VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 24.01.2011 - 2 A 15/10 - asyl.net: M18433
https://www.asyl.net/rsdb/M18433
Leitsatz:

Keine Flüchtlingsanerkennung, da das Gericht die Konversion zum christlichen Glauben als rein asyltaktisch motiviert ansieht und davon überzeugt ist, dass der Kläger den Glaubenswechsel nicht wirklich vollzogen hat. Daher keine Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr in den Iran.

Schlagwörter: Asylverfahren, Iran, Konvertiten, Christen, Glaubhaftmachung, Asylfolgeantrag
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 71 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1-3 VwVfG. [...]

Der Kläger ist im April 2009 zum christlichen Glauben konvertiert und hat am 15.06.2009, also innerhalb der 3-Monats-Frist einen weiteren Folgeantrag gestellt. Soweit er sich jedoch dabei auf seine Konversion beruft, hält das Gericht dieses Vorgehen für rein asyltaktisch motiviert und ist überzeugt, dass der Kläger den Glaubenswechsel nicht wirklich vollzogen hat. Beruft sich ein Asylsuchender auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei im Bundesgebiet zu einer in seinem Herkunftsland angefeindeten Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht. Erst wenn der Glaubenswechsel die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise prägt, kann ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die angenommene Religion zu verzichten, um staatlichen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen. Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungsverfahrens und ggfs. auch des gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen religiösen Bekenntnis gelöst und dem neuen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, so genügt es im Regelfall nicht, dass er lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er sich taufen lässt. Andererseits kann grundsätzlich nicht verlangt werden, dass der Konvertierte schon so fest im Glauben steht, dass er bereit ist in seinem Herkunftsland für den Glauben selbst schwere Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen. Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich u.a. nach der Persönlichkeit und intellektuellen Disposition des Asylsuchenden (BVerwG, Urt. v. 20.01.2004 - 1 C 9.03 -, BVerwGE 120, 16; OVG Münster, Beschl. v. 30.07.2009, - 5 A 982/07.A - ,juris; VGH Kassel, Urt. v. 06.07.2007, 8 UE 3140/05.A - juris: VGH München, Urt. v. 23.10.2007, -14 B 06.30315 -, DÖV 2008, S. 164). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger hat das Gericht nicht von einem ernsthaften Glaubenswechsel zu überzeugen vermocht. Zwar hält es das Gericht grundsätzlich für möglich, dass der Kläger das Erwachen seiner Mutter aus dem Koma als Schlüsselerlebnis empfunden hat, welches er mit dem christlichen Glauben in Zusammenhang gebracht hat. Dennoch bleibt das Vorbringen des Klägers im Hinblick auf seinen Glaubenswechsel insgesamt zweifelhaft, denn der Kläger befindet sich bereits seit dem Jahr 2000 in Deutschland, will jedoch erst nach erneuter Ablehnung eines Asylfolgeantrags im Jahre 2008 im Zusammenhang mit der Erkrankung seiner Mutter eine Konversion zum christlichen Glauben in Betracht gezogen haben. Dass er bereits im Iran mit Kindern religiöser Minderheiten auf seiner Berufsschule Kontakt hatte und dort auch bereits Christen kennengelernt haben will, hat er erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Ebenso unglaubhaft erscheint es im Hinblick auf seinen insoweit lückenhaften Vortrag im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt, dass er bereits in Teheran zweimal eine christliche Kirche besucht haben und dort eine Kerze angezündet haben will. Insgesamt hat der Kläger dem Gericht in der mündlichen Verhandlung durch sein Verhalten den Eindruck vermittelt, sein Handeln und Vorbringen im Zweifel stark an den Erfolgsaussichten seiner Klage zu orientieren. Er hat das Gericht nicht davon zu überzeugen vermocht, ein gläubiger Christ zu sein. So hat er bei der Anhörung beim Bundesamt lediglich vorgetragen, erst zwei Mal einen Gottesdienst besucht zu haben. Nunmehr behauptet er, jeden Sonntag den Gottesdienst in Peine zu besuchen und einmal im Monat am Taufgottesdienst der ...-Kirche in Hannover teilzunehmen. Dass dies von Herrn ... sowie durch eine schriftliche Bescheinigung des Pastors ... bestätigt worden ist, steht dem nicht entgegen, da es sich dabei um für die Dokumentation subjektiver Nachfluchtgründe typische Verhaltensweisen handelt. Zudem hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass der Kläger seine religiösen Aktivitäten vor allem im Hinblick auf die anstehende Gerichtsverhandlung deutlich verstärkt hat. Herr ... hat in der mündlichen Verhandlung weiterhin darauf hingewiesen, dass der Kläger sich gegenüber seiner Exfrau und dem gemeinsamen Kind stets außerordentlich rücksichtsvoll verhalten habe. Entgegen der Einschätzung von Herrn... hält das Gericht dieses Verhalten jedoch nicht unbedingt für einen Ausdruck praktisch gelebter Nächstenliebe, sondern vielmehr für ein übliches Verhalten innerhalb einer Familie. Wenig überzeugend verhielt sich der Kläger zudem auch in Bezug auf die Frage, ob er seinen christlichen Glauben auch bei einer Rückkehr in den Iran weiter praktizieren werde. Hier trug er zwar vor, dass er Christ sei und auch Christ bleibe. Dazu wie er im Einzelnen seine Religion in Zukunft ausüben wolle, konnte er jedoch überhaupt keine Angaben machen. Auf die Frage, was ihn am christlichen Glauben besonders beeindrucke, nannte der Kläger immer wieder die Nächstenliebe, die er als persönliche Erlösung empfinde. Dabei bleiben seine Angaben jedoch stets oberflächlich. Insgesamt hat der Kläger das Gericht nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die christliche Religion ihn in seiner Identität nachhaltig geprägt hat und Ausdruck einer echten und tiefen inneren Überzeugung ist. [...]