VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 15.11.2012 - 19 CS 12.1851 - asyl.net: M20252
https://www.asyl.net/rsdb/M20252
Leitsatz:

Zur Geltendmachung des Rechts auf Daueraufenthalt-EG in einem Mitgliedstaat, in dem dieses Recht nicht entstanden ist.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltstitel, Daueraufenthalt, Daueraufenthalt-EG, Daueraufenthaltsberechtigte, Schriftform, schriftliche Bestätigung, langfristig Aufenthaltsberechtigte, langfristig aufenthaltsberechtigt, Daueraufenthaltskarte, Spanien,
Normen: AufenthG § 38a, RL 2003/109/EG Art. 8 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

Die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten wird grundsätzlich durch die Bescheinigung nach Art. 8 Abs. 3 RL 2003/109 belegt. Die zentrale Bedeutung dieser Bescheinigung ergibt sich aus dem Gewicht, das das Unionsrecht ihrer Gestaltung und Fälschungssicherheit beimisst (vgl. Erwägungsgrund 11 RL 2003/109, wonach solche Aufenthaltstitel strengen technischen Normen, insbesondere hinsichtlich der Fälschersicherheit, genügen sollen, um Missbräuchen in dem Mitgliedstaat, in dem dieser Rechtsstellung erlangt wurde, und in den Mitgliedstaaten, in denen das Aufenthaltsrecht ausgeübt wird, vorzubeugen; vgl. auch die Erwägungsgründe, die Regelungen und den Anhang der VO Nr. 1030/2002 des Rates vom 13.6.2002, geändert durch VO Nr. 380/2008 des Rates vom 18.4.2008). Jedoch ist die Frage, ob die Bescheinigung nach Art. 8 Abs. 3 RL 2003/109 (in Spanien: “Residente de larga duracion-CE“, vgl. AVwV AufenthG Nr. 38a.1.1.1) den einzigen zulässigen Nachweis der langfristigen Aufenthaltsberechtigung darstellt, zu verneinen (im Beschluss vom 22. Mai 2012 Az. 19 CS 12.465 hat der Senat diese Frage noch offen gelassen, weil der dortige Antragsteller weder eine solche Bescheinigung noch eine sonstige schriftliche Bestätigung spanischer Behörden oder spanischer Auslandsvertretungen vorgelegt hat). Eine Rechtsvorschrift, die andere Nachweise ausschließt, existiert nicht. Der Entwurfsbegründung zu § 2 Abs. 7 AufenthG zufolge sind auch alternative Nachweise, etwa eine Auskunft der Behörden des Mitgliedstaats, als Nachweis für die Rechtsstellung (oder deren Verlust) denkbar, weil die Richtlinie hinsichtlich der Geltendmachung der Rechtsstellung nicht an die Vorlage eines Aufenthaltstitels mit dem Vermerk "Daueraufenthalt-EG" anknüpft (BT-Drs. 16/5065, S. 158). Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl S. 877 ff.) kann der Nachweis der Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter auch durch eine schriftliche Bestätigung der Behörden des Mitgliedstaates (in dem das Recht zum Daueraufenthalt-EG entstanden sein soll), gegebenenfalls auch dessen Auslandsvertretung in Deutschland, geführt werden (Nr. 2.7.4). In der Literatur wird ganz überwiegend ebenfalls diese Auffassung vertreten (Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 4. Aufl. 2011, § 2 RdNr. 550 ff.; Funke-Kaiser in GK Aufenthaltsgesetz, RdNr. 130 zu § 2; Hailbronner, Ausländerrecht, RdNr. 59 zu § 2 AufenthG). Im Fall des Nachweises der langfristigen Aufenthaltsberechtigung durch eine sonstige Bestätigung des Mitgliedstaats bedarf es allerdings einer sorgfältigen Vergewisserung durch die Ausländerbehörde, dass die Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter auch tatsächlich verliehen worden ist (Nr. 2.7.4 a. E. AVwV AufenthG). Andere alternative Nachweise als Bestätigungen von Behörden oder Auslandsvertretungen des Mitgliedstaats, in dem das Daueraufenthaltsrecht-EG entstanden sein soll, kommen nicht in Betracht. Es ist nicht Aufgabe der Ausländerbehörde eines Mitgliedstaats, der Frage nachzugehen, ob die Voraussetzungen der Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat vorliegen (in diesem Sinn Abschnitt A.II.2 der Hinweise des BMI zum EU-Richtlinienumsetzungsgesetz; Hailbronner, AuslR, RdNr. 1 a.E. zu § 38a; Eberle in Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, 2. Aufl. 2008, RdNr. 3b zu § 38a; wohl auch Welte, InfAuslR 2007, 45/47). Dies liegt angesichts der vielfältigen Schwierigkeiten, kurzfristig (vgl. Art. 19 Abs. 1 RL 2003/109) verlässlich festzustellen, ob die komplexen (vgl. Art. 4 ff. RL 2003/109) Voraussetzungen dieser Rechtsstellung im ersten Mitgliedstaat erfüllt worden sind, auf der Hand.

Die Antragstellerin, die nicht im Besitz der spanischen Bescheinigung nach Art. 8 Abs. 3 RL 2003/109 ist (Email des spanischen Generalkonsulats vom 20.4.2012, Bl. 9 der Ausländerakte), hat keine Unterlagen vorgelegt, die die Voraussetzungen für einen alternativen Nachweis des Daueraufenthaltsrechts-EG erfüllen. Die spanische Daueraufenthaltskarte der Antragstellerin basiert zwar - ausweislich des auf ihr angebrachten Vermerks - auf dem Unionsrecht ("Regimen Comunitario"). Das Unionsrecht regelt aber verschiedene Aufenthaltstatbestände mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Das Spanische Generalkonsulat in München hat zwar am 3. Mai 2012 bescheinigt, dass die Antragstellerin mit ihrer Daueraufenthaltskarte einen unbefristeten Aufenthaltstitel (erneuerbar alle zehn Jahre) sowie eine Arbeitsgenehmigung als Angestellte oder selbständig hat. Der Bescheinigung des Generalkonsulats ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin das zum Verwaltungsakt "Daueraufenthalt-EG" (zum Verwaltungsaktcharakter vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 158) führende Verfahren nach Art. 7 f. RL 2003/109 eingeleitet und erfolgreich durchgeführt hat, und auch nicht, dass die Voraussetzungen der Art. 4 ff. RL 2003/109 vorliegen, die deutlich über das Erfordernis eines langjährigen Aufenthalts in der Union hinausgehen und sich von den Voraussetzungen unterscheiden, unter denen eine Daueraufenthaltskarte wie die der Klägerin erteilt wird (vgl. Art. 5 RL 2003/109 sowie die mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen des spanischen Ministeriums für Arbeit und Immigration). Die Bescheinigung des Generalkonsulats vom 3. Mai 2012 steht somit nicht in Widerspruch zu dessen E-Mail vom 20. April 2012. Unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin weder zuständig noch in der Lage ist, anstelle der spanischen Behörden zu prüfen, ob die Antragstellerin in Spanien die Voraussetzungen für einen Daueraufenthalt-EG erfüllt hat, besteht hierfür auch keine Notwendigkeit. Gegen eine etwaige Entscheidung der spanischen Behörden, die Rechtsstellung einer langfristig Aufenthaltsberechtigten zu versagen, kann die Antragstellerin die Verfahrensgarantien des Art. 10 RL 2003/109 in Anspruch nehmen und in diesem Zusammenhang auch eine etwaige unzureichende Umsetzung dieser Richtlinie rügen. [...]