VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 25.02.2011 - 7 B 139/11 - asyl.net: M18608
https://www.asyl.net/rsdb/M18608
Leitsatz:

Der Tatbestand des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG setzt für die begehrte Verlängerung eine zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnis voraus. Ein nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend geltendes Schengen-Visum ist keine Aufenthaltserlaubnis im Sinne dieser Vorschrift.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Schengen-Visum, Visum, Aufenthaltserlaubnis, nicht vollziehbar ausreisepflichtig, Ausreisepflicht, vorübergehender Aufenthalt, dringende humanitäre Gründe, dringende humanitäre oder persönliche Gründe, außergewöhnliche Härte, Ausnahmesituation, Betreuungsbedürftigkeit, Pflegebedürftigkeit,
Normen: AufenthG § 25 Abs. 4 S. 2, AufenthG § 25 Abs. 4 S. 1, AufenthG § 4 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[...]

1. Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu. Nach dieser Vorschrift kann einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. [...]

2. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis im Wege der Verlängerung gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG.

a) Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsteller im Zeitpunkt seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 18. Mai 2009 nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen ist, die hätte verlängert werden können.

Die dem Antragsteller im April 1997 gewährte Aufenthaltsbefugnis war bereits erloschen, und sein Antrag auf Verlängerung war mit Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 4. August 1998 rechtskräftig abgelehnt worden. Bei seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet am 9. November 2008 besaß der Antragsteller lediglich ein sog. Schengen-Visum gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, welches ihm am 30. April 2009 gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG letztmalig bis zum 31. Mai 2009 verlängert wurde. Danach galt dieses Visum gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG im Hinblick auf seinen Antrag vom 18. Mai 2009 als fortbestehend.

Der Tatbestand des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG setzt für die begehrte Verlängerung eine zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnis voraus. Das als fortbestehend geltende Schengen-Visum des Antragstellers ist jedoch keine Aufenthaltserlaubnis im Sinne dieser Vorschrift.

Aufenthaltserlaubnis und Visum sind nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes jeweils eigenständige Aufenthaltstitel. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Danach werden die Aufenthaltstitel als Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG erteilt. Mit der Neukonzeption des Visarechts in § 6 AufenthG ist der Gesetzgeber von der früheren ausländerrechtlichen Systematik abgerückt, welches das Visum nicht als eigenständigen Aufenthaltstitel, sondern als eine besondere Form der jeweiligen Aufenthaltsgenehmigung ausgestaltet hat, die gemäß §§ 3 Abs. 3 Satz 1 u. Abs. 3 AuslG 1990 vor der Einreise einzuholen war. Ein Schengen-Visum stellt nunmehr einen eigenen Aufenthaltstitel dar. Die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes, die die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis regeln, sind bei Vorliegen eines Visums nicht anwendbar. (Hailbronner, a.a.O., § 6 Rdnr. 3; zu § 30 Abs. 3 AufenthG: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.12.2007 - 17 B 2167/06 - zit. nach Juris).

b) Im Übrigen kommt die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch deshalb nicht in Betracht, weil nach dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren eine außergewöhnliche Härte nicht gegeben ist.

Eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG setzt das Vorliegen einer besonderen Ausnahmesituation voraus. Die in der bisherigen Rechtsprechung aufgestellten hohen Anforderungen zur Auslegung des Begriffs der außergewöhnlichen Härte im Sinne von § 30 Abs. 2 AuslG 1990 gelten auch im Rahmen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (BVerwG, Beschluss vom 08.02.2007 - 1 B 69/06 - NVwZ 2007, 844; Hailbronner, a. a. O., § 25 Rdnr. 91 u. 92).

Als außergewöhnliche Härte kann nach den konkreten Umständen des Einzelfalles u.a. die Betreuungsbedürftigkeit eines im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen in Betracht kommen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Familienangehörige des Ausländers in besonderer Weise auf dessen Pflege angewiesen und dem Ausländer nicht zuzumuten ist, den der Betreuung bedürftigen Angehörigen ohne den erforderlichen Beistand in Deutschland zurückzulassen (vgl. zu § 30 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990: OVG Bremen, Beschluss vom 25.06.1998 - 1 BB 183/98 - zitiert nach Juris). Dagegen ist die Annahme einer außergewöhnlichen Härte dann nicht gerechtfertigt, wenn auf die Auswirkungen der Erkrankung des betroffenen Familienangehörigen auch auf andere Weise mit vielfältigen Unterstützungsmaßnahmen ausreichend reagiert werden kann (zu § 36 AufenthG: OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23.07.2009 - 2 B 377/09 - zitiert nach Juris).

Aus den obigen Ausführungen des Beschwerdegerichts zur Möglichkeit der Unterstützung der pflegebedürftigen Mutter durch die Geschwister des Antragstellers ergibt sich, dass eine außergewöhnliche Härte nicht dargetan ist. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einer besonderen Härte im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). [...]