstellen. Wird Folter angewandt, gilt diese Vermutung in erhöhtem Maße (hierzu BVerwG, Urteil vom 25.7.2000 - 9 C 28.99 -, OVG Münster, Urteil vom 8.7.2009 - 3 A 3295/07.A -, zitiert nach juris) Maßnahmen zur Identitätsfeststellung dienen üblicherweise der präventiven und repressiven Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung staatlicher Sicherheitskräfte. Ihnen fehlt es in aller Regel schon an der erforderlichen Eingriffsintensität, selbst wenn sie zu kurzzeitigen Inhaftierungen führen sollten und es dabei zu keinen anderweitigen asylerheblichen Rechtsgutverletzungen kommt (hierzu BVerwG, Beschluss vom 13.1.2000 - 9 B 576.99 -).

Die genannten Erkenntnisquellen lassen mangels einer beachtlichen Anzahl konkreter und nachvollziehbarer Belegfälle indes nicht den Schluss zu, dass tamilische Rückkehrer von den Sicherheitskräften am Flughafen generell festgenommen, längerfristig festgehalten werden und in der Haft der Gefahr von schweren körperlichen Misshandlungen und Folter ausgesetzt sind. Dies gilt auch für diejenigen rückkehrenden tamilischen Asylbewerber, die ohne srilankischen Reisepass einreisen. Es kann - wie dargelegt - zwar nicht ausgeschlossen werden, dass zurückgeführte Asylbewerber zum Zwecke der Überprüfung ihres Einreisegrundes und ihrer Identität im Einzelfall und länger festgehalten und im Falle eines konkreten Terrorismusverdachts auch Folterungshandlungen durch die srilankischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sein können (hierzu Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16.6.2010 und vom 7.4.2009, SFH, Asylsuchende aus Sri Lanka vom 8.12.2009).

Ausgehend von dem hier - mangels Vorverfolgung des Klägers anzuwendenden Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit - lässt sich jedoch die für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Dichte von derartigen Übergriffen auf aus dem Ausland zurückkehrende Asylbewerber nicht feststellen. Ob ein tamilischer Rückkehrer aus dem Ausland bei seiner Einreise bei den dortigen Sicherheitskräften konkret in den Terrorismusverdacht bzw. einer Nähe zur LTTE gerät und damit rechnen muss, nicht nur kurzfristig für ein bis zwei Tage zur Identifizierung, sondern längerfristig und ggf. mit asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblichen Misshandlungen inhaftiert zu werden, lässt sich nach der derzeitigen Erkenntnislage nicht generalisierend, sondern - wie nachfolgend auszuführen sein wird - nur anhand einer Würdigung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten beantworten (vgl. zu vorstehendem OVG Münster, Urteil vom 8.7.2009 - 3 A 3295/07.A -).

Aus Deutschland zurückgeführte Asylbewerber haben in Sri Lanka auch keine - ungeachtet der Frage einer Asylrelevanz - Repressionen wegen Verstoßes gegen Passbestimmungen zu befürchten. Die Möglichkeit eines Passvergehens steht deshalb nicht im Raum, weil Asylbewerber aus Deutschland zumindest mit einem Emergency-Pass zurückgeführt werden (hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7.4.2009).

Des weiteren fehlen derzeit auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Tamilen bei einer nach der Einreise (jedenfalls vorläufigen) Aufenthaltsnahme in Colombo und Umgebung asyl- und abschiebungsrelevanten Maßnahmen im Sinne von Art. 16 a GG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein könnten.

Eine staatliche Gruppenverfolgung von Tamilen allein in Anknüpfung an ihre Volkszugehörigkeit findet in Colombo lässt sich bei Auswertung der zuvor bezeichneten Erkenntnisquellen nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad entnehmen.

