VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 16.08.2013 - 4 A 89/11 - asyl.net: M21062
https://www.asyl.net/rsdb/M21062
Leitsatz:

Fehlende Erwerbsbemühungen der Ehefrau sind dem Einbürgerungsbewerber nicht zuzurechnen.

Schlagwörter: Einbürgerung, Sicherung des Lebensunterhalts, erwerbsfähig, Erwerbsfähigkeit, Erwerbsbemühungen, Arbeitssuche, Arbeitslosigkeit, Unterhaltsanspruch, Ehepartner, Ehegatte, Erwerbstätigkeit,
Normen: StAG § 10, StAG § 10 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, dass der Kläger aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustands nicht erwerbsfähig ist und ihm auch ein etwaiges Unterlassen in der Vergangenheit, für seinen Lebensunterhalt im Alter vorzusorgen, aufgrund Zeitablaufs (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, - 5 C 22.08 -, juris) nicht mehr entgegengehalten werden kann.

Die fehlenden Erwerbsbemühungen seiner Ehefrau sind dem Kläger nicht zuzurechnen. Zwar dürfte die Ehefrau aufgrund ihres Alters erwerbsfähig sein und auch unter Berücksichtigung der dem Kläger gewährten Pflegeleistungen in der Lage sein, wenigstens einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen, jedoch enthält das Staatsangehörigkeitsrecht keine Regelung, die es erlaubte, das Verhalten eines Familienangehörigen dem Einbürgerungsbewerber zuzurechnen (Prozesskostenhilfe-Beschl. d. Kammer v. 18.7.2006, - 4 A 119/04 -, n.v., unter Hinweis auf VG Sigmaringen, Urt. v. 25.1.2006, - 5 K 1868/04 -, juris; VG Aachen, Urt. v. 28.10.2009, - 5 K 758/08 -, juris; Berlit, a.a.O., Rn. 265; Geyer in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, § 10 StAG Rn. 19). Soweit die Ehefrau des Klägers in der Lage ist, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, fehlt es darüber hinaus an einer für die Einbeziehung in die "Bedarfsgemeinschaft" erforderlichen Unterhaltsberechtigung der Ehefrau (vgl. § 1602 Abs. 1 BGB; Berlit, a.a.O., Rn. 234; .VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6.3.2009, - 13 S 2080/07 -, juris).

Der Kläger hat gegenüber seiner Ehefrau auch keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger die seiner Ehefrau gemäß § 1360 S. 1 BGB obliegende Pflicht, durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt beizutragen, wirksam durchsetzen könnte. Eine entsprechende Klage ginge letztlich ins Leere. Auch die Beklagte hat eingeräumt, vom Kläger nicht zu verlangen, seinen Unterhaltsanspruch gerichtlich durchzusetzen. Soweit sie erwartet, dass die Ehefrau des Klägers sich zumindest arbeitslos meldet, rechnet sie in unzulässiger Weise das Unterlassen der Ehefrau dem Kläger zu. Mit Ausnahme einer rechtlich nicht durchsetzbaren Bitte ist es diesem nicht möglich, seine Ehefrau zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder entsprechenden Vorbereitungshandlungen zu zwingen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zum Aufenthaltsrecht. Die Zielsetzung, einer Zuwanderung in die Sozialsysteme entgegenzuwirken, wird bereits dadurch gefördert, dass der Einbürgerungsanspruch an einen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt anknüpft. Denn der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus setzt regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt voraus. Wird aufenthaltsrechtlich diesem Umstand kein Gewicht beigemessen, verliert auch die im Einbürgerungsrecht grundsätzlich geforderte wirtschaftliche Integration an Bedeutung. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber im Einbürgerungsrecht fiskalischen Interessen insoweit geringere Bedeutung beigemessen, als er einen Anspruch auf Einbürgerung nicht bei jeglichen Sozialleistungen, sondern nur bei solchen nach dem SGB II und XII - und auch bei diesen nicht stets - ausgeschlossen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2009, - 5 C 22.08 -, juris; Hailbronner in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 10 StAG Rn. 39). Obwohl die Einbürgerung den Abschluss einer gelungenen Integration bilden soll, folgt hieraus nicht, dass höhere Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu stellen sind als im Aufenthaltsrecht.

Da der Kläger alle übrigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 StAG erfüllt bzw. die Beklagte von der Erfüllung der Voraussetzungen aufgrund des Alters (im Hinblick auf den Nachweis von Kenntnissen der deutschen Sprache und Gesellschaftsordnung) bzw. des Flüchtlingsstatus (im Hinblick auf die Aufgabe der eigenen Staatsangehörigkeit) des Klägers abgesehen hat, ist die Beklagte zur Einbürgerung des Klägers zu verpflichten. [...]