Zwar stimmen die genannten Auskünfte und Stellungnahmen darin überein, dass tamilische Volkszugehörige in Sri Lanka und auch in Colombo (weit) überproportional von Festnahmen und längeren Haftzeiten betroffen sein können als andere Bevölkerungsgruppen und dass Tamilen häufig einem Generalverdacht der Unterstützung von LTTE-Rebellen unterliegen können. Auch gibt es insbesondere aus den Jahren 2006 bis 2009 Berichte über zahlreiche Razzien und Verhaftungsaktionen, die landesweit, aber auch in Colombo stattgefunden haben. Amnesty international berichtet insoweit - wie dargelegt - davon, dass Razzien vor allem in einigen von Tamilen bewohnten Stadtteilen Colombos seit 2006 vermehrt durchgeführt wurden. Dabei sei es zu Festnahmen von teilweise Hunderten von Menschen gekommen, die allerdings zumeist nach ein bis zwei Tagen freigelassen worden seien (vgl. etwa Länderinformationen, asyl-info 7-8/2007, S. 51 f.). [...]

Nach Berichten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe haben sich Anfang September 2008 ca. 1200 junge Tamilen in den Haftzentren der Hauptstadt aufgehalten, nachdem sie in Colombo und den Vororten verhaftet worden seien (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" vom 11.12.2008).

Aus dem Jahr 2010 lassen sich Berichte über Verhaftungsaktionen in dieser Größenordnung nicht (mehr) feststellen, so dass aktuell auf die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte bereits nicht geschlossen werden kann. Ungeachtet dessen, dass schon von daher eine beachtliche Gefahr der Wiederholung derartiger Aktionen nicht angenommen werden kann, ergeben sich auch aus den die Jahre 2006 bis 2009 betreffenden Erkenntnissen keine konkreten Anhaltspunkte zu dem jeweiligen Anlass, dem Hintergrund sowie der konkreten Haftdauer der einzelnen Verhaftungen. Selbst wenn man jedoch unterstellt, dass diese Verhaftungen in Anknüpfung an die tamilische Volkszugehörigkeit erfolgt waren, wäre zum einen die für eine Asylrelevanz erforderliche Zielgerichtetheit zu verneinen. Denn ohne nachvollziehbare Angaben und Belege der maßgeblichen Umstände dieser Inhaftierungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie in der damaligen Zeit der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen nicht einer - prinzipiell legitimen - Terrorismusbekämpfung gedient haben. Zum anderen wäre die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Eingriffsintensität derartiger Aktionen angesichts dessen zu verneinen , dass die Verhafteten überwiegend nach 2 Tagen freigelassen wurden, ohne dass sich durchgreifende Anhaltspunkte über im Zusammenhang damit erfolgte Rechtsgutverletzungen wie etwa Folter haben feststellen lassen (hierzu etwa ai Länderinformationen, asyl-info 7-8/2007). [...]

Zusammenfassend ist festzustellen, dass weder Tamilen im Allgemeinen noch Untergruppierungen hiervon wie (rückkehrende) Tamilen mit Herkunft aus dem Norden und Osten des Landes bzw. männliche Tamilen jüngeren oder mittleren Alters der aktuellen Gefahr einer regionalen oder landesweiten staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Fälle von Sistierungen und Inhaftierungen, die in der Regel kurzfristiger Natur sind, erfolgen überwiegend im Zusammenhang mit - legitimer - Terrorismusbekämpfung. Einer asyl- und abschiebungsrelevanten Gefährdung können im Einzelfall diejenigen Personen ausgesetzt sein, die in den (konkreten) Verdacht einer Verbindung oder Nähe zur LTTE geraten. Hiervon können bei entsprechendem Verdacht auch Rückkehrer betroffen sein, die insoweit individuelle Besonderheiten aufweisen.

Dieser Einschätzung des Senats entspricht auch die Rechtsprechung weiterer Obergerichte (vgl. OVG Münster, Urteile vom 24.8.2010, vom 2.9.2009 - 3 A 1708/07.A -, vom 29.10.2009 - 3 A 2275/07.A -, vom 8.7.2009 und vom 29.4.2009 jeweils a.a.O., VGH Kassel vom 15.9.2010 - 5 A 1985/08.A -, zitiert nach juris).

Nichtzulassungsbeschwerden gegen die o.g. Entscheidungen des OVG Münster vom 29.4.2009, vom 2.9.2009 und vom 20.10.2009, die die Grundsatzfrage einer Gruppenverfolgung von Tamilen in Sri Lanka betrafen, wurden durch Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 - und vom 16.2.2010 - 10 B 43.09 - und 10 B 1.10 zurückgewiesen. [...